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Wie eine Bewegung entsteht – Drei aufregende Tage in Brüssel

Während in Brüssel die Unterhändler der EU und USA zunehmend lustlos über TTIP verhandeln, bildet sich wenige Meter entfernt ein Pakt ganz anderer Art. Eine europäische Bürgerbewegung entsteht. Lesen Sie meinen Bericht über drei aufregende Tage ...

Während in Brüssel die Unterhändler der EU und USA zunehmend lustlos über TTIP verhandeln, bildet sich wenige Meter entfernt ein Pakt ganz anderer Art. Eine europäische Bürgerbewegung entsteht. Fröhlich, bunt, und siegesgewiss: Wir werden diesen Machtkampf um unsere Zukunft gewinnen! Lesen Sie meinen Bericht über drei aufregende Tage:

Montag: Eine Welle breitet sich aus

Die Woche beginnt mit einem Strategietreffen der Initiativen gegen das Freihandelsabkommen TTIP. Es ist bereits das zweite nach einem ersten Treffen im März, und was hat sich in diesen vier Monaten alles getan! Aus inzwischen 16 EU-Ländern (plus der Schweiz) kommen Berichte, überall formieren sich Bündnisse von zivilgesellschaftlichen Organisationen. Von Nord bis Süd und Ost bis West ist Aufbruchstimmung spürbar.

Bilder aus Brüssel: Gründung der Europäischen Bürgerinitiative …

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Die Befürworter von TTIP sind in die Defensive geraten. Das Versprechen von Wachstum und neuen Jobs ist als Luftblase enttarnt, dafür sind die Nachteile und Risiken für die Bürger/innen umso deutlicher geworden: Ob Investorenklagen, die Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, Fracking, Gentechnik, Pestizide, Hormonfleisch oder Chlor-Hühnchen – das Menü TTIP mundet niemandem außer den großen Konzernen.

So unterschiedlich die Gegenden und Gruppen sind, die sich hier in Brüssel treffen, so groß ist die Übereinstimmung bei der Frage, wie wir weiter zusammen arbeiten wollen: Solidarisch, vielfältig, und klar im gemeinsamen Ziel. Sie werden auch weiterhin die verschiedenen Risiken in ihrer ganzen thematischen Breite aufgreifen. Gleichzeitig sind die Teilnehmer/innen des Treffens sich einig, wie sie das Abkommen als Ganzes einschätzen müssen: als Machtkampf zwischen den Konzernen und der mit ihnen verbündeten Regierungen gegen die Bürger/innen Europas und der USA.

Die Antwort auf diese Kampfansage lautet, den Widerstand weiter zu internationalisieren. Falls es zunächst so aussah, als wäre TTIP nur in Deutschland unpopulär, so wird sich das nun sehr rasch ändern. Denn die Bürger/innen Europas haben seit dieser Woche ein neues gemeinsames Projekt.

Dienstag: Sie ist 80 Jahre alt und will noch einmal ein Abkommen kippen …

Heute, am 15. Juli wurde die Europäische Bürgerinitiative gegen TTIP und CETA offiziell zur Registrierung bei der EU-Kommission eingereicht. In spätestens zwei Monaten kann sie anfangen, überall in Europa Unterschriften zu sammeln. Das Ziel: 1 Million Unterschriften in 12 Monaten. Wird dieses Ziel erreicht, bekommt sie nicht nur eine öffentliche Anhörung und eine Stellungnahme der EU-Kommission, sondern vor allem politisches Gewicht.

Schon bei der ersten Pressekonferenz der Europäischen Bürgerinitiative „Stop TTIP“ ist das Medieninteresse gewaltig. Mit jeder neuen Erfolgsmeldung über mehr und mehr Unterschriften wird es wachsen. Im besten Fall wird es „Stop TTIP“ so ergehen wie der anderen erfolgreichen Europäischen Bürgerinitiative, die Campact unterstützt hat. Die gegen Wasserprivatisierung gerichtete Initiative „Right2Water“ hatte wichtige politische Ziele erreicht, bevor das Sammeln der Unterschriften überhaupt beendet war.

