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Snowden hält uns den Spiegel vor

Millionen Menschen weltweit sind betroffen. Und sie sind Teil davon. Mittendrin. Was würden sie tun?

Stellen sie sich vor, sie arbeiten für ein Unternehmen oder eine Behörde und merken, dass hier etwas gewaltig schief läuft. Es läuft nicht nur etwas schief, sondern sie merken wie ihre Vorgesetzten sich systematisch an kriminellen Handlungen beteiligen. Millionen Menschen weltweit sind betroffen. Und sie sind Teil davon. Mittendrin. Was würden sie tun?

Vielleicht würden sie darauf warten, dass einer ihrer Zehntausend Mitwisser aus dem Betrieb oder einer beteiligten Behörden den Mund aufmacht. Vielleicht zeigen sie aber auch Courage und melden den Verstoß. Doch wenn jeder Versuch, innerhalb der eigenen Strukturen etwas zu bewegen, auf eine Mauer des Schweigens und der Ignoranz stößt: Was würden sie tun?

Edward Snowden hat sich geweigert zu schweigen. Er ist der eine von Zehntausend, der den Mut hatte den Mund aufzumachen. Und als er bei Vorgesetzten mit Beschwerden auf taube Ohren stieß, traf er die Entscheidung alles auf eine Karte zu setzen: Er stand auf und ging. Und nahm die Beweise mit, die seitdem Regierungen in aller Welt in Erklärungsnöte bringen. Er hat eine Entscheidung getroffen: Im Zweifel gegen blinden Gehorsam und für die Bürgerrechte.

Wer seine Koffer packt und Freunde, Familie und sein gesamtes bisheriges Leben hinter sich lässt, tut dies keinesfalls leichtfertig. Snowden führt seitdem ein Leben auf der Flucht. In seinem ersten Interview, in einem Hotelzimmer in Hong-Kong, begründet er sein Handeln so:

„Wenn ich mir Ihre E-Mails oder das Telefon Ihrer Frau ansehen wollte, so könnte ich das tun. Ich komme an Ihre E-Mails, Ihre Passwörter, ihre Telefonverbindungen, Ihre Kreditkarten. Ich möchte nicht in einer Gesellschaft leben, die solche Dinge tut … Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich mache und sage, aufgezeichnet wird. Ich möchte das nicht unterstützen und bin nicht bereit, das zu akzeptieren.“

Die nachfolgenden Wochen verbrachte er im Transitbereich eines russischen Flughafens. Edward Snowden hätte sich vor einem Jahr anders entscheiden, und einfach seinen Job machen können: Befehle befolgen und nichts hinterfragen. Er hätte nicht an die Folgen für uns, sondern einzig und allein an sich uns seine Zukunft denken können. Doch wäre das die bessere Entscheidung gewesen?

Als er vor einem Jahr in Hong-Kong gefragt wird, was er denken, was mit ihm geschehen werde, antwortet er:

„Nichts Gutes.“

Jeder weiß: Es ist nicht immer einfach, das Richtige zu tun. Das gilt für Whistleblower ebenso wie für uns. Edward Snowdens Asyl in Russland läuft Anfang August aus. Er steht vor unserer Tür. Keine Frage: Einem weltweit gesuchten Mann wie Edward Snowden sicheren Aufenthalt in Deutschland anzubieten erfordert zweifelsfrei Mut. Wir können darauf warten, dass ein anderer Staat die Tür aufmacht. Oder aber wir zeigen Courage. Und schützen den Mann, dessen einziges Verbrechen es war, uns das zu erzählen, was uns Regierungen und Geheimdienste weltweit jahrelang verheimlicht haben.

Wenn wir als Gesellschaft für Grundrechte einstehen wollen, dürfen wir Hinweisgebern wie Edward Snowden nicht die Türe verschließen. Denn wie wir mit Menschen wie Edward Snowden umgehen sagt schließlich viel mehr über unsere Gesellschaft aus, als über ihn.

Dieser Post ist Teil der Blogparade „Deine Daten bei Geheimdiensten“ der Humanistischen Union.

 

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Autor*innen

Katharina Nocun ist studierte Ökonomin und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der technologischen Revolution auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie engagiert sich in der digitalen Bürgerrechtsbewegung für eine lebenswerte vernetzte Welt. Sie war 2013 Politische Geschäftsführerin und Themenbeauftragte für Datenschutz der Piratenpartei Deutschland und arbeitete als Referentin und Campaignerin u.a. für den Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Campact e.V. und Wikimedia Deutschland e.V.. Katharina Nocun ist Botschafterin für die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied im Beirat des Whistleblower-Netzwerks und bloggt regelmäßig unter www.kattascha.de. Folge Katharina auf Twitter: @kattascha Alle Beiträge

6 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. So sehr ich es mir wünschen würde, eine Aufnahme Snowdens in Deutschland ist absolut unrealistisch. Der deutsche Staat wird sich aus eigenen Sicherheitsinteressen, der Verstrickung und Mittäterschaft des BND, und Staatsräson gegenüber den USA mit allen Kräften gegen eine Aufnahme Snowdens stemmen.

