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Vermögensteuer für Betriebe: Gründe und Grenzen

Grüne, Linke, SPD: mehrere Parteien haben inzwischen die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer aufgegriffen und unterschiedliche Modelle dazu vorgelegt. Dabei ist ein Streit darüber entbrannt, ob und inwieweit auch Betriebsvermögen von der Steuer betroffen sein soll. Insbesondere SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück macht sich dafür stark, Unternehmen komplett von der Vermögensteuer zu befreien. Andere sehen diese Steuerbefreiung kritisch. […]

Grüne, Linke, SPD: mehrere Parteien haben inzwischen die Forderung nach Wiedereinführung der Vermögensteuer aufgegriffen und unterschiedliche Modelle dazu vorgelegt. Dabei ist ein Streit darüber entbrannt, ob und inwieweit auch Betriebsvermögen von der Steuer betroffen sein soll. Insbesondere SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück macht sich dafür stark, Unternehmen komplett von der Vermögensteuer zu befreien. Andere sehen diese Steuerbefreiung kritisch. Wo liegt das Problem?

Kleine Unternehmen nicht gefährden

Die Besteuerung von Unternehmen soll ihre wirtschaftliche Existenz nicht gefährden – darüber besteht Einigkeit auch bei den VerfechterInnen der Vermögensteuer. Das eigentliche Problem betrifft in erster Linie kleine Firmen im Besitz einer Einzelperson oder Familie, die aus diesem Betrieb ihren Lebensunterhalt bestreitet. Denn während ein vermögender Aktienbesitzer notfalls ein paar Aktien verkaufen kann, um die Steuer zu zahlen, können kleine Unternehmer nicht einfach Teile ihres Betriebs verkaufen, ohne sein Fortbestehen, die damit verbundenen Arbeitsplätze und ihre eigene Lebensgrundlage zu gefährden. Sie können auch nicht notfalls einen Kredit aufnehmen, um die Steuer zu zahlen – denn diesen bekommen sie häufig nur, wenn sie dafür eine Maschine oder Material kaufen und verpfänden.
Um kleine Betriebe nicht zu gefährden, empfehlen sich also höhere Freibeträge, als sie für rein private Vermögen gewährt werden. Deshalb sehen die Konzepte, wie sie z. B. attac oder die Initiative Vermögender für eine Vermögensabgabe vorgelegt haben, solche höheren Freibeträge (von jeweils 3 bis 5 Millionen Euro) für Betriebsvermögen vor.

Die Riesen-Vermögen sind vorwiegend betrieblicher Art

Warum Betriebsvermögen nicht komplett von der Steuer ausnehmen? Zum einen bestehen die extrem großen Vermögen überwiegend aus Eigentum an Unternehmen. So basiert die Liste der reichsten Deutschen – angefangen mit Familie Albrecht (Aldi), Dieter Schwarz (Lidl), Familie Otto (Versand) oder Susanne Klatten (BMW u. a.) – vor allem auf Anteilen an Konzernen und Firmengruppen. Diese Milliardenvermögen dürfen bei einer Vermögensbesteuerung nicht ausgeklammert werden – denn sonst entstünde eine neue große Gerechtigkeitslücke. Verschont würden ausgerechnet die Superreichen der Superreichen. Zudem würde sich das Aufkommen aus der Vermögensteuer erheblich verringern.

Steuerschlupfloch „Cash-GmbH“

Außerdem entstünden durch eine komplette Ausklammerung des Betriebsvermögens neue Möglichkeiten zum Steuerbetrug. Denn Privatvermögen ließe sich dann durch die Einlage in ein Betriebsvermögen relativ einfach aus der Steuerpflicht ausnehmen. Steinbrück selbst hat früher vor solchen Umgehungsmöglichkeiten gewarnt, nach dem Motto: „Der Picasso hängt bei mir nicht mehr im Wohnzimmer, sondern im Besucherzimmer meines Betriebs.“ Vor allem die Schaffung sogenannter „Cash-GmbHs“, deren Betriebszweck allein die Verwaltung des (privaten) Vermögens ist, würde so zum neuen Steuervermeidungsmodell für besonders Betuchte.

