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EU-Parlament knickt vor Agrarindustrie ein

In der vergangenen Nacht haben sich EU-Kommission, Ministerrat und Parlament auf die letzten strittigen Punkte der Agrarreform geeinigt. Auf den letzten Metern knickte das Parlament ein. Jetzt wird es keine größeren Kürzungen bei Großbetrieben geben, wie das Parlament sie vorgesehen hatte.

In der vergangenen Nacht haben sich die Unterhändler von EU-Kommission, Ministerrat und Parlament auf die letzten strittigen Punkte der Agrarreform geeinigt. Auf den letzten Metern knickte das Parlament ein. Jetzt wird es keine größeren Kürzungen bei Großbetrieben geben, wie das Parlament sie vorgesehen hatte.

Wenn es nach Landwirtschaftsministerin Aigner geht, bekommt Deutschland sogar eine Extra-Wurst und kann sich um die Abgabe für Großbetriebe drücken. Doch noch haben die Agrarminister/innen der Bundesländer große Spielräume, das Geld für die deutschen Landwirte gerechter und umweltfreundlicher verteilen. Darauf werden wir drängen! In wenigen Wochen wollen sie in einer Sonder-Agrarministerkonferenz darüber entscheiden. Wir werden mit einer Aktion vor Ort sein.

amk

Foto: Am 29. August umzingelten 300 Campact-Aktive die Agrarministerkonferenz in Würzburg.

Der größte gewinnt
Das EU-Parlament hatte vorgesehen, dass ein einzelner Betrieb nicht mehr als 300.000 € an Direktzahlungen aus EU-Mitteln erhalten sollte. Ab 150.000 € pro Betrieb sollten die Subventionen relevant sinken. Die großen Betriebe profitieren am meisten von den Agrarsubventionen, weil pro Hektar eine gleiche Summe gezahlt wird. Das führt dazu, dass in Deutschland die größten 20 Prozent der Betriebe 80 Prozent der Subventionen abgreifen – obwohl gerade die wirtschaftlichen Großbetriebe die Gelder weniger nötig haben als kleinere Bauernhöfe, die oft genug ums Überleben kämpfen.

Doch das Parlament zeigte am Ende keinen Biss, um seine Forderungen gegen Kommission und Ministerrat zu verteidigen. Die Parlamentsvertreter/innen knickten vor dem Vorschlag ein, den die Kommission schon im Sommer vorgelegt hatte: Betrieben mit jährlichen EU-Subventionen von über 150.000 € wird die Basisprämie nur um fünf Prozent gekürzt. Das ist gesamt gesehen sogar eine Verschlechterung zur heutigen Regelung, nach der bei Beträgen über 300.000 € bis zu 14 Prozent gekürzt wird (gestaffelte Modulation).

Extra-Wurst für Aigner
Alternativ können die Staaten, so wie Frau Aigner es will, fünf Prozent der gesamten Basisprämie an die ersten Hektar aller Betriebe verteilen. Das hilft den kleinen Betrieben, ist aber ein Tropfen auf den heißen Stein. Zumal eine viel größere Umverteilung möglich wäre: Die EU-Staaten können 30 Prozent der Direktzahlungen in die ersten Hektar je Betrieb investieren. Das würde zu einer wirklichen Umverteilung führen.

Der zweite wichtige Spielraum, den die EU ihren Mitgliedstaaten überlässt, ist die mögliche Verteilung von 15 Prozent der Direktzahlungen für spezifische Förderprogramme der ländlichen Entwicklung, so wie Umweltmaßnahmen, Tierschutz und regionale Vermarktung. Die fünf grünen Landwirtschaftsminister/innen der Bundesländer fordern, diese Spielräume voll auszuschöpfen. Frau Aigner und ihre CDU-Kolleg/innen weigern sich (s. Blog vom 29. August). Eine Sonder-Agrarministerkonferenz soll den Konflikt beheben. Alle Minister/innen müssen sich auf eine gemeinsame Position einigen.

Sobald der Termin für die Sonderkonferenz steht, werden wir die Agrarminister/innen auffordern, die Gelder gerechter und umweltfreundlicher zu verteilen. Im Endspurt der Agrarreform kann Deutschland hier noch einmal rausholen, was auf EU-Ebene verpasst wurde: eine Kehrtwende weg von Agrarfabriken, hin zu einer umwelt- und tiergerechten bäuerlichen Landwirtschaft.

