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Welcome to Germany, Edward Snowden!

Es ist, als wäre dieser Mann eine heiße Kartoffel. Die Politiker winden sich und suchen Ausreden, warum sie ihm nicht helfen. Seine Enthüllungen nahmen sie dankbar an, aber Schutz in Deutschland wird ihm verweigert.

Mit unserer Aktion vor dem Bundestag forderten wir die Parlamentarier auf, Rückgrat zu zeigen – und Snowden vor einen Untersuchungsausschuss zu laden. Fraktionschefs und -geschäftsführer von SPD, Grünen und Linken nahmen die über 160.000 Unterschriften unter unseren Appell entgegen, mit dem wir Zeugenschutz für Snowden und besseren gesetzlichen Schutz für Whistleblower in Deutschland fordern.

Tanz um die heiße Kartoffel
Flatternde Roben, die „Anwälte gegen Totalüberwachung“ halten Grundgesetze hoch. „So weit ist es gekommen: Anwälte müssen in Deutschland auf die Straße gehen, um für Grundrechtsschutz zu demonstrieren!“ empört sich einer von ihnen. Die Anwaltschaft will ein sichtbares Zeichen setzen gegen verdachtslose Massenüberwachung und für die effektivere Kontrolle von Geheimdiensten. Auch für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses zur Aufklärung des NSA-Skandals demonstrieren die Jurist/innen. Denn erstmals diskutiert heute der Bundestag über die NSA-Spitzelskandal, und die Opposition hat die Einberufung eines Untersuchungsausschusses beantragt. Aus diesem Grund stehen auch wir heute hier, gemeinsam mit unseren Kampagnenpartnern vom Whistleblower-Netzwerk und Digitalcourage. Nachdem die Regierung gezeigt hat, dass sie weder echte Aufklärung noch den Schutz des Aufklärers wünscht, appellieren wir an die Abgeordneten: Macht den Rücken gerade, das Parlament hat es endlich in der Hand!

Darsteller in den Masken von Angela Merkel und Sigmar Gabriel eiern um eine riesige, dampfende „heiße Kartoffel“ herum – bloß nicht die Finger verbrennen! Sie stellen das erbärmliche Schauspiel nach, das die Bundesregierung seit Monaten bietet: die Enthüllungen Snowdens nimmt man mit (echter oder gespielter) Empörung auf, dem Enthüller aber verweigert man die Unterstützung. Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass! Für die meisten, die hier demonstrieren, ist Fremdschämen für Merkel ein starker Impuls ihres Engagements. Ein Teilnehmer erzählt, dass jetzt an der Uni Rostock die Ehrendoktorwürde für Snowden beantragt wurde – eine symbolische Geste von vielen, mit denen die Zivilgesellschaft zeigt, dass wir Snowden Dankbarkeit und Solidarität schulden.

Die Rechtslage ist eindeutig
Was fehlt, ist der politische Akt. Die Rechtslage ist eindeutig: Snowden steht Schutz zu. (Eine detaillierte Erörterung der Rechtslage hier) Er ist kein „Verräter“, sondern politischer Dissident. In all seinen Äußerungen und seinem gesamten Vorgehen hat Snowden stets deutlich gemacht, dass er sein Tun als ein politisches versteht: als Kritik an missbräuchlichen Handlungen des amerikanischen Staates, mit dem Ziel einer Stärkung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Seine in den USA drohende Verurteilung wegen „Spionage“ soll offenkundig dazu dienen, diese unliebsamen politischen Äußerungen zu unterdrücken. Schon der bloße Verdacht eines solchen Missbrauchs reicht aus, um auf Basis des deutschen und europäischen Rechts Snowden das Recht auf politisches Asyl zuzuerkennen.

Snowden droht – das zeigt der Fall Manning – mindestens lebenslange Haft, für eine Tat, die vom Recht auf Meinungs- und Gewissensfreiheit gedeckt ist. Das ist unverhältnismäßig selbst dann, wenn Snowden tatsächlich nicht die Todesstrafe droht. (Die Obama-Regierung hat offiziell versprochen, Snowden nicht zu töten – allerdings hat diese Regierung verschiedene Versprechen nicht gehalten, wie etwa jenes, das Foltergefängnis Guantanamo zu schließen).