Besonders glücklich bin ich über das Bürgerkommitee, das die Europäische Bürgerinitiative nach außen vertreten wird. Einige Mitglieder, die ich kennen gelernt habe, will ich Ihnen hier kurz vorstellen:

Susan George von Attac und TNI ist eine Frau, die schon einmal ein ähnliches Abkommen zu Fall gebracht hat, das Mulitlaterale Abkommen über Investitionen (MAI). Susan ist mittlerweile 80 Jahre alt, und immer noch eine imposante Erscheinung, mit scharfem Verstand und ohne Anzeichen von Müdigkeit. Wenn politisches Engagement so jung hält, dann ist Susan George ein Grund damit nicht nachzulassen. Ich könnte noch viel mehr über sie ins Schwärmen geraten, aber ich lasse es lieber, denn ich denke sie würde davon nichts wissen wollen: Ihr geht es um die Sache, und nicht um ihre Person.

John Hilary von War on Want ist ebenfalls einer der klügsten Köpfe der Bewegung gegen die globalen Machtambitionen der großen Konzerne. Nicht nur in seinem Heimatland Großbritannien genießt er hohes Ansehen bei zivilgesellschaftlichen Organisationen. Vor allem hat er die Gabe, komplexe Themen in klarer Sprache anschaulich darzustellen.

Michael Efler von Mehr Demokratie e.V. war in den vergangenen Monaten das Kraftzentrum der Vorbereitungen der Europäischen Bürgerinitiative, mit dem ich sehr eng und sehr gerne zusammen gearbeitet habe. Als vor drei Wochen sein Sohn geboren wurde und er sich kurze Zeit etwas aus der Arbeit heraus zog, hatten wir sechs Anderen des Teams jeder doppelt so viel zu tun. Wie das geht, ist mir noch immer ein Rätsel, denn auch Michaels Tag muss ja wohl 24 Stunden haben.

Mit diesen Menschen und mit den vielen Tausend anderen, die helfen werden, werden wir unserer Ziele erreichen. Da bin ich mir sicher.

Mittwoch: Zu Besuch bei unseren Gegnern

Der Tag beginnt mit einer vom Corporate Europe Observatory (CEO) und Lobbycontrol veranstalteten Lobbytour. Begleitet von Journalisten suchen wir die gewaltigen Bauten aus Glas und Beton auf, in denen die Industrieverbände und Anwaltskanzleien sitzen, die sich TTIP ausgedacht haben. Diese lobbykritischen Stadtführungen erfreuen sich wachsender Beliebtheit, sind aber leider nur zu speziellen Anlässen auf dem Programm. Allerdings gibt es eine virtuelle Lobbytour hier.

Danach treffen wir in einem Konferenzgebäude direkt auf unsere Gegner: Die Verhandlungsparteien EU und USA hatten zum „Gespräch“ mit Lobbyisten geladen, und zivilgesellschaftliche Organisationen dürfen ebenfalls kommen. Diese nutzen die Gelegenheit zu scharfer Kritik. Die Mitarbeiter, die die Verhandlungen führen, sitzen dabei und machen reglose Minen. Was in ihren Köpfen wohl vorgeht? Auffällig ist, dass von Industrieseite nicht ein einziges neues Argument vorgebracht wird, vor allem nicht für die umstrittenen Investorenklagen. Insbesondere der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) präsentiert sich eher lustlos. Hat er schon die Lust verloren? Dabei geht der Widerstand doch erst los!

Am Nachmittag gibt es in einem großen Saal das so genannte „Stakeholder Briefing“ – die beiden Chef-Verhandler erzählen aus den Verhandlungen – allerdings so vage, dass der Informationsgehalt gegen Null geht. Eine Gruppe von Aktivisten möchte ihre Zeit nicht damit verschwenden und heizt stattdessen mit einer kleinen Aktion ein – siehe Film hier. Die Aktivisten wurden übrigens weder verletzt noch von der Polizei behelligt.

Beflügelt kehren wir nun alle in unsere Länder zurück

Wir haben uns viel vorgenommen und werden uns eng miteinander austauschen. Wir wissen: Wir können TTIP verhindern. Aber nur gemeinsam.

Im Campact-Newsletter informieren wir über den Start der Unterschriftensammlung

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Autor*innen

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15 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich habe noch eine wichtige Frage:
    Mehrere meiner älteren Verwandten würden auch gerne gegen TTIP, CETA, TISA zeichnen, weigern sich aber, einen Email-Account einzurichten & wollen dies nur konventionell, aber nicht online tun.
    Wird es auch die Möglichkeit geben, für die europäische Aktion ab September konventionell auf einer Liste zu unterzeichnen? Alleine in meiner Familie würde dies sieben weitere Unteschriften bringen.
    Ich bitte um Rückmeldung!

