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Es tut sich was: Gabriel legt sich mit Rüstungslobby an

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel legt sich mit der Rüstungslobby an: Gegen massive Widerstände von Union und Teilen der Gewerkschaften will er eine restriktivere Rüstungsexportpolitik durchsetzen. Die Rüstungsindustrie müsse stärker auf zivile Produkte setzen, so der Vizekanzler.

Wir haben Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) in letzter Zeit oft kritisiert: Weil er die Erneuerbaren Energien zugunsten der Kohlekraft ausbremst. Und weil er lediglich Fracking in Schiefergestein vorübergehend verbieten will, nicht aber Fracking generell. Doch zumindest in der Rüstungsexportpolitik scheint der Vizekanzler auf dem richtigen Kurs zu sein. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL untersagte er der Waffenschmiede Heckler & Koch, Bauteile für das Sturmgewehr G36 nach Saudi-Arabien auszuliefern. Dort fertigt ein Unternehmen die Heckler & Koch-Gewehre in Lizenz.

Bereits vor einigen Monaten soll er auch die umstrittene Lieferung von Leopard-2-Kampfpanzern nach Saudi-Arabien gestoppt haben. Im Sommer 2011 hatten über 121.000 Campact-Aktive gefordert, keine Panzer an Diktatoren zu liefern. Mit Panzern aus Pappe demonstrierten wir vor dem Kanzleramt und vor dem Reichstagsgebäude gegen das Panzer-Geschäft mit dem despotischen saudischen Königshaus. Auch die (damalige) Opposition kritisierte den geplanten Panzer-Export scharf – allen voran der SPD-Vorsitzende Gabriel. Daher hätte er sich mit jeder anderen Entscheidung völlig unglaubwürdig gemacht.

Widerstand aus Union und Gewerkschaften

Gabriel scheint es tatsächlich ernst zu meinen mit einer restriktiveren Rüstungsexportpolitik. In der letzten Sitzung des geheim tagenden Bundessicherheitsrates stoppte er fast zwei Drittel aller beantragten Rüstungsexporte in sogenannte Drittstaaten, berichtet der SPIEGEL in seiner aktuellen Ausgabe. Mehrere Abgeordnete von CDU/CSU warfen Gabriel deshalb einen Bruch des Koalitionsvertrages vor. Gabriel habe sich ohne Abstimmung mit dem Koalitionspartner „für eine völlige Abkehr von der bisherigen Ausfuhrpolitik von Rüstungsgütern entschieden“, wettern sie in einem Brief. Die Existenz eines ganzen Wirtschaftszweiges mit rund 200.000 Arbeitsplätzen stehe auf dem Spiel, behaupten die Unions-Abgeordneten.

Aber auch aus den Gewerkschaften kommt Kritik an Gabriels Kurs. Die Betriebsratsvorsitzenden von mehr als 20 Unternehmen der Rüstungsindustrie forderten Klarheit über die künftige Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung. Ohne Rüstungsexporte auch außerhalb der NATO sei die deutsche Rüstungsindustrie nicht überlebensfähig, schrieben die Betriebsratsvorsitzenden an Gabriel.

Gabriel konterte, dass er nicht bereit sei, Rüstungsexporte allein zur Sicherung von Arbeitsplätzen zu genehmigen. „Das Bundeswirtschaftsministerium würde auch dann keine Genehmigungen für zweifelhafte Geschäfte erteilen, wenn sie mit der Sicherung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt werden“, schrieb Gabriel bereits im Vorwort zum Rüstungsexportbericht für 2013. Waffenausfuhren seien kein Mittel der Wirtschaftspolitik, sondern ein Instrument der Sicherheitspolitik.

In einem Brief an die Bosse mehrerer Rüstungsunternehmen legte Gabriel nun noch nach: Die Rüstungskonzerne müssten sich stärker auf die Produktion ziviler Güter ausrichten und ihre Abhängigkeit von staatlichen Rüstungsbeschaffungen verringern. Wo Gabriel recht hat, hat er recht.