Aufnahme zwingend – im Gegensatz zur Auslieferung
Snowdens Aufnahme würde nicht nach Asylgesetz, sondern nach § 22 des Aufenthaltsgesetzes erfolgen: „aus völkerrechtlichen oder dringenden humanitären Gründen“ oder auch „zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland“. Sollte Snowden durch einen Untersuchungsausschuss geladen werden, müsse der Innenminister Snowden einreisen lassen, so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags in seinem Gutachten. Und anders als die USA oder Konservative hierzulande gern behaupten, müsste Snowden auch nicht an die USA ausgeliefert werden. Es gibt zwar ein Auslieferungsabkommen zwischen beiden Staaten, doch nach diesem kann die Auslieferung abgelehnt werden, wenn es sich um „militärische“ oder „fiskalische“ Straftaten handelt oder wenn die Auslieferung „wesentlichen Interessen“ Deutschlands entgegensteht. Letztlich entscheidend ist auch hier die Frage, ob nach deutschem Recht „eine Straftat mit politischem Charakter gegeben ist“. Dies kann nur verneinen, wer vor Snowdens Leistung für die Demokratie bewusst die Augen verschließt.

Die Politiker/innen, die den Appell entgegennahmen, stellten sich zwar hinter unsere Forderungen (Kathrin Göring-Eckardt für die Grünen, Gregor Gysi und Katja Kipping für die Linke) oder versprachen eine „sorgfältige Prüfung“, wie eine sichere Aufnahme Snowdens gewährleistet werden könne (Christian Lange, SPD). Doch das Plenum berief keinen Untersuchungsauschuss ein. Die Koalitionäre in spe verschoben die Entscheidung darüber in einen anderen Ausschuss, der noch gar nicht existiert. Die heiße Kartoffel wird weitergereicht. Wie lange noch?

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Autor*innen

Annette Sawatzki, Jahrgang 1973, studierte Philosophie, Politikwissenschaft und Volkswirtschaftslehre in Bonn, Berkeley und Hamburg. Sie arbeitete als Dokumentarin, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Büroleiterin von Bundestagsabgeordneten. Ihre Schwerpunkte als Campaignerin bei Campact liegen in der Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Alle Beiträge

12 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Snowden wäre schön blöd in die BRD zu gehen.
    Wird er auch nicht wenn ihr ihm eine Million anbietet.

    Der Mann ist Geheimdienstler. Er kennt die Welt und die Staaten und er weiß, dass die BRD kein souveräner Staat ist.

    Die NSA Affairen zeigt doch klar, dass die USA hier als Besatzungsmacht auftritt und die selben Rechte hat wie nach dem Weltkrieg.
    Wir haben keinen Friedensvertrag und gelten als Feindstaat.

    Würde Snowden hier leben könnten die USA einfach von ihren Militärbasen wie Rammstein zu ihm fahren, ihn einladen und in den USA vor Gericht stellen. Da kann keine von den sogenannten deutschen Institution, was machen. Können sie auch nicht bei Deutschen.

  2. die Schweizer haben die Deckelung offensichtlich abgelehnt. Wie gut, dass unsere Regierung noch schnell auf den Zug aufgesprungen ist – wird vermutlich genauso schnell wieder absteigen.

  3. Habe den Appell zwar auch unterzeichnet, aber ich sehe bei einer Aufnahme von Snowden hierzulande die große Gefahr, dass er seiner Freiheit nicht sicher ist. Denkbar ist nämlich ein (geheimes) US-amerikanisches Kommandounternehmen, dass ihn in die USA verschleppt. Das würden sich die Amerikaner in Russland zumindest nicht trauen!

    • Hallo Ronald,
      gebe Dir vollkommen recht. In Deutschland ein Leichtes ihn zu kidnappen und via Frankfurt US Base ab in die USA.
      Wie sich da wohl unsere Regierung winden müsste, lieber nicht..

    • das sehe ich auch so, da wir immer noch ein besätztes Land sind und somit keine Souveränität besitzen ist es uns nicht möglich Snowden Asyl zu gewähren (diplomatisch nicht machbar,leider), geschweige denn ein ausreichenden Zeugenschutz zu gewähleisten.

