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Vom Online-Klick zum Demo-Kick

Bisher habe ich geglaubt, in punkto Engagement lassen sich Erfahrungen aus den USA und Großbritannien nicht auf Deutschland übertragen. Rallyes in der Nachbarschaft? Mit Ansteckern seine Unterstützung von sozialen oder politischen Kampagnen zeigen? Spenden und Engagement öffentlich ankündigen? All das funktioniert in Deutschland doch nicht – meinte ich. Seit kurzem denke ich anders. Und das kam […]

Bisher habe ich geglaubt, in punkto Engagement lassen sich Erfahrungen aus den USA und Großbritannien nicht auf Deutschland übertragen. Rallyes in der Nachbarschaft? Mit Ansteckern seine Unterstützung von sozialen oder politischen Kampagnen zeigen? Spenden und Engagement öffentlich ankündigen? All das funktioniert in Deutschland doch nicht – meinte ich. Seit kurzem denke ich anders. Und das kam so:

Zur Unterstützung einer Demo gegen Massentierhaltung vor Europas größtem Geflügelschlachthof wollte das Campact-Kampagnen-Team eine Aktionsform ausprobieren, die in den USA Decentralised Events genannt wird: Wir riefen dazu auf, eine Woche vor der Demo bei sich zu Hause oder im Park Grillpartys zu veranstalten. „Grillpartys?!“, ich traute meinen Ohren nicht. – „Ja, um zu diskutieren, sich gegenseitig für die Demo zu motivieren und zum Transparente malen“.

Also Grillparties, jawohl, und zwar gern mit Biofleisch oder gleich vegetarisch oder vegan, so unsere Vorschläge. Für alle ohne alte Bettlaken bot Campact ein kostenloses „Mal-Set“ an. Die Partygäste sollten ihre Plakate fotografieren und auf einem eigens eingerichteten Tumblr-Blog hochladen. Das sah dann zum Beispiel so aus:

Grilldemo-Bild: Friede den Hühner - Kampf ihren Mästern

Grilldemo-Bild: Angry Birds protestieren

Auch wenn ich zuvor skeptisch war, der Erfolg hat mich überwältigt. Das Mal-Set bestellten 700 Menschen, und der Aufruf trat eine gute Debatte los: „Grillen gegen Massentierhaltung, wie passt das zusammen?“. Am Ende fanden fast 1.000 solcher Grill-Mal-und-Diskussions-Treffen in ganz Deutschland statt. Campact begleitete sie live in seinem Blog und auf Tumblr kamen derart viele Fotos rein, dass ein Unterstützer aus den hochgeladenen Bildern wiederum eine eigene „Protest-Montage“ erstellen konnte:

Wir haben es satt-Montage hunderter Grilldemo-Plakate

Ich konnte es kaum glauben: Weit entfernt lebende Menschen, die nicht selbst zur Demonstration fahren konnten, schickten Campact an die 300 Plakate als Unterstützung. Die kamen dann sowohl bei der Umzingelung einer Agrarminister-Konferenz zum Einsatz, als auch bei der Belagerung des Geflügelschlachthofs. Zu der strömten übrigens 7.000 Menschen:

Externer Inhalt von YouTube: Mit einem Klick kannst Du Dir das Video ansehen. Lies mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Diese Erfahrung zeigt, dass Online-Aktionen mehr sind als „Klicktivismus“, nämlich ein niedrigschwelliger Einstieg in politisches Engagement. Die Bereitschaft, sich zu engagieren, ist in Deutschland ungebrochen und geht durch alle Altersgruppen. Wichtig erscheint mir daher, dass Online-Protest stets interessante Formen für weiteres Engagement vor Ort ermöglicht – zum Beispiel durch Decentralised Events.

Denn offenbar ist diese Art von direkter Werbung für Engagement äußerst motivierend, sie wirkt im positiven Sinne des Wortes „ansteckend“. Menschen für Engagement begeistern können am besten… Menschen, die sich für Engagement begeistern!

Dann kann mit Hilfe des Internets wieder entstehen, was ich oft vermisse – eine Solidargemeinschaft, bei der alle das beisteuern, was sie wollen und können:

  • Die einen ihre Aufmerksamkeit, Kampagnen-E-Mails zu lesen, an Befragungen teilzunehmen, Appelle zu unterstützen und weiterzuleiten.
  • Die anderen hier und da eine Spende für eilige Aktionen.
  • Wieder andere ihre Zeit, schon morgens um neun vorm Kanzleramt die „Flagge“ kritischer Bürgerinnen und Bürger hochzuhalten.
  • Und noch andere ermöglichen mit regelmäßigen Beiträgen die langfristige Arbeit von Organisationen.