  2. Die erste wirklich wichtige politische Bewegung in Europa seit Jahren . Es wird Geld fließen.
    Die USA sind zum verkommensten Staat dieses Planeten degeneriert . Mit dem Anzettel des Krieges in der Ukraine haben sie in Europa fast alle Freunde verloren.

  3. wie ich gelesen hatte, besteht auf der anderen Seite des Atlantiks (Congress) eine ebenso große Frustration über die Art der Verhandlungen – alles geheim, auch die bekommen keine Informationen.

    Vielleicht sollte man Kontakt mit diesen Frustrierten halten, vielleicht ändert sich mehr, wenn sich auf beiden Seiten der Verhandler Widerstand aufbaut.

    • Wir sind bereits transatlantisch vernetzt. Es besteht eine gemeinsame E-Mailliste und zur unserem Treffen in Brüssel kamen auch einige aus Amerika. Campact hat vor einigen Wochen auch ein Webinar mit Lori Wallach von der US-Organisation Public Citizen veranstaltet.
      Diese Zusammenarbeit ist in der Tat sehr wertvoll.

  4. You need to have information in English if you are to make any impact on a European level.

    Regards,

    David|David Conlin

    • Hi David, as Campact chiefly addresses a german speaking audience, our content is mostly german. As we collaborate on a european level we feel the need to share more content in english, but do so mostly via email, not on our website, which is just not made to be mulitilingual. Sorry for that. But http://www.stop-ttip.org is english. Have a look!

  5. Ich bin irritiert,dass TISA (was noch viel schlimmer ist ) nicht mit eingebunden ist.

    Wenn CETA und TTIP ,können doch wohl noch vier Buchstaben dazu.(wenn, dann gleich alles in einem Abwasch )

    Die lachen sich doch ins Fäustchen,wenn sie „großzugig“ auf unsere Forderungen eingehen würden und TISA ,ohne wiederstand durchboxen.

    EU/USA plus 28 Länder

    • Der Forderungstext einer Europäischen Bürgerinitiative ist auf 200 Zeichen begrenzt, das ist wenig mehr als eine SMS. Wir haben uns dafür entschieden, die beiden am weitesten fortgeschrittenen Abkommen in die Forderung aufzunehmen und das noch im Frühstadium der Verhandlungen befindliche TISA nicht. Ein Buchstabensalat von lauter Abkürzungen die noch vielen Menschen unbekannt sind, würde wahrscheinlich nicht zu mehr Unterschriften führen. Und wir können hoffen, dass ein Erfolg bei TTIP und CETA auch auf TISA Auswirkungen hat. Sehr gut möglich, dass dieses Projekt dann erstmal für einige Jahre in den Schubladen verschwindet.

    • 1. Es hat bisher noch bei keinem einzigen der vielen Handelsabommen Stakeholder meetings mit Industrie ind NGOs gegeben. Für das TTIP sind sie aufgrund des Drucks der NGOs entstanden. Wir haben also das erste Mal einen relativ transparenten Prozess, der es uns erlaubt, konstruktiv mitzudiskutieren und sachliche Argumente gegen TTIP zu bringer. Das sollten wir auch tun anstatt irgendwelche Aktionen durchzuführen, die in der Sache nicht weiter helfen. Dadurch diskreditieren wir nur unsere Glaubwürdigkeit.
      2. Wenn Ihr nur darauf hofft, dass ein Erfolg bei TTIP ind CETA auch Auswirkungen aug TISA (das Abkommen zur Liberalisierung der Dienstleistungen) hat, ist dies leider die absolut falsche Strategie, denn TISA ist schon lange aus den Frühstadium raus. Es gibt sehr genaue Vorstellungen davon, welche Dienstleistungen (nämlich in Wesentlichen alle) liberalisiert werden sollen und die Verhandlungen finden regelmässig im Geheimen statt. Fragt mal die Leute von den Gewerkschaften: Public Services International http://www.world-psi.org/en/psi-news-tisa
      Viel Erfolg mit Eurer Citizen Initiative!

    • Wir führen Gespräche mit den Gewerkschaften, und werden versuchen, gemeinsam eine Strategie gegen TISA zu entwickeln.

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