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Anti-Kohle-Kette: 7500 stellen sich den Baggern entgegen

Zumindest die Generalprobe hatte schon mal geklappt: Vor dem Frühstücksbuffet reihten sich die vielen internationale Aktivist/innen, die in der Nacht zum Samstag auf dem Lausitzer Klimacamp angekommen waren, zu einer wahren Probemenschenkette. Und eigentlich war da schon klar: Dieser Tag sollte zu einem Meilenstein für die Anti-Kohle-Bewegung werden.

Zumindest die Generalprobe hatte schon mal geklappt: Vor dem Frühstücksbuffet reihten sich die vielen internationale Aktivist/innen, die in der Nacht zum Samstag auf dem Lausitzer Klimacamp angekommen waren, zu einer wahren Probemenschenkette. Und eigentlich war da schon klar: Dieser Tag sollte zu einem Meilenstein für die Anti-Kohle-Bewegung werden. Doch zu diesem Zeitpunkt sollte noch niemand wissen, ob das ehrgeizige Ziel klappen würde: Wären am Nachmittag genug Leute in der Lausitz, um die deutsch-polnische Menschenkette zwischen Kerkwitz und Grabice, zwei von der Abbaggerung bedrohten Dörfern, auf acht Kilometern Länge über die Neiße hinweg zu schließen?

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Jagd nach den letzten Krümeln Braunkohle

Diese mutige Idee kam aus der Region. Viele Bürger/innen aus Kerkwitz und Grabice, Atterwasch and Grabko wollen nicht hinnehmen, dass ihre Dörfer buchstäblich dem Erdboden gleich gemacht werden. Denn geht es nach dem Willen von Vattenfall und Co., pflügen bald gigantische Schaufelradbagger auch diese Dörfer auf der Jagd nach den letzten Krümeln Braunkohle um. Braunkohle, die die Welt eigentlich nicht mehr braucht. Die Lausitzer riefen daher die Idee einer deutsch-polnische Menschenkette ins Leben. Ein paar Tausend Leute in einer mittleren Großstadt für eine Demo zu mobilisieren ist machbar – in der Lausitz, abseits der großen Städte, ist das eine echte Herausforderung. Unterstützt wurden sie daher von einem breiten Bündnis zivilgesellschaftlicher Gruppen, von Greenpeace über Campact, die Naturfreunde, den BUND, die Klima-Allianz, und viele weitere mehr. Sie alle luden zur großen Anti-Kohle-Kette in die Lausitz – und keiner wusste, ob genug Leute den weiten Weg in die Lausitz auf sich nehmen würden.

Doch am Morgen des 23. August 2014 ergriff plötzlich rege Betriebsamkeit die malerische, sonst ruhige Landschaft der Lausitz. Auf dem Camp machten sich die Leute bereit für den Aufbruch. Die lokale Feuerwehr spannte Seile über die Neiße, als Halt für diejenigen, die die Kette im Wasser stehend später schließen sollten. Auf Kreuzungen entstanden Wegpunkte. Deutsch-polnische Zweier-Teams machten sich bereit, die ankommenden Leute auf die Kette zu verteilen. Und die Leute kamen. Nach und nach bahnten sich hundert Busse ihren Weg durch enge Landstraßen. Der überfüllte Regionalzug entließ Menschenschaaren auf den kleinen Bahnhof Kerkwitz. Insgesamt 7500 Menschen hatten sich auf den Weg gemacht – aus der Region, aus ganz Deutschland und Polen, ja sogar mit Bussen aus Frankreich, Großbritannien, Skandinavien, aus Bulgarien und Tschechien. Schon bald war klar: Genug Menschen würden es sein, um die Kette zu schließen.

Kerkwitz und Grabice von Mensch zu Mensch verbunden

Die 7500 Menschen gleichmäßig auf eine Kette zu verteilen, noch dazu durch einen Fluß, ohne Brücke, mit nur kleinen Feldwegen als Zufahrt, ist kein Kinderspiel. Eine Stunde vor Kettenschluss das Problem: Zu viele Menschen waren zur Neiße gelaufen, zu wenige zum Startpunkt der Kette in Grabice. Und so riefen sich die Ordner/innen auf polnischer Seite heiser und versuchten, die Kette nach Osten zu „ziehen“. Mit Erfolg: Als um 13:45 die Sirene der Feuerwehr ertönte – das Signal zum Kettenschluss – war das Werk vollbracht. Die Kette war geschlossen. Die Ortsschilder von Kerkwitz und Grabice von Mensch zu Mensch verbunden.

Die Kette stand – und damit ein spektakuläres Symbol gegen die Braunkohle. Gegen die Braunkohle, die das Klima aus dem Gleichgewicht bringt. Gegen Gesundheitsgefahren durch Quecksilber und Feinstaub. Gegen die Kohlekonzerne, die sich allen Versuchen einer Energiewende widersetzen und 2013 so viel Braunkohle verfeuerten wie seit 1990 nicht mehr. Gegen die Vertreibung von tausenden Menschen in Deutschland und Polen. 7500 Menschen in der Lausitz: Ein toller Erfolg gegen die Kohlekonzerne!

Denn mit der Anti-Kohle-Kette in der Lausitz wird eine Bewegung sichtbar, die weit über die Region hinausreicht. War der Kampf gegen die Braunkohle lange Zeit ein Kampf David gegen Goliath, ist zusehends weniger klar, wer David und wer Goliath ist. Mehr und mehr Menschen wollen den Ausstieg aus der klimaschädlichen Kohle. Auch in den bundesweiten Medien ist das Thema angekommen. Zeitungen und Fernsehsender berichteten über die Menschenkette, unter anderem die Süddeutsche Zeitung und die ZDF-Abendnachrichten – hier ein schöner Bericht des Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Und die Öffentlichkeit hinterfragt, wie es sein kann, dass trotz Energiewende ungebremst weiter Kohle verfeuert wird.

Wenn genug Leute aufstehen und diesen Widerspruch nicht länger hinnehmen, wird es bald einsam um die Kohlefreunde. Gewonnen haben wir noch lange nicht. Aber am 23.8. haben wir in der Lausitz gezeigt: Wir können gewinnen! Der Startschuss für den Einstieg in den Kohleausstieg ist geschafft.

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Autor*innen

Dr. Chris Methmann ist Geschäftsführer von foodwatch Deutschland. Vorher hat er bei Campact Kampagnen geleitet. Als langjähriger Aktivist und Campaigner in der Klimabewegung streitet er für ein Ernährungssystem, das die Grenzen unseres Planeten endlich respektiert – und setzt sich dafür ein, dass nur ehrliches, gesundes und zukunftsfähiges Essen auf unseren Tellern landet. Alle Beiträge

3 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich finde es wichtig, die Forderung nach einem konsequenten Kohleausstieg mit der Forderung nach bzw. Ideen für Lösungen für die Strukturpobleme der Lausitz zu verbinden. Es muß ein Weg gefunden werden, wovon die Leute dort leben können, sonst hat der Kohleausstieg keine Basis bei denen, die ihr Leben am meisten dafür ändern müssen.

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