  4. Über Snowdens Sicherheitsmaßnahmen hinsichtlich der von ihm entwendeten Dokumente sei in den Medien bislang in allzu vereinfachter Form berichtet worden, so Greenwald. Es sei nicht so, dass im Falle von Snowdens Tod alle Dokumente veröffentlicht würden, „es ist stärker nuanciert“.

  5. Man kann ja den „großen Bruder“ schlecht für etwas kritisieren, das man selbst anstrebt. Ich schätze, da liegt der Hase im Pfeffer. Merkel und Konsorten möchten sich gar nicht distanzieren und deshalb auch die heiße Kartoffel nicht in die Hand nehmen. Sie hoffen stattdessen, sich das Vertrauen der Bürger zurück zu erschleichen, was aber letztlich nicht bedeutete, dass es auch gerechtfertigt wäre. Ich nehme an, im Namen des „Supergrundrechts“ Sicherheit hätte Herr Friedrich am liebsten Zustände wie in den USA, so dass man sich gar nicht mehr vor Volk oder Parlament zu rechtfertigen bräuchte, und schon gar nicht vor der Überwachungsmaßnahme. Das hat ja auch sein Versuchsballon in Sachen Maut-Daten ganz gut gezeigt.

    Wir verdanken Snowden viel, und ich hoffe, er findet Asyl in einem Land, in dem er frei sprechen darf und in dem er auch gehört werden wird, anstatt in einem wie dem unseren, in dem sich die Regierung am liebsten neue Bürger wählen würde, wenn ihr die alten nicht mehr passen.

  6. Edward Snowden wird immer noch nicht richtig ernst genommen. Dabei hat er das, was unsere Bundesregierung nicht hat: Beweismaterial. Dieses ist sie uns ja noch schuldig.
    Edward Snowden hat uns auf die dunklen Ecken in unserer Demokratie aufmerksam gemacht.
    Herr Ströbele ist der einzige, der derzeit die Würde des Bundestages rettet. Er ist der einzige dessen Verhalten adäquat ist.
    Der Bundesregierung läuft die Zeit davon und sie merkt es nicht einmal. Sie merkt nicht, wie ihr alles davon läuft: Vertrauen, Glaubwürdigkeit, Würde.
    Das worauf uns Edward Snowden aufmerksam gemacht hat, hat eine Dimension, die wir selbst noch nicht ganz verstehen. Er weist hin auf eine Gefahr, die weit grösser ist, als alles, was bisher dagewesen ist. Wir brauchen nicht erst die Vergangenheit zu durchwühlen nach den Verbrechen vergangener Unrechtsregime. Wir stehen jetzt erneut am Beginn eines solchen Unrechtsregimes. Aber eines ungleich grösseren und auswegloserem. Die Massenüberwachung ist sozusagen wie die Atombome gegen Menschenrechte und Menschenwürde. Wir stehen tatsächlich an einer Zeitenwende. Edward Snowden hat uns eine Chance gegeben.

    • Ich sehe es genauso.
      Zwar laufen der Bundesregierung, wie Sie schreiben, Vertrauen, Glaubwürdigkeit und Würde davon, aber JETZT müssten entsprechende Handlungen seitens des Volkes erfolgen, damit
      ihr VOLLAUF BEWUSST wird, dass ihr gegenüber im Grunde KEIN Vertrauen usw. seitens von nicht wenigen Bürgern MEHR besteht!
      Zahllose Unterschriften, die verschiedenen maßgeblichen Politikern inzwischen von verschiedenen
      NGO übergeben worden sind, sprechen m.E. eine klare, deutliche Sprache und zeigt doch wenigstens die Haltung derjenigen, die unterschrieben haben!
      Es könnten durchaus viel mehr Unterschriften sein …, aber viele sind einfach nur unbekümmert, desinteressiert, resigniert, phlegmatisch oder viel zu bequem, auf die Art und Weise –
      auch außerhalb der Wahlen – an der Demokratie mitgestalten zu WOLLEN!
      Typisch deutsch, ABER ansonsten mehr oder weniger vernehmlich auf hohem Niveau jammern können, DABEI haben wir es doch ALLE selbst in der Hand, am bisherigen Politikkurs etwas ändern zu KÖNNEN!
      Packen wir also ENDLICH an!
      Fadenscheinige und faule Ausreden – wie „Da kann man ja doch nichts ändern“ lassen wir
      einfach NICHT gelten …
      Fertig!