    Die Personalie Snowden ist natürlich wichtig. Ich finde es aus Sicht der Deutsche aber viel wichtiger, dass die Politik endlich die in einigen Teilen der Gesellschaft schon stattfindende Diskussion zum Thema Grundrechte, insbesondere Privatsphäre, in der Breite aufgreift.

    Ist es rechtens, dass eine fremde Großmacht in unsere Privatsphäre eindringt? Ist die Tolerierung bzw. Mittäterschaft durch deutsche Sicherheitskreise und die deutsche Politik rechtens? Wenn nein, ist es rechtens, dass ein Generalbundesanwalt sich weigert, der millionenfachen Grundrechtsverletzung durch England und USA nachzugehen?

    Wenn alle diese Fragen mit nein beantwortet werden, frage ich mich zuletzt: leben wir in einem Rechtsstaat, der seinem Namen gerecht wird?

  2. Interessanter Vergleich, Marina!
    Könnte die evangelische Kirche Snowden eigentlich keinen Schutz gewähren?
    😉

  3. Leider wird er hier in Deutschland wohl kein Asyl bekommen – da die „Oberen“ viel zu viel Schiss haben vor den Amis und denen lieber in den A…. kriechen.

  4. Ich bewundere Edward Snowden und seinen Mut. Aber nach Deutschland zu kommen rate ich ihm nicht, denn ganz schnell würden die Geheimdienste seines Landes zuschlagen und unsere Regierung würde wegsehen, es gibt auch noch Drohnen, die so etwas erledigen oder sogar unsere Geheimdiensthanseln.
    Vor 30 Jahren habe ich auch mal in einer Firma gearbeitet, die angeblich Werkbänke herstellte und Geräte für die Werkzeug Produktion, dachte ich. Bis mir dann mal Pläne in die Hände fielen, die zeigten, daß man mit ein paar kleinen Veränderungen, Waffen herstellen kann. Damals war ich noch so im System drin, daß ich nichts sagte, aber heute würde ich auch zum Whistleblower. Hoffentlich findet Edward einen sicheren Platz und setzt seine Enthüllungen fort. Da unsere „Regierung“ und die der USA so panische Angst haben, er könnte noch mehr veröffentlichen, nehme ich an, daß es sich um hochbrisantes Material handelt, daß dazu führen könnte, daß die dummen Schlafschafe aufwachen und das muß mit allen Mitteln verhindert werden.

  5. Ich glaube kaum, dass Herrn Snowden hier in Deutschland Asyl gewährt wird …
    Es würde schon einem Wunder gleichkommen, wenn dies doch wider Erwarten geschähe.
    Übrigens,
    könnte man Martin Luther nicht auch als Asylanten bezeichnen,
    da er aufgrund des vom Kaiser gezeichneten Wormser Ediktes nunmehr „vogelfrei“ geworden war?
    Es verbot nämlich unter Berufung auf die Bannbulle des Papstes im gesamten Reich, Luther zu unterstützen oder zu beherbigen, seine Schriften zu lesen oder zu drucken,
    und gebot, ihn festzusetzen und dem Kaiser zu überstellen.
    (siehe Quelle: wikipedia.org/wiki/Martin_Luther)
    Luther fand aber quasi dadurch Schutz und Sicherheit, dass der Kurfürst Friedich der Weise ihn auf die Wartburg bei Eisenach bringen ließ, wo er für eine gewisse Zeit inkognito weilte.
    Martin Luther ging damals recht mutig gegen die Missstände in der katholischen Kirche an und vor dem Reichstag zu Worms erklärte er:
    „[Da] … mein Gewissen in den Worten Gottes gefangen ist, ich kann und will nichts widerrufen, weil es gefährlich ist, etwas gegen das Gewissen zu tun. Gott helfe mir. Amen.“ (Quelle: dto.)
    Er berief sich demnach auf sein Gewissen – und auch auf Gott.

    Wie es wohl bei Edward Snowden war?

    Ob sein Gewissen ihn sozusagen dazu veranlasste, so zu handeln, wie er es getan hat?
    Auf jeden Fall hat er gewissermaßen alle Brücken zu seiner Heimat, den USA, abgebrochen – zugunsten
    des allgemeinen Wohles aller Bürger weltweit,
    denn ohne sein mutiges Auftreten in der Weltöffentlichkeit schließlich
    wüssten wir doch alle im Grunde nichts vom allgemeinen Betreiben der NSA wie auch des britischen Geheimdienstes,
    was deren Verfahrensweise mit den (persönlichen) Daten der Bürger anbelangt!

    Ich denke,
    Edward Snowden, sollte unbedingt Asylrecht erhalten – egal,
    wie auch die USA darauf reagieren mögen, letztlich
    haben sie es doch zu verantworten, dass er so agiert hat – wie bekannt …

    Nun: Von nichts kommt nichts!

    Ob er hierzulande entsprechende Unterstützung erfährt, ist – wie gesagt – m.E. ziemlich fraglich.

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