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

9 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich fürchte, man will hier in Europa eine Art Amerikanisierung der Agrarwirtschaft einführen:
    Massentierfabriken, Gentechnik – wobei die davon betroffenen Produkte nicht gekennzeichnet werden, Monokultur, große Landwirtschaftsbetriebe mit entsprechend großen landwirtschaftlichen Nutzfahrzeugen – sonst können ja die riesigen Agrarflächen nicht bewirtschaftet werden, höherer
    Pestizideinsatz — im Grunde ALLES weiter, größer – eben big, bigger …
    Dass darunter Umwelt und Natur leiden ist doch unseren politisch Verantwortlichen deutschland- und EU-weit ausgesprochen egal!
    Ich selbst möchte kein zweites Amerika hier in Europa,
    warum müssen wir bloß alles aus Übersee quasi 1:1 übernehmen, ohne die Dinge, die von dort kommen, recht kritisch von allen Seiten zu beäugen?
    Sind wir SO NAIV?!
    Europa ist doch nicht Amerika und soll sich dieser einfachen Tatsache durchaus bewusst sein –
    und sich auch ziemlich SELBSTBEWUSST gegenüber Amerika geben und auch behaupten!
    Lernen wir doch aus den Fehlern, welche die Amerikaner gemacht haben, und den daraus entstandenen negativen Konsequenzen!
    Warum also SELBST noch einmal die gleichen Fehler machen wollen wie sie – das zeugt doch von großer DUMMHEIT unsererseits…?
    Oder war vielleicht Korruption im Spiel? Für deutsche Politiker z.B. gibt es nämlich anscheinend überhaupt keine Korruption. VON DAHER ist bisher NOCH KEIN Antikorrup-
    tionsgesetz hierzulande verabschiedet worden — und die Lobbyisten schmieren weiter,
    sollen sie und auch die Politiker nur aufpassen, dass sie nicht eines Tages auf der SCHMIERE ausrutschen!
    Dass dieser MAMMON so BLIND machen kann!
    Und stets nach der Devise: Immer, immer mehr … auch da Wachstum (!), vergessen wir doch hierbei das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht … DAS sagt im Grunde alles.
    … Vernünftige Argumente oder Tatsachen GEGEN Agrarindustriebestrebungen scheinen regelrecht zu erblassen hinter den Mammutvorhaben der Agrarwirtschaft …
    Hoffen wir, dass es nicht zu spät sein wird, wenn eines Tages DOCH die Vernunft obsiegen wird!

  2. Ich habe meine 3 hektar der LPG wieder abgenommen.Die bekommen mehr für die Flächen als Förderung als ich Pacht bekomme.Jetzt dürfen sie rumfahren.Das Angebot von 50 cent war auch nicht schwer auszuschlagen.Die blühenden Landschaften werden leider auch nicht von Ihnen gemacht.Nicht eine Hecke wird von Ihnen gepflanzt.Ich als Verpächter mache bei diesem Unsinn was Fleischfabricken angeht nicht mit.Ernähre mich seit 2 Jahren fleischlos und habe mit Bienen angefangen.Für mich der bessere Weg.

  3. Die Grünen im EU-Parlament haben angekündigt, den Kompromiss zur Agrarreform nicht mitzutragen. Im Plenum muss darüber noch abgestimmt werden. Normalerweise ist das ein formelles Durchwinken. Doch die Weigerung der grünen Fraktion könnte die Debatte noch einmal anheizen. Hier die Pressemitteilung des grünen Abgeordneten Martin Häusling: http://www.martin-haeusling.eu/index.php?option=com_content&view=article&id=342:25-09-13-gr%C3%BCne-tragen-verhandlungsergebnis-zu-direktzahlungen-nicht-mit&catid=17&Itemid=488

  4. Der Bund Ökologischer Lebensmittelwirtschaft entdeckt eine weitere schlimme Lücke bei der Agrarreform: Pestizide sollen auf ökologischen Vorrangflächen erlaubt sein. Wenn aber z.B. beim intensiven Anbau von Leguminosen massiv gespitzt werden darf, würde der Gedanke der ökologischen Vorrangflächen kanibalisiert. Diese Vorrangflächen hatte Landwirtschaftskomsissar Ciolos auf 10 Prozent der Ackerflächen zum Erhalt der biologischen Vielfalt und der Böden gefordert. Er wurde von den Mitgliedstaaten und dem Parlament auf 5 Prozent heruntergehandelt. Außerdem kommen zahlreiche Einschränkungen hinzu. Die schlimmste und unsinnigste ist die des fehlenden Ausschlusses von Pestiziden auf diesen Flächen. Noch haben Parlament und Agrarausschuss die Chance, bei ihren nächsten Sitzungen diese Gesetzeslücke zu schließen. Hier gehts zur Pressemitteilung: http://www.boelw.de/pm+M58afe6d77a2.html

  5. Ich glaube dieser Alptraum wäre vorbei, schäme dich EU Parlament!! Die Agrarindustrie siegt immer, traurig aber wahr, armes Europa!!!!

  6. Man oh man,
    nicht nur das es uns nicht gut geht, nein wir sollen auch noch mehr schlechtes Essen vorgesetzt bekommen. Die Menschheit krank machen, Hirn ausschalten, dann komplett über uns hinweg entscheiden. Die vielen Medikamentzusätze lassen uns verblöden. Wir müssen uns wehren, wir können uns nicht alles gefallen lassen.
    roseschorle

  7. Was hält Deutschland eigentlich davon ab, darüber hinaus die kleinen Betriebe zu fördern? Warum müssen wir uns von der EU vorschreiben lassen, wer was zu bekommen hat? Natürlich, das Geld ist nicht da – aber das Geld wäre theoretisch auch nicht für zig-Milliarden Unterstützung für andere Länder oder für einen unsinnigen 2. Wahltermin da gewesen….

  8. Seehofer sagte noch kurz vor der Bayernwahl: „gegen Tierfabriken, für Kleinbauernhöfe“
    Hoppla dachte ich mir, der hat dass sicher irgendwo gelesen.

  9. Hi, gut, daß dieses Ergebnis nicht ganz unter den Tisch gekehrt wird! Da haben wir es mal wieder: das Lobbyisten Pack hat wieder zu geschlagen! Bleibt nur die Hoffnung, daß sich hier etwas ändert, wenn wir demonstrieren, demonstrieren, demonstrieren – irgendwann werden sie umdenken müssen. Wie schön wäre es, wenn sie das Fleisch aus den Agrarfabriken selber essen müßten — Sat Nam.

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