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Europa-Parlament verfehlt die Agrarwende

Das wäre die Chance gewesen, aus der von der EU-Agrarrefom eine echte Agrarwende zu machen – hin zu einer nachhaltigen und bäuerlichen Landwirtschaft. Aber das Europa-Parlament entschied sich gestern für mehr Artensterben und Agrarwüsten. Die Abgeordneten verwässerten die Pläne der Kommission ab. Wir sind enttäuscht.

Das wäre die Chance gewesen, aus der von der EU-Agrarrefom eine echte Agrarwende zu machen – hin zu einer nachhaltigen und bäuerlichen Landwirtschaft. Aber das Europa-Parlament entschied sich gestern für mehr Artensterben und Agrarwüsten. Die Abgeordneten verwässerten die Pläne der Kommission. Wir sind enttäuscht.

Das Geld nicht mehr den Agrarfabrikanten in die Tasche zu stecken, sondern eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft zu fördern – gestern hatten es die Abgeordneten des EU-Parlaments in der Hand. Auf der Tagesordnung stand die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) und damit die Entscheidung, an wen und mit welchen Auflagen die über 50 Milliarden Euro Agrarbudget künftig verteilt werden soll. EU-Kommissar Ciolos hatte einen Plan vorgelegt, wie die Gelder in Zukunft etwas grüner und gerechter ausgegeben werden können: mit mehr Geld für Kleinbauern und mit ökologischen Mindestanforderungen für alle Zahlungsempfänger/innen.

Das Parlament hätte die ökologischen Standards stärken können. Denn zum ersten Mal hat das Parlament ein wirkliches Mitspracherecht neben Kommission und Länderregierungen. Doch unsere direkt gewählten Vertreter/innen verfehlten die Chance auf eine Agrarwende in Europa. Sie schwächten viele gute Vorschläge sogar ab. Warum? Die Abgeordneten folgten ihrem Agrarausschuss, der anscheinend vor der Lobby der Agrarindustrie eingeknickt ist. Vorschläge von Umwelt- und Entwicklungsausschuss nahm die konservative Mehrheit des Plenums kaum auf. Einige Punkte zur gerechteren Verteilung der Mittel kamen allerdings durch.

Die Ergebnisse im Einzelnen:
Das Parlament stimmt der Kommission zu, dass 30 Prozent der Direktzahlungen an die Landwirte an ökologische Auflagen gebunden werden. Sie schwächt diese Auflagen aber so weit ab, dass sie Maiswüsten und Bienensterben in Zukunft nicht verhindern können.
– Monokultur bleibt möglich: Der Vorschlag aus dem Umweltausschuss, dass Landwirte auf ihren Äckern jährlich die angebaute Frucht wechseln müssen, fand leider keine Mehrheit. Er hätte die Auflage der Kommission verschärft, nach der jedes Jahr bis zu 80 Prozent Mais angebaut werden darf.
– Kein Vorrang für Vielfalt: Das Parlament will Landwirte dazu verpflichten, zunächst nur drei Prozent ihrer Ackerfläche im Umweltinteresse zu nutzen, also mit Blühstreifen, Hecken und ohne Pestizideinsatz. Ab 2016 sollen es dann fünf Prozent werden. Die Kommission hatte sieben Prozent vorgeschlagen. Nur dies oder mehr kann das Landschaftsbild Europas verändern. Schon jetzt bestehen 2 bis 3,5 Prozent der deutschen Ackerflächen aus Landschaftselementen (Schätzung des bundeseigenen Thünen-Instituts).
– Klimaschutz abgeschwächt: Das CO2-intensive Umbrechen von Grünland soll nach dem Vorschlag der Kommission verhindert werden. Zuständig soll nach Meinung des Parlaments aber nicht der/die Landwirt/in sein, sondern die Mitgliedstaaten sollen für die Umsetzung sorgen.

Das Parlament will von oben nach unten umverteilen. Bisher erhalten die 20 Prozent der größten Betriebe 80 Prozent der EU-Agrarmittel.
– Das Parlament stellt sich hinter eine Obergrenze von 300.000 Euro pro Betrieb. Bundeskanzlerin Merkel und die anderen Regierungschefs will diese Obergrenze den Mitgliedstaaten nur freistellen.
– Kleinbauern fördern: Die Mitgliedstaaten können mehr Geld in die ersten 50 Hektar eines Landwirtes investieren. Entsprechend weniger gibt es dann für Großbetriebe.

Das Plenum erteilte zumindest den schlimmsten Vorschlägen aus dem Agrarausschuss eine Absage: die Landwirte für die gleiche ökologische Maßnahme doppelt zu bezahlen und die Empfänger/innen und Beträge der Subventionen zu verschleiern. Dafür wurde kein einziger Vorschlag aus dem Entwicklungsausschuss angenommen. Das Parlament setzt sich weder für ein Ende der Exportsubventionen ein, noch für eine Prüfung der Auswirkungen der EU-Agrarpolitik auf die Entwicklungszusammenarbeit.

Die Parlamentarier hätten die Agrarwende einläuten können, sie ließen sie stattdessen durchfallen. Nun sind unsere Augen erneut auf Agrarministerin Ilse Aigner gerichtet. Denn als nächstes findet der Ministerrat eine gemeinsame Position. Am Montag trifft sich Aigner mit ihren EU-Kollegen. Dort muss sie ihre Blockade-Position verlassen und sich klar gegen eine Förderung von Mais-Monokulturen einsetzen.

