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Schön, dass Du wieder hier bist Gazale!

Als Gazale Salame vor zehn Tagen mit ihren beiden jüngsten Kindern in Hannover auf dem Flughafen landete und ihre zwei großen Töchter und ihren Mann das erste Mal wieder in die Arme schloss, fand eine achtjährige Tragödie ihren Schlussakt. Die niedersächsische Flüchtlingspolitik hatte die Familie auseinander gerissen, Innenminister Schünemann als unverbesserlicher Hardliner die Rückkehr bis […]

Als Gazale Salame vor zehn Tagen mit ihren beiden jüngsten Kindern in Hannover auf dem Flughafen landete und ihre zwei großen Töchter und ihren Mann das erste Mal wieder in die Arme schloss, fand eine achtjährige Tragödie ihren Schlussakt. Die niedersächsische Flüchtlingspolitik hatte die Familie auseinander gerissen, Innenminister Schünemann als unverbesserlicher Hardliner die Rückkehr bis zuletzt zu verhindern versucht. Vor fünf Jahren haben wir mit einer Kampagne den Protest verschiedener Flüchtlingsorganisationen für eine Rückkehr von Gazale Salame und ihren beiden jüngsten Kindern unterstützt. Jetzt freuen wir uns sehr für die Familie.

Das schreckliche Schicksal der Familie kennt klare Schuldige: Die niedersächsische Flüchtlingspolitik, die Behörden des Landkreises Hildesheim – und einen unverbesserlichen Hardliner – Ex-Innenminister Schünemann. Gegen die Abschiebung von Gazale Salame und das Schicksal der auseinander gerissenen Familie fanden sich viele Unterstützer/innen. Auch wir unterstützen den Protest mit einer Online-Aktion. Wir sammelten Unterschriften und übergaben sie dem verantwortlichen Innenminister Uwe Schünemann. Er stellte sich auch einer einstündigen Diskussion und übernahm die Unterschriften. Doch er blieb unverbesserlich. Zwar hörte er sich unsere Argumente an. Auch mit Gazales Mann sprach der Hardliner von der Union. Aber nichts stimmte ihn um. Nicht das Auseinanderreißen der Familie mit den traumatischen Auswirkungen auf alle Familienmitglieder, aber vor allem auf vier Kinder. Nicht die Selbstmordgefährdung Gazales. Noch die Tatsache, dass sie sich in einem ihr völlig unbekannten Land wiederfand, dessen Sprache sie nicht sprach. Uwe Schünemann hat sich damit als das gezeigt, was er auch in den kommenden Jahren bleiben sollte: Unmenschlich und uneinsichtig.

Diesen Film über die Familie drehten wir damals

Dabei war Gazale in Deutschland aufgewachsen. 17 Jahre nachdem ihre Eltern als staatenlose Kurden mit ihrer kleinen Tochter aus dem Bürgerkrieg im Libanon nach Deutschland geflohen waren, nachdem sie hier die Schule besucht, ihren Mann geheiratet, eine Familien gegründet hatte, klingelten im Februar 2005 die Abschiebebeamten an ihrer Tür. Sie war schwanger und mit ihrer jüngsten Tochter allein zu Hause. Ihr Mann Ahmed Siala brachte gerade die beiden großen Töchter zur Grundschule. Die Ausländerbehörde veranlasste sofort, dass die schwangere Mutter mit Kleinkind das nächste Flugzeug in die Türkei nehmen musste, obwohl sie kein Wort Türkisch sprach. Ihren Mann und zwei ihrer Kinder musste Gazale im Kreis Hildesheim/Niedersachsen zurücklassen.

Jahrelang lebte die Mutter in einem Armenviertel der türkischen Stadt Izmir, brachte dort ihr viertes Kind zur Welt. Sieben Jahre lang kämpfte die Familie um ihre Wiedervereinigung, den Vater und die beiden großen Töchter durften die Behörden nicht abschieben, obwohl sie es versuchten. Anstatt jetzt die Familie wieder zusammen zu führen – angesichts des Härtefalls wäre Familienzusammenführung und Beachtung des Kindeswohls eine klare Notwendigkeit gewesen – setzte Schünemann mit dem Landkreis Hildesheim alle Hebel in Bewegung, um Gazale nicht zurückkehren zu lassen.

Es war also wirklich das konkrete Handeln des Innenministers, das das Leiden der Familie immer weiter in die Länge zog. Er weigerte sich, die Familie aus humantitären Gründen zusammenzuführen. Gerichtsverfahren zogen sich in die Länge. Immer weiter sperrte sich Schünemann, selbst als auch in der CDU die Rufe lauter wurden, Kinder und Mutter wieder zu vereinen.


Uwe Schünemann mit Campaignerin Stefanie Hundsdörfer 2008

Im Januar 2012 schickte Pro Asyl einen offenen Brief an den neuen Ministerpräsidenten Niedersachsens David McAllister. Und im Dezember 2012 entschied der Landtag in Niedersachsen endlich, dass sie zurück kehren soll – und strafte damit den noch amtierenden Innenminister öffentlich für sein Verhalten ab. Zum Schluss haben auch die Wähler/innen Schünemann einen Denkzettel verpasst: Nach der Landtagswahl verlor er nicht nur seinen Ministerposten, sondern auch sein Landtagsmandat.

Ein großer Unterstützerkreis stand der Familie in diesen schrecklichen Jahren bei. Ihm ist es zu verdanken, dass sich die auseinander gerissene Familie wieder in den Armen liegen konnte. Politisch ist aber klar, dass das Schicksal der Familie nicht für sich alleine steht. Noch immer trennt die deutsche Flüchtlingspolitik Familien voneinander. Noch immer werden hier aufgewachsene Menschen in Länder abgeschoben, deren Kultur und Sprache sie nicht kennen. Der aktuelle Fall einer niedersächsichen Romafamilie erinnert fatal an die Vorkommnisse im Fall Gazale Salame. Immerhin hat der neue Innenminister Boris Pistorius (SPD) aber angekündigt, diesen Fall zu überprüfen. Er versichert, dass Familien zukünftig nicht getrennt werden sollen und dass das Kindeswohl an erster Stelle stehe. Wie sich die niedersächsische Flüchtlingspolitik weiter entwickelt bleibt aber noch abzuwarten.

Im Augenblick aber überwiegt die Freude für Gazale und ihre Familie. Ein großes DANKE an alle, die sie in ihrem Kampf um Rückkehr unterstützt haben! Herzlich willkommen zurück Gazale!

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Autor*innen

Christine Borchers, Jahrgang 1977, hat Geschichtswissenschaften und Germanistik an der Universität Bremen studiert. Sie engagiert sich seit Jahren in verschiedenen politischen Bewegungen. Einen Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit legt sie auf antirassistische und antifaschistische Themen. Alle Beiträge

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