Bundesfinanzhof mahnt Gleichbehandlung an

Auch deshalb hat der Bundesfinanzhof (BFH) im vergangenen Oktober die derzeit bei der Erbschaftsteuer geltende Ungleichbehandlung von Privat- und Betriebsvermögen als verfassungswidrig beurteilt. Bislang müssen Erben von Unternehmen in den meisten Fällen gar keine Erbschaftsteuer zahlen. Dies stellt nach Ansicht der obersten Steuerrichter eine ungerechtfertigte und damit „verfassungswidrige Überprivilegierung“ dar. Der BFH hat deshalb das Erbschaftsteuergesetz erneut dem Bundesverfassungsgericht zur Prüfung vorgelegt.

Warten auf Karlsruhe…

Die Vermögensteuer-Arbeitsgruppe der rot-grün regierten Bundesländer wurde daraufhin vorläufig auf Eis gelegt. Es scheint auch nicht verkehrt, eine verfassungsrechtliche Klarstellung abzuwarten – auch um einen juristischen Schiffbruch, wie ihn gerade die französische Regierung bei ihrem Projekt einer „Reichensteuer“ vorläufig erlitt, zu vermeiden. Andererseits: bis Karlsruhe sich äußert, wird viel Zeit vergehen. Und die WählerInnen haben das Recht, von den Parteien möglichst konkrete Aussagen zu bekommen, bevor sie erneut für vier Jahre ihre Stimme „abgeben“.
Zumindest ein Teil der Lösung könnte ähnlich aussehen wie in dem Vorschlag, den die Grünen bereits für eine Vermögensabgabe gemacht haben. Danach sollen die von Betrieben zu leistenden Zahlungen auf maximal 35 % eines Jahresgewinns gedeckelt und in Jahren, in denen ein Unternehmen rote Zahlen schreibt, gestundet werden. Einen anderen Kompromissvorschlag hat die Gewerkschaft ver.di gemacht: sie will Unternehmen grundsätzlich nur mit dem halben Steuersatz (0,5 statt 1 %) belangen.

38mal größere Freibeträge?

In ihrer Denkpause sollte die rotgrüne Arbeitsgruppe auch bei den Privatvermögen noch einmal genauer hinschauen. Bisher will sie zwei Millionen Euro Netto-Vermögen pro Person steuerfrei stellen (bei Ehepaaren entsprechend vier Millionen, zuzüglich weiterer Freibeträge für Kinder). Dieser Freibetrag ist fast 38mal (!) so groß wie jener, der bis 1996 galt, als die Vermögensteuer zuletzt erhoben wurde. Über 70 Prozent der Deutschen finden die 2-Millionen-Grenze zu hoch und wollen niedrigere Freibeträge. Eine Forderung, die die Politik – angesichts der im Vergleich zu 1996 deutlich verschärften sozialen Schieflage – nachvollziehen sollte.

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Autor*innen

Annette Sawatzki, Jahrgang 1973, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Bonn, Berkeley und Hamburg. Sie arbeitete als Dokumentarin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Büroleiterin von Bundestagsabgeordneten. Ihre Schwerpunkte als Campaignerin bei Campact liegen in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Alle Beiträge

30 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich sehe es eher als eine bodenlose Frechheit an, dass tatsächlich jemand Vermögen ab einem Millionenbetrag NICHT besteuern will. Aber ich denke, hätte sich Christoph die Antwort auf die Frage von Müller aufmerksam durchgelesen, oder wäre er selbst drauf gekommen, dass Vermögen fast immer Erträge erwirtschaftet, hätte er sich nicht darüber aufregen müssen, dass man nur 98,5 oder 99% ab einer Million behalten dürfte und dann gar nicht mehr motiviert sein kann (ab der ersten Million..)..
    Rechne ich falsch?: Wenn ich 2 Millionen anlege (ob in Form von Aktien, oder Geschäftsbeteiligungen oder Mietwohnungen) und nach Abzug von 25% Ertragssteuer inflationsbereinigt 4% Netto-Ertrag = 80 000 EUR erwirtschafte, sollen dann 10 000 EUR Vermögenssteuer (die ich von der 2. Million über dem Freibetrag 1 000 000 * 0,01) Abzocke sein und uns direkt in die DDR führen?!

    Ich mag diese detaillierte Diskussion und die überzeugenden Antworten.
    Aber ein kritischen Punkt sehe ich:
    Gibt es Konzepte, eine Kapitalflucht in andere Länder (z.B. Singapur) zu verhindern? Ich habe gelesen, dass auch skandinavische Hochsteuerländer diese Steuer wieder abgeschafft haben (wegen Kapitalflucht?). Könnte man dagegen nicht Erbschaft- und Grundsteuer ohne die Nebenwirkung von Kapitalflucht erhöhen?

  2. Der Beitrag von „Müller“ beschreibt das ganze Dilemma sehr gut.
    Hinzu kommt, sobald im Deutschen Steuerrecht mit Freibeträgen hantiert wird, geht es schon los: Was kann wie von dem zu besteuernden Vermögen abgezogen werden. Es ist damit eine einzige Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für Steuerberater und -kanzleien. Die zahlen dann hoffentlich für die so erwirtschafteten Mehreinnahmen entsprechenden Steuern oder sie können sich dann selbst auch „gesund“ rechnen?
    Wer sein Geld ansammelt, muss viel Steuern zahlen, wer viele Schulden hat, kann diese vom Vermögen abziehen und zahlt wieder nichts. Oder der Staat, also alle anderen, muss dann doch wieder eingreifen, um diese Schuldner zu retten? Es ist keine einfache Aufgabe, das Deutsche Steuerrecht zu reformíeren.
    Insbesondere bei Immobilienbesitz gibt es doch keine einfache Besteuerungsgrundlage. Das einzige, was „einfach“ zu besteuern ist, ist konkretes Einkommen. Hier könnte doch durch eine Vereinfachung der Steuergesetze am einfachsten eine Steuergerechtigkeit erreicht werden? Wichtiger finde ich in dem Zusammmenhang endlich, einen Mindestlohn durchzusetzen, damit diese Aufstockerei aufhört, also die Allgemeinheit die Gewinne derjenigen subventioniert, die Menschen zu Billiglöhnen beschäftigen!

    • Ich gebe „Rudi“ voll und ganz Recht. Bevor man politische Energie vergeudet, indem man nach einem weiteren Gesetz schreit, das dann aufgrund der typisch deutschen Art höchst kompliziert ausfallen und von Ausnahmetatbeständen nur so strotzen wird, sollte man kurzentschlossen das Einkommensteuergesetz durchlüften. Aber in einem Land, in dem effektive Steuerfahnder für verrückt erklärt und aus dem Amt entfernt werden, ist damit wohl nicht zu rechnen. Obwohl man weiß, dass Steuerprüfer und -fahnder ein Vielfaches dessen, was sie kosten, einbringen, unterlässt man es, ihre Zahl drastisch zu erhöhen. Warum wohl? Warum setzt man hier nicht an, anstatt dem Wust an Steuergesetzen noch ein weiteres hinzuzufügen? Allein durch den jährlichen Umsatzsteuerbetrug verliert der Staat mehr Einnahmen, als er je mit einer Vermögensteuer erzielen könnte. Dieser Umsatzsteuerbetrug ist auch und vor allem völlig undurchsichtigen Regeln geschuldet, die selbst Spezialisten häufig ratlos macht (man schaue sich nur einmal eine simple Umsatzsteuervoranmeldung an und wundere sich, was alles ein Umsatz sein kann. Dann rufe man beim Finanzamt an, um sich Rat zu holen und wundere sich erneut, dass die dortigen Mitarbeiter häufig auch nicht mehr durchblicken und das auch zugeben….). Ich sehe weit und breit niemanden im politischen Raum – auch nicht bei den Vermögensteueraktivisten – die das zum Thema machen.

      Seit gefühlt tausend Jahren reden Politiker aller Couleur von Steuervereinfachung und größerer Steuergerechtigkeit. Was aber ist passiert? Jede Veränderung machte alles nur noch komplizierter. Selbst mit Steuerberater ist man nicht mehr sicher, alles richtig gemacht zu haben. Daher gilt nach wie vor die alte Steuerprüferweisheit: Wir finden immer etwas.

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