Ihre Unterschrift wirkt!
Am Tag vor der Abstimmung schrieb der CSU-Abgeordnete Markus Ferber eine E-Mail an alle Unterzeichner/innen unseres Appells “Vielfalt statt Monokulturen”. Darin legt er dar, dass er für die Vorschläge des Agrarausschusses stimmen wird, die wir in unserem Appell kritisieren. Wir antworteten ihm schnell, warum er sich dennoch an die Forderungen der über 82.000 Bürger/innen halten soll. Lesen Sie den Brief und unsere Antwort. Auch die Fraktion der Linken schickte uns eine E-Mail an die Unterzeichner/innen. Sie stimmte unseren Forderungen zu. Den Brief finden Sie hier.

Am Dienstag haben wir auf der Aktion in Straßburg die über 82.000 Unterschriften unter den Appell an Vertreter/innen des Europa-Parlaments überreicht. Vertreter/innen der Fraktionen der Grünen und der Sozialdemokraten kamen zu uns heraus und nahmen die Unterschriften entgegen. Die Vizepräsidentin des Parlaments nahm sie im Namen des gesamten Parlaments entgegen.

Die Verhandlungen der Agrarreform zwischen Parlament, Ministerrat und Kommission beginnen in den nächsten Wochen und ziehen sich voraussichtlich bis in den Sommer. Wir bleiben dran und werden euch berichten!

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Am Dienstag waren wir mit einer großen Aktion vor dem EU-Parlament in Straßburg. Klicken Sie auf den Pfeil, um den Kurzfilm zu starten.

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

7 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. DIESES ABSTIMMUNGSERGEBNIS DES EUROPÄISCHEN PARLAMENT; ZUR AGRAWENDE IST EIN UNERTRÄGICHER SKANDAL !

    MIT DEMOKATIE UND RECHTSSTAATLICHKEIT, HAT DIESES MENSCHEN-UND NATURVERACHTENDE WAHL-DEBAKEL ABSOLUT NICHTS MEHR ZU TUN !!:

    WAS HIER DER EUROPÄISCHE BÜRGER ERLEBEN MUßTE, IST NUR NOCH EINE ELENDES LOBBY-GEKRICHE VOR DER
    AGRA-INDUSTRIE !!!!

    ZUM TEUFEL- DAMIT !!!!

  2. Es ist traurig, ABER ich möchte nicht in das Wehklagen einstimmen und mich damit aufhalten. Wir konzentrieren uns weiter auf unsere Arbeit und unterstützen die kleinbäuerliche Landwirtschaft in vielfältiger Weise und helfen damit, sie am Leben zu halten. Das ist konkret und spürbar ohne Bürokratie durchführbar. Siehe dazu http://www.genussgemeinschaft.de
    Ich habe ehrenamtlich Einkaufsgemeinschaften gegründet und beliefere inzwischen über 30 Haushalte mit Lebensmitteln von Demeter Höfen im Umkreis von München, zu denen ich 1-2x pro Monat fahre für 30 Haushalte! Die Leute holen die Produkte bei mir ab, wir teilen uns die Spritkosten, meine Zeit und die Organisation setze ich gerne ein, um den Kontakt zu meinem Lebensmittelhandwerker zu pflegen, seinen Hof, ihn und seine Tiere und seine Arbeitsweise zu kennen. Von der Wertschöpfung zur Wertschätzung, es ist möglich! Man muss sich nur zusammentun! Wir sind inzwischen mit Eiern, Fleisch, Kartoffeln, Milch- und Käseprodukten völlig authark vom industriellen Agrarbereich. Nachmachen schwer zu empfehlen und ihr schmeckt den Unterschied und bekommt einen Bezug zum Land und dem Bauern ist auch noch geholfen, weil kein Zwischenhandel an seinem knappen Gewinn verdient.

  3. Was sind das bloß für Menschen, die im EU-Parlament sitzen?!
    Und das Gleiche gilt für den Agrarausschuss!
    Ich habe so den Verdacht, dass diese Leute für (viel) Geld – seitens der Lobby, egal, von welcher (!) – alles machen, SELBST WENN es der Allgemeinheit schaden sollte,
    was es auch wohl tatsächlich tut!
    Fazit aus allem:
    Diese ÜBERAUS große Liebe zum SCHNÖDEN MAMMON scheint doch richtig dumm und blind zu machen, so dass noch so plausible Gründe für eine AGRARWENDE gar KEIN GEHÖR bei den politisch Verantwortlichen in der EU finden!
    Ferner habe ich den Eindruck, dass Politiker LÄNGST NICHT MEHR im Auftrag des GANZEN allgemeinen Volkes arbeiten, sondern FÜR ein paar wenige Leute aus der Wirtschaft GERADEZU Erfüllungsgehilfen sind!
    Das ist aber KEINE Demokratie = VOLKsherrschaft mehr, sondern es wird reine
    KLIENTELpolitik betrieben.
    NEIN, nein, eine EU mit u.a. solchen Abgeordneten möchte ich NICHT, denn diese
    machen doch im Grunde NUR, was einige wenige Lobbyisten WOLLEN!
    Ein ganz spontaner Gedanke:
    Man sollte WIRKLICH mal die EU-Wahlen KOMPLETT boykottieren, indem NUR ungültige Stimmzettel abgegeben werden …
    … SORRY, aber es reicht!

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