Schwarz-Gelb weitete die Rüstungsexporte an Drittstaaten massiv aus

Durch die Verkleinerung der Bundeswehr und ihre Umwandlung in eine Freiwilligenarmee gingen der deutschen Rüstungsindustrie viele Aufträge flöten. Auch zahlreiche der NATO-Partner Deutschlands verkleinern ihre Streitkräfte und strukturieren sie um. Die frühere schwarz-gelbe Bundesregierung setzte deshalb auf eine Ausweitung der Rüstungsexporte an Staaten außerhalb von EU und NATO. Gabriel leitet hier nun einen überfälligen Kurswechsel ein: Statt diktatorische Regime mit Waffen zu beliefern, will er eine Neuausrichtung der Rüstungsindustrie auf zivile Güter.

Doch auch Gabriels Haltung zu Rüstungsexporten ist nicht frei von Widersprüchen. So will der Rüstungskonzern Rheinmetall nicht nur Panzer, sondern gleich eine ganze Panzerfabrik nach Algerien exportieren. Dabei werfen Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International oder Human Rights Watch dem algerischen Regime schwerste Menschenrechtsverletzungen vor. Doch Gabriel will den Export der Panzer-Fabrik nicht stoppen – das habe bereits die schwarz-gelbe Vorgänger-Regierung genehmigt.

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Autor*innen

Yves Venedey war Campaigner im Kampagnen-Team 1, verantwortlich für Klima-Themen. Er war schon Marktforscher, Briefträger, Geschäftsführer, Journalist und Pressesprecher. Yves Venedey ist Autor des Buchs "Abschalten", das 2011 im Fischer Verlag erschienen ist. Alle Beiträge

3 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Genau diese Art von differenzierter Gegenüberstellung und Abgrenzung schätze ich – danke für diese Analyse!

  2. sehr gut!
    ich finde es gut, was gabriel macht!
    wäre es eventuell nicht auch möglich den export von deutschen rüstungsgütern an israel zu verbieten? wenn ein land es nötig hat wegen einem schlimmen mord an landsleuten ein ganzes volk kollektiv zu bestrafen, darf es keine deutschen leopard II panzer bekommen!
    schöne grüße,
    Clemens pasch

  3. Das die Parteien mit dem HEILIGEN „C“ sich gegen die AUSLICHTUNG ihrer gesegneten GLOBAL verbreitenden WAFFEN wehren, wen WUNDERT ES.
    Ihr MOTTO ist: „FRIEDEN SCHAFFEN NUR MIT WAFFEN“.

    Die größte SORGE machen die sich besonders bei FREIWILIGEN, UNENTGELTLICHEN EHRENAMTLICHEN ARBEITSVERHÄLTNISSEN. Am besten gäbe es nur solche.
    Wenn der HEILIGE WIRTSCHAFTFLÜGEL, also wohl 99,99% dieser LOBBY-Partei nur gut genug daran verdient.
    Und das die Rüstungsindustrie sich Sorgen macht, logo. Die würden wahrscheinlich noch mit den Organen der durch ihre Waffen ums Leben gekommenen Menschen Geschäfte machen, gäbe man ihnen nur die GENEHMIGUNG.
    Was die Arbeitsplätze angeht. Sicher, ein jeder Arbeiter, besonders mit Familie sei er gegönnt. Er braucht das daraus erarbeitete GELD zum LEBEN. Und ich möchte auch keinem, nein ich habe nicht das geringste Recht einem dieser Arbeiter dieses RECHT auf LEBEN zu missgönnen.
    Doch es ist „BLUTGELD“, an dem sich nur wenige MEHR als eine GOLDENE NASE verdienen zum PREIS von viel, sehr viel LEID und ELEND. Würden wir, die MENSCHEN aus dem VOLK zusammenhalten und uns gegen die ausgeuferte DEKADENZ wehren, es wäre genug für alle da.
    Ohne BLUTGELD!
    Die gleichen WAFFEN, die LEID und ELEND in anderen LÄNDERN erzeugen, können jederzeit auch dieses in unserem Land, in unseren meiner FAMILIE erzeugen.

    „IM NAMEN der Kirche“ wurden schon immer die größten Verbrechen begangen!

    ……Gott GAB jedes Leben
    …………..der Teufel
    die Intelligenz dem Menschen

    Politiker haben schon viele Worte gefunden……….
    zu oft ZWEIDEUTIG,
    zu oft HINTERHÄLTIG,
    zu oft eine LÜGE,
    zu oft VERRAT am VOLK!
    Ich MESSE einen Politiker/in nur an SEINE/IHRE TAT.

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