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CETA: Eine Investoren-Waffe gegen die Demokratie

Milliardenschwere Konzernklagen gegen unsere Gesetze drohen, wenn CETA in Kraft tritt: Welch gefährlicher Zündstoff sich in Regeln zum „Investitionsschutz“ verbirgt, erschließt sich Nicht-Fachleuten nur schwer. Der Handels- und Investitionsexperte Peter Fuchs (Power Shift e. V.) hat den Vertragstext genau unter die Lupe genommen.

Milliardenschwere Konzernklagen gegen unsere Gesetze drohen, wenn CETA in Kraft tritt: Welch gefährlicher Zündstoff sich in Regeln zum „Investitionsschutz“ verbirgt, erschließt sich Nicht-Fachleuten nur schwer. Der Handels- und Investitionsexperte Peter Fuchs (Power Shift e. V.) hat den Vertragstext genau unter die Lupe genommen – wir dokumentieren seine Analyse in mehreren Teilen:

Endlich Zugang zum Text

Am 13. August leakte die Tagesschau den kompletten Text des EU-Kanada-Abkommens CETA. Seither können die ungeliebten Zaungäste der Handelspolitik – die Bürgerinnen und Bürger – endlich lesen, was die Verhandler hinter verschlossenen Türen ausbaldowert haben. Auch NGOs, Gewerkschaften, Parlamente, Medien und Wissenschaft können nun tun, was sie offiziell immer noch nicht dürfen: an die mühsame Lese- und Analysearbeit gehen.

1.521 Seiten umfasst der Vertrag. Laut Süddeutscher Zeitung hat die Bundesregierung ihn letzte Woche den Regierungen der Bundesländer geschickt – mit einer Rückmeldefrist bis Ende August. Die, die der Vertrag betrifft, sollten ihn also nicht genau und kritisch lesen – und erst recht nicht auf den Gedanken kommen, noch „umfassende Änderungsanträge“ zu formulieren, da diese „nicht mehr zielführend“ seien. Demokratische Mitbestimmung von unten nach oben ist offensichtlich nicht gefragt.

Warum das Ganze?

Um CETA politisch zu beurteilen, muss man nicht unbedingt bis ins letzte Detail des in schwierigem Juristenenglisch verfassten Vertrages und seiner Anhänge vordringen. Denn gerade beim umstrittenen Vertragsteil über Investitionen gilt: Die EU und Kanada blieben schon vor Aushandlung der Details jede befriedigende Antwort schuldig auf die grundlegenden, dringenden Fragen:

  • Warum und für wen bedarf es überhaupt eines Investitionsschutzkapitels und eigener Investor-Klagerechte in einem Schiedssystem jenseits rechtsstaatlicher Verfahren?
  • Warum sollen Investoren mit kanadischer Niederlassung in Europa besser behandelt werden als europäische Investoren? Und umgekehrt: Warum sollen EU-Investoren in Kanada besser behandelt werden als dort einheimische Firmen? Hinweis: Hohe Investitionsschutzstandards z.B. über den Eigentumsschutz des Grundgesetzes hinaus und eigene internationale Klagerechte sind eine klare Besserbehandlung ausländischer Investoren!
  • Vor allem aber: Warum sollen private, profit-orientierte Schiedsrichter dazu ermächtigt sein, sich über demokratisch beschlossene Gesetze, über das Verwaltungshandeln sämtlicher Regierungsstellen und sogar über die Entscheidungen höchster ordentlicher Gerichte hinwegzusetzen? Warum sollