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Überraschung: EU-Gipfel klar für andere Agrarpolitik

Die Vorschläge von Agrarkommissar Ciolos für einen Paradigmenwechsel in der EU-Agrarpolitik haben eine wichtige Hürde genommen – und dies unerwartet unbeschadet! Auf dem Finanzgipfel der EU haben die Staats- und Regierungschefs sich letzten Freitag klar dafür ausgesprochen, dass Landwirte Geld aus Brüssel künftig nur gegen Einhaltung ökologischer Auflagen erhalten. Sprich: Öffentliche Gelder nur für öffentliche […]

Die Vorschläge von Agrarkommissar Ciolos für einen Paradigmenwechsel in der EU-Agrarpolitik haben eine wichtige Hürde genommen – und dies unerwartet unbeschadet! Auf dem Finanzgipfel der EU haben die Staats- und Regierungschefs sich letzten Freitag klar dafür ausgesprochen, dass Landwirte Geld aus Brüssel künftig nur gegen Einhaltung ökologischer Auflagen erhalten. Sprich: Öffentliche Gelder nur für öffentliche Leistungen.

Bis zuletzt hatte die Bundesregierung immer wieder die Kommissionsvorschläge in Misskredit gebracht. Agrarministerin Aigner stellte sich zwar offiziell hinter das „Greening“, um im nächsten Atemzug aber zu warnen: „Die Bürokratie blüht!“ „Massive Flächenstilllegung droht!“. Das Kanzleramt hatte gar versucht, den umstrittensten Teil der Reform massiv abzuschwächen: Die 7 Prozent ökologische Vorrangflächen, die jeder Landwirt künftig im Umweltinteresse nutzen soll, wollte Merkels Haus auf 3,5 Prozent zusammenkürzen.

Das ist vom Tisch, genauso wie Versuche die Verbindlichkeit der Auflagen aufzuweichen. Nur an einem Punkt konnte sich Merkel durchsetzen: Ciolos wollte Subventionen für große Agrarfabriken ab 300.000 Euro kappen. Dies kann nun jedes Mitgliedsland selbst entscheiden. Angesichts des starken Lobbyeinflusses der Großagrarier dürfte in den meisten Ländern damit eine Kappung kaum durchsetzbar sein.

Damit das Greening im Zuge der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) wirklich kommt, sind noch zwei Hürden zu nehmen. Zum einen muss das Europäische Parlament ihm zustimmen. Zuletzt hatte der Agrarausschuss die Kommissionsvorschläge massiv verwässert. Hier kommt es jetzt auf das Votum des Plenums am 12. März an.

Zum zweiten steckt der Teufel im Detail. Die Kommission sieht drei Auflagen vor, wo es in den nächsten Monaten jeweils um die genaue Ausgestaltung geht:

1. Anbaudiversifizierung
Weniger Monokulturen, mehr Vielfalt: Dies will Ciolos mit der Auflage erreichen, dass jeder Betrieb mindestens drei verschiedene Kulturen anbauen muss – eine auf maximal 70 Prozent der Fläche und jede auf mehr als 5 Prozent. Ein erster Anfang, doch gerade um die Ausbreitung großer Mais-Monokulturen aufzuhalten reicht dies nicht aus. Der Umweltausschusses des Europäischen Parlaments hat hingegen eine echte Rotation der Feldfrüchte und damit eine Fruchtfolge vorgeschlagen.

2. Dauergrünlanderhaltungsgebot
Die Kommission will den massiven Umbruch von Grünland besonders für den Anbau von Mais und Raps als Futter- und Energiepflanzen stoppen. Grünland ist ein wichtiger CO2-Speicher und dient häufig der Biodiversität. Entscheidend für ein Umbruchverbot, dass ein Stichtag in der Vergangenheit gewählt wird. Denn sonst entsteht ein Anreiz, noch möglichst viel Grünland bis zum gesetzten Datum in Ackerland umzuwandeln.

3. Ökologische Vorrangflächen
Große Debatten hat Ciolos Vorschlag ausgelöst, 7 Prozent der Ackerfläche eines Betriebs als ökologische Vorrangflächen zu nutzen, die neben der Nutzung vor allem der Förderung der Biodiversität dienen. Der Deutsche Bauernverband warnte im Gleichklang mit Ilse Aigner immer wieder vor Flächenstilllegungen – obwohl die Kommission im vorliegenden Entwurf für die Direktzahlungsverordnung von „im Umweltinteresse genutzten Flächen“ sprach. In den nächsten Wochen wird es darum gehen, welche Anbaukulturen noch als ökologisch gelten.

Aigners Haus propagiert hier u.a. den Anbau von Eiweißpflanzen. So wichtig ein verstärkter Anbau ist, so wenig Sinn macht er auf den ökologischen Vorrangflächen – denn Eiweißpflanzen fördern kaum die Biodiversität. Umweltverbände fordern hingegen, eine Bewirtschaftung mit Eiweißpflanzen auf mindestens 20 Prozent der Ackerfläche bis zu einem gewissen Prozentsatz auf die ökologischen Vorrangflächen anzurechnen.

Im Gegensatz zu Aigner hat ihr französischer Amtskollegen Stéphane Le Foll bereits Vorschläge unterbreitet, welche Nutzungen er sich auf den Vorrangflächen vorstellen kann. Und auch die Umweltverbände haben detaillierte Vorschläge unterbreitet (http://www.boelw.de/uploads/media/pdf/Themen/Agrarpolitik/Plattform-Papier-EU-GAP-2013-August_2012.pdf). Als Nutzungsformen kommen u.a. in Frage: artenreiches Ackerland mit Getreideanbau mit erweiterten Reihenabstand und Stoppelumbruch erst im Winter, extensiviertes Grünland zwei- oder einschürig, Weideland mit entsprechend angepasstem Viehbesatz, artenreiche Kurzumtriebsplantagen als Gehölzstreifen, Streuobstbestände und Blühstreifen.

Ob es mit der EU-Agrarreform zum Greening oder zum Greenwashing kommt, ob wirklich politisch gegen das Bienensterben, den massiven Pestizideinsatz und die Zunahme von Monokulturen gehandelt wird, entscheidet sich in den nächsten Wochen. Sowohl den Agrarminister/innen als auch dem EU-Parlament obliegt es jetzt die Reform weiter auszugestalten. Wir werden sie weiter unter Druck setzen.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

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