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Stuttgart 21: Nach dem Schlichterspruch ist vor der Demo

Große Erwartungen waren an Geißlers Schlichterspruch geknüpft worden. Um 16.30 des gestrigen Tages war es dann soweit. Das Ergebnis war enttäuschend. Geißler stellt sich grundsätzlich hinter das Großprojekt S21. Damit endet der Baustopp – aber auch die Friedenspflicht. Einen Volksentscheid hatte er schon vorher ausgeschlossen. Zumindest gab er Bahn und Landesregierung einige Hausaufgaben mit: Zweifel […]

Große Erwartungen waren an Geißlers Schlichterspruch geknüpft worden. Um 16.30 des gestrigen Tages war es dann soweit. Das Ergebnis war enttäuschend. Geißler stellt sich grundsätzlich hinter das Großprojekt S21. Damit endet der Baustopp – aber auch die Friedenspflicht. Einen Volksentscheid hatte er schon vorher ausgeschlossen. Zumindest gab er Bahn und Landesregierung einige Hausaufgaben mit: Zweifel an der Leistungsfähigkeit des Tunnelbahnhofs hatte die Bahn nämlich nicht ausräumen können. Der Technikvorstand der Bahn AG, Volker Kefer, hatte in der letzten Schlichtungsrunde und auch in seinem Schlussplädoyer eingestanden, dass es Engpässe geben und einzelne Verspätungen sich „aufschaukeln“ könnten. Geißler will, dass die Anzahl der Gleise erhöht, Brandschutz und Barrierefreiheit ausgebaut werden. Auch einen Belastungstest soll die Bahn ermöglichen. Dabei soll geklärt werden, ob Stuttgart21 tatsächlich eine 30%ige Leistungssteigerung aushält.

Die Kritik der Gegner/innen ist also im Schlichterspruch angekommen. Dennoch zeigt sich, was schon vorher klar war: Ein Kompromiss ist nicht möglich. Es kann nur eine Entscheidung für oder gegen Stuttgart21 gefällt werden und nun ist bei allen Auflagen eine Entscheidung für S21 raus gekommen. Die Alternative des Kopfbahnhofs würde jetzt viel Arbeit bedeuten: Ein Planstellungsverfahren müsste initiiert werden, die laufenden Aufträge für S21 gestoppt werden. Diesen Weg zu gehen, scheute Heiner Geißler offensichtlich. Aber wenn S21 mit allen Auflagen gebaut werden soll, wird das Großprojekt noch teurer, als es ohnehin schon ist. Der BUND schätzt die Kosten für die notwendigen zusätzlichen Infrastrukturmaßnahmen auf 500 Mio. Euro. Auch die Bedenken gegenüber Risiken bezüglich der Geologie und wesentlicher Punkte der Tunnelsicherheit bleiben mit Stuttgart 21 bestehen und wurden durch die Schlichtung nicht ausgeräumt. Die Gegner_innen zogen aus dem Schlichtungsspruch die richtigen Schlüsse: Die Sachschlichtung hat ihre Argumente deutlich gemacht, das spiegelt sich auch im Schlichterspruch wider. Auch ihr Konzept eines modernisierten Kopfbahnhofes wurde als gutes Alternativkonzept anerkannt. Die Entscheidung für Stuttgart21 ohne Volksentscheid akzeptieren die Gegner_innen hingegen nicht: Schon kurz nach dem Schlichterspruch demonstrierten sie in Stuttgart erneut.

Der Widerstand gegen Stuttgart21 ist also noch nicht zu Ende. Und das ist auch gut so. Die Schlichtung hat einen ersten Erfolg gebracht: Argumente, die vorher nicht gehört werden wollten, sind bei den Verantwortlichen angekommen. Aber entscheidend verändert wurde die Weichenstellung nicht – noch immer fährt Stuttgart in Richtung Tunnelbahnhof. Der Widerstand, der zur Klärung der Sachargumente die Friedenspflicht eingehalten hat, wird weitergehen. Wichtige Forderung ist eine Ausweitung des Baustopps bis die offenen Fragen um Auslastung und Leistungssteigerung geklärt sind – dem hat die Bahn bisher nicht zugestimmt. Und bei allen Bekenntnissen bezüglich mehr Bürgerbeteiligung in der Zukunft – Noch sind sie nur Lippenbekenntnisse. Für Stuttgart21 akzeptieren wir kein „Jetzt ist es zu spät“. Eine Politik der „Alternativlosigkeit“ und „Unumkehrbarkeit“ darf es nicht geben.

Am 11. Dezember ruft das Aktionsbündnis zu einer bundesweiten Demonstration gegen S21 und für mehr Bürgerbeteiligung in Stuttgart auf. Kommt zahlreich und setzt den lautstarken und bunten Protest fort: Aufruf!

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Autor*innen

Christine Borchers, Jahrgang 1977, hat Geschichtswissenschaften und Germanistik an der Universität Bremen studiert. Sie engagiert sich seit Jahren in verschiedenen politischen Bewegungen. Einen Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit legt sie auf antirassistische und antifaschistische Themen. Alle Beiträge

3 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Es sieht wohl so aus, als ob die Schlichtung bei Stuttgart 21 keine Kostenersparnis zur Folge hat, sondern wieder mal Mehrausgaben in Höhe von 1 Milliarde Euro. Die Schlichtung ist rum und der einzigste Gewinner ist wohl Heiner Geissler. Auch Geißlers Schlusswort hat nicht für Ruhe in Stuttgart gesorgt. Schnell haben Gegner und Befürworter von Stuttgart 21 ihre Reihen wieder geschlossen, und auch die Streitfragen sind die alten die Kosten zum Beispiel. Was hat es also gebracht, ich glaube gar nix, nur eine Beschädigung der Demokratie. Wenn sich schon die Grünen wieder dagegen aussprechen, frage ich mich, warum sie die Schlichtung überhaupt mitgemacht haben. Das sind so richtige Politiker geworden. Für mich auch nicht mehr wählbar.

  2. Ich warne Alle Gutgläubigen vor den Versprechen unserer politischen Vertreter.
    Beispiel Flughafen Frankfurt:
    Ein Ministerpräsident versichert: Keinen weiteren Ausbau über den bestehenden Zaun.
    Leere Worte, leere Versprechung – nicht eingehalten.
    Hess. Landesregierung erklärt den Frankfurter Stadtwald zum Bannwald (Höchste Schützungsstufe)

    Ein „Mediationsverfahren“ zum Ausbau des Flughafens wird ohne die Vertretung der Gegner ein berufen.
    Abschluss des Verfahrens: Flughafen wird gebaut, Bannwald wird zurückgenommen, aber die „Ausbaugegner bekommen wenigsten ein „Nachtflugverbot von 23 – 5 Uhr“.
    Der Ministerpräsident verspricht: nur mit diesem absoluten Nachtflugverbot gibt es die Ausbaugenehmigung.
    Das Ergebnis der „Mediation“ wurde von allen Beteiligten Unterschrieben und akzeptiert, darunter die Flughafengesellschaft und die Lufthansa.
    Es dauerte dann aber nicht lange und die Lufthansa verlangte auch in der absoluten Nachtflugverbotszeit Ausnahmen.
    Und dann stellt auch der Ministerpräsident fest, dass das von ihm garantierte Nachtflugverbot bei einem Ausbau nicht juristisch durchsetzbar sei ( Dieser Präsident ist zufällig Jurist)
    Mit anderen Worten:
    Die Versprechen von unseren Politikern sind keinen Pfifferling wert.

  3. Hallo Miteinander,

    … habe schon unterzeichnet.

    Bin aber verwundert: Selbst Ihr/Sie als quasi fachkompetent in Sachen Atom / Biologie / Chemie bekommt es nicht fertig, eine „saubere“ Zuordnung der richtigen, weil zutreffenden Begriffe hinzukriegen. Dass viele Behörden, fast alle Medien und dann der Normalbürger die entsprechenden Begriffe durcheinanderwirbelt, ist täglich bemerkbar und hat im Bewusstsein Folgerungen.

    Jedenfalls gilt, aus der Sache heraus gesehen:

    – Atomare Gefahrenpotenziale
    v e r s t r a h l e n bzw. zerstrahlen die materielle Welt, gerade auch die organische, lebendige: Pflanze, Tier und Mensch.

    – Biologische Gefahrenpotenziale (Viren, Bakterien)
    v e r s e u c h e n die organisch-lebendige Welt: Pflanze, Tier und Mensch.

    – Chemische Gefahrenpotenziale
    v e r g i f t e n die organisch-lebendige Welt: Pflanze, Tier und Mensch.

    Ich bitte um sorgfältige, weil zutreffende Unterscheidung, und bitte darum, dieses weiterzuleiten. – Danke!

    Wilhelm Arntz, Offenburg

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