  7. Was ist eigentlich mit GCHQ und mit unserem BND – also weiße Weste hat letzterer bestimmt auch nicht!
    Wenn schon Untersuchungsausschuss, dann richtig, d.h. nicht nur NSA, sondern auch der britische Geheimdienst sozusagen im Kreuzverhör!
    Erst als Frau Merkel abgehört worden sein sollte – und das schon jahrelang, war das Geschrei
    bei den Politikern groß, vorher hat sich doch von denen kaum einer darum gekümmert, als der Otto Normalverbraucher, d.h. das allgemeine Volk, ausgespäht worden ist.
    Herr Pofalla hat schlichtweg abgewinkt und die ganze Sache quasi für nichtig erklärt und Herr Friedrich ist vorher im Grunde nur pro forma in die USA gereist – alles doch bloß blanker
    Aktionismus!
    Echtes poltisches Engagement für den einzelnen Bürger hierzulande sieht wahrlich anders aus!
    Und den Amtseid vor dem Bundestag leisten kann man sich eigentlich auch sparen, denn der Verstoss gegen ihn hat ja keine Auswirkungen für die betreffenden Politiker, die sich kaum oder gar nicht an den Amtseid halten!
    Ist halt nur eine schöne Zeremonie – ohne jegliche Bedeutung für manche Politiker hierzulande, wie mir scheint …
    Ich bin schon pro Asyl für Herrn Snowden, aber so, wie sich wohl auch die künftige Bundesregierungverhalten wird – wie in jüngster Vergangenheit bereits, bin ich wiederum abgeneigt, dass ihm Asylrecht gewährt wird, denn in Deutschland ist er nach derzeitiger politischen Lage hier keinesfalls sicher.
    Die Christdemokraten vor allem – scheinen vielmehr Befehlsempfänger der USA zu sein –
    und solange dies der Fall ist, wäre es besser und ratsam für Herr Snowden, woanders Asyl zu suchen, wo man eher bereit ist, Rückgrat und Zivilcourage gegenüber den USA zu zeigen.
    Und die USA sind wohl auch nicht authentisch, wenn sie einige Versprechen nicht halten,
    da zählt ein Wort anscheinend nichts mehr …
    Offenbar haben sie unser aller (naives) Vertrauen ihnen gegenüber sichtlich missbraucht.
    Unsere Politiker sollten die Gunst der Stunde nutzen und den USA und GB gegenüber Bedingungen stellen, vorausgesetzt, der BND hat sich vorher auch nicht solche Schnitzer erlaubt wie NSA und GCHQ.
    Es gilt nun – Politik auf gleicher Augenhöhe – und kein Unter- Oberverhältnis!
    Unter wahren Freunden und Partnern ohnehin so!
    Die Kusch(el)politik seitens Deutschland gegenüber den USA insbesondere sollte von daher im Grunde vorbei sein …

  8. Liebe Annette, danke für diesen Artikel. Habe den Appell auch unterzeichnet und geteilt. Weisst Du, in der DDR haben wir damals unsere Regierung „gestürzt“ weil wir mit ihr unzufrieden waren. Und heute? Lassen wir uns von unseren Politikern dermaßen an der Nase herumführen, dass ich mich frage: Warum geht keiner mehr so richtig auf die Barrikaden?

    Wenn Merkel und co schlagkräftige Argumente hätten die gegen Snowden und ein Asyl für ihn sprechen, dann sollten sie uns diese mitteilen. Ihr aussitzen und abwarten jedoch sorgt für Spekulationen und hinterlässt ein großes Fragezeichen… wie ich in meinem Blog schon schrieb… vielleicht hatte Snowden recht, als er sagte, Deutschland stecke mit den USA unter einer Decke… ? Wer sich so aus der Affaire ziehen will, hat meiner Meinung nach nicht nur Angst vor dem großen Bruder, sondern was zu verbergen.

    Grüße aus Berlin
    Bianca

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