Alle diese Formen von Unterstützung und Engagement betrachte ich als Spenden – für die ich jeden Tag dankbar bin.

Carsten Direske,
Campact-Aktivenbetreuung

PS Sollten Sie jemanden kennen, die oder der beim Anstiften zu Engagement besonders gut ist: Campact sucht gerade eine/n Campaigner/in… Danke für Hinweise!

Dieser Beitrag ist Teil der NPO-Blogparade: „Freiwilliges Engagement attraktiver machen – aber wie?“ Worum es dabei genau geht, erfahren Sie hier und hier.

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11 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Liebes Campact-Team,

    ich kann nur sagen: WEITER SO!

    Es ist gut zu wissen, dass es Euch und viele andere (ähnliche) NGO gibt, denn von der parteilichen Opposition kann man kaum etwas erwarten …

    Wir können nicht warten, bis sich diese endlich bewegt, deswegen ist
    JEDER Bürger von uns hierzulande gefragt, an solchen Kampagnen mitzumachen.

    Und mancher großartiger Erfolg dieser spricht doch für sich, oder?!
    Erreicht u.U. viel mehr als Parteien in der Opposition, Gewerkschaften o.dgl., die nicht selten ziemlich schwerfällig u.a. sind …

  2. Pingback: Anonymous
  3. Das hört sich nach einem effektiven Konzept an: Online-Beteiligung durch dezentralisierte Offline-Formate ergänzen, die sich über Freundeskreise bzw. Netzwerke verbreiten und so gut ankommen, weil sie Politik mit Spaß und Geselligkeit verbinden.

    Was mich immer wieder fasziniert: wie weit die Kampagnen- und activism-Kompetenz im Umweltbereich gediehen ist und wie wenig davon im Sozialsektor zu sehen ist. Man könnte nämlich ebenso gut Demos machen gegen Satt-und Sauber-Pflege, gegen große stationäre Einrichtungen am Rand statt kleinen Betreuungseinrichtungen in der Mitte, für Inklusion und gegen Abschiebung in gesonderte Einrichtungen, für persönliche Budgets und weniger Bürokratie bei der Leistungsgewährung, – aber alles dies passiert nicht, oder zumindest nicht so, dass die große Mehrheit etwas davon mitbekommt. Warum?

    Meine Vermutung: Die großen Wohlfahrtsverbände haben ihre advokatorischen Kompetenzen vernachlässigt, zumindest wenn es darum geht, Bürger in Kampagnen einzubinden. Auf der hohen politischen Ebene wird Lobbying betrieben, aber es gibt zu wenig Konzepte für effektive dezentrale Kampagnen mit Bürgereinbindung. Ich denke, das Wissen des Umweltbereichs über campaigning müsste man über OpenTransferCamps an den Sozialsektor weiterreichen (Lernen über Fachgrenzen hinweg!), – ob mit dem Wissen hier aber was gemacht wird, ist dann noch offen. Der Wille zur Online-Beteiligung und für relativ frei gestaltbare dezentralisierte Events muss da sein.

    • … mehr Austausch untereinander ist immer gut. Nur ein Beispiel: Der Deutsche Pflegerat legt die Kundgebung im Rahmen der Kampagne „Ich will Pflege!“ genau parallel (auch in der Uhrzeit) zur „Freiheit statt Angst“-Demo am 7. September. Das ist sehr schade, wenn die einen „Bewegten“ so wenig von den anderen mitbekommen.
      Ein weiteres Problem: Die von sozialer Benachteiligung betroffenen Menschen haben meist ganz andere Sorgen als die Leute aus den Initiativen, die ihre Themen mit aufgreifen und nach vorn bringen wollen – denn erstere sind ja leider daran gewöhnt, dass ihre Sichtweisen und ihre Bedürfnisse nicht ernst genommen werden. Können wir da erwarten, dass sie gleich zu zehntausenden auf Demonstrationen kommen? Und Internet hat eben auch noch längst nicht jede/r. Ich glaube, da müssen wir noch viel tun, um uns in den verschiedenen Organisationen das Vertrauen der Betroffenen zu verdienen. Das Bündnis umFAIRteilen ist meiner Meinung ein guter Anfang, ebenso manche Begegungs-Ansätze aus der Occupy-Bewegung. Jetzt müssen wir nur noch gemeinsam „drauflegen“…

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