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Spekulationssteuer: FDP versucht Zeit zu schinden

Um nicht länger als Blockierer dazustehen, haben FDP-Chef Rösler und Fraktionschef Brüderle vorgeschlagen, die britische Börsensteuer in der ganzen EU einzuführen. Doch die sogenannte "stamp duty" hat gegenüber einer Finanztransaktionssteuer einen entscheidenden Nachteil: Wichtige Finanzprodukte, wie z.B. hochspekulative Derrivate, werden von Ihr gar nicht erfasst.

Um nicht länger als Blockierer dazustehen, haben FDP-Chef Rösler und FDP-Fraktionschef Brüderle eine Finanzmarktsteuer nach Vorbild der britischen Börsenumsatzsteuer in Gespräch gebracht. Diese sogenannte „stamp duty reseve tax (SDRT)“ wurde in Großbritannien bereits 1694 eingeführt, daher auch der altertümliche Name „Stempelsteuer“. Auch in Deutschland gab es so eine Börsenumsatzsteuer schon einmal, bis sie 1991 von der damaligen schwarz-gelben Bundesregierung unter Helmut Kohl abgeschafft wurde.

Doch es gibt einen entscheidenden Unterschied zwischen der britischen „stamp duty“ und der Finanztransaktionssteuer wie sie Campact, Attac und neuerdings sogar die EU-Kommission fordert: Anleihen und Derivate, die den Löwenanteil der spekulativen Geschäfte ausmachen, werden von der britischen Finanzmarktsteuer gar nicht erfasst, während die Finanztransaktionssteuer auf alle Spekulationsgeschäfte erhoben werden soll. Rösler und Brüderle bleiben deshalb mit Ihrem Vorschlag weit hinter den Vorschlägen der EU-Kommission zurück. „Diese deutlich abgespeckte Steuer hat nicht den Effekt, den wir uns erhoffen“, sagt Jörg Alt von der Kampagne „Steuer gegen Armut“. Denn die Steuer soll nicht nur Einnahmen bringen und so die Verursacher der Finanzkrise an deren Kosten beteiligen, sondern auch die Spekulation an den Finanzmärkten bremsen und den computergesteuerten Hochfrequenzhandel eindämmen. Ein Ziel dass sich mit so einer abgespeckten Steuer nicht erreichen lässt. Und die Einnahmen sind natürlich auch niedriger, wenn nicht alle Spekulationsgeschäfte besteuert werden.

Zwar sei es sinnvoll zu versuchen, den größten Finanzplatz Europas einzubeziehen. „Gut an der Besteuerung britischer Aktien ist auch, dass die instrumentenbezogene Steuererhebung Geschäfte überall in der Welt erfasst und damit Umgehungsmöglichkeiten minimiert“, so Alt. Wenn man die britische „stamp duty“ auf Anleihen, Derivate und Ähnliches ausdehnen würde, hätte man eine echte Finanztransaktionssteuer. Aber darum geht es der FDP nicht. „Der FDP kommt es ohnehin nur darauf an, Zeit zu schinden und darauf zu setzen, dass das Projekt in langwierigen Verhandlungen mit London so weit verwässert wird, bis es auch von der Spekulantenklientel der FDP akzeptiert werden kann“, erklärt Peter Wahl von WEED. Sei die erste Stufe erst mal verwirklicht, würde London nach altbewährter Methode alles Weitere blockieren. „Wir wären dann so weit wie 1991, bevor die deutsche Börsenumsatzsteuer abgeschafft wurde.“

Ganz aus dem Blick gerät bei der derzeitigen Diskussion allerdings auch, was mit den Einnahmen aus der Finanztransaktionssteuer geschehen soll. „Wir erwarten von der Bundesregierung, dass sie nicht vor der Finanzwirtschaft und ihrer Zweiprozentpartei einknickt, sondern sich stattdessen konsequent für die umfassende Besteuerung von Finanztransaktionen einsetzt. Dazu gehört auch das Bekenntnis, dass ein Teil der Steuereinnahmen für die weltweite Bekämpfung von Armut und Klimawandel verwendet wird. Mit der von der FDP vorgeschlagenen Steuer können dagegen in vernünftiger Frist noch nicht einmal die Schulden aus der Finanzkrise beglichen werden“, sagt Rainald Ötsch von unserem Kampagnenpartner Attac.

Bundeskanzlerin Merkel, Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy und die EU-Kommission wollen weiterhin eine Finanztransaktionssteuer und nicht nur eine abgespeckte Börsensteuer, wie sie die FDP fordert. Es kommt jetzt darauf an weiter Druck zu machen, damit die Verzögerungstaktik der FDP nicht aufgeht. Merkel darf nicht vor ihrem schwindsüchtigen Koalitionspartner einknicken!

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Autor*innen

Yves Venedey war Campaigner im Kampagnen-Team 1, verantwortlich für Klima-Themen. Er war schon Marktforscher, Briefträger, Geschäftsführer, Journalist und Pressesprecher. Yves Venedey ist Autor des Buchs "Abschalten", das 2011 im Fischer Verlag erschienen ist. Alle Beiträge

5 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich bin gegen Spekulationsgeschäfte im Allgemeinen und im Besonderen, was solche Geschäfte mit Lebensmitteln anbelangt!
    Und solche müssten unbedingt besteuert werden, diese Steuer hätten NUR Spekulanten und NICHT ALLE Bürger zu leisten!
    Die FDP – ist ja klar, warum sie GEGEN die Steuer eingestellt ist.
    Neoliberalismus, reiner Kapitalismus, was wird NICHT ALLES damit
    kaputtgemacht!
    Sie steht doch für die kleine, vermögende Elite — DIE NUR EINS im Auge hat — PROFIT auf der ganzen Linie und auf Kosten der ALLGEMEINHEIT
    und insbesondere der KLEINEN LEUTE, die nun einmal KEINE LOBBY
    auf ihrer Seite haben!
    Wenn SO VIELE auf die Straße gehen – wegen dieser SOZIALEN UNGE-
    RECHTIGKEITEN, dann sollten die politisch und wirtschaftlich Verantwortlichen, die ja auch gewissermaßen zur Elite gehören oder sich zumindest dazuzählen, ENDLICH aus dem Dornröschenschlaf AUFWACHEN und das Ruder herumreißen und entsprechendes veranlassen, ABER NEIN!
    Darf ich daran erinnern, in Frankreich gab es die REVOLUTION
    von 1789, die schließlich auch blutig für die Revolutionäre ausging!
    Die Demonstrationen hier und heute verlaufen gewiß FRIEDLICH,
    aber bleibt es IMMER so?
    Die Wirtschaft, insbesondere die Finanzwirtschaft, wie auch die Politik
    sollten endlich zur Besinnung und zur Einsicht kommen, dass es SO NICHT WEITERGEHEN kann wie bisher, und nicht allein aus der Angst heraus, dass es eines Tages bei der breiten Bevölkerung aus dem Ruder
    laufen könnte, weil diese wortwörtlich vor angestauter, verzweifelter Wut überkocht.
    Niemand sollte das wollen!
    Lassen wir es deshalb nicht darauf ankommen – in Richtung auf die finanzwirtschaftlich und politisch Verantwortlichen gesprochen!
    Allerdings scheint sich die Wut im Ganzen mehr nach innen zu richten, denn wie sonst steigen z.B. Depressionen und andere psychische Erkrankungen stark an,
    was NUR EINE von vielen möglichen Erklärungen hierfür wäre? – – –

  2. Selten habe ich so eine schlechte Hetze gegen die FDP gelesen.
    Die EU Kommission weißt selbst auf große Probleme der Steuer hin. Ebenso wird erklärt, dass die Steuer letzten Endes wie jede Umsatzsteuer vom Kunden, also dem Bürger, bezahlt wird.
    Auch große negative Auswirkungen hat so eine Beateuerung auf Volatilität des Marktes, was deutlich negative Auswirkungen haben kann.

    Am einfachsten ist natürlich die Populismuskeule zu schwingen und mehr Geld für die Armen zu fordern, aber wer glaubt wirklich, dass dieses Geld überhaupt dort ankommt? Es wird bei der EU und beim Staat versieben.

    Auch Tobin, der Erfinder dieser Steuer, lehnt eine derartige Steuer ab.

    Wem es um das Geld der Banken geht, der soll sich dafür einsetzen, aß wieder der Kapitalismus greift und die Banken haften müssen für ihre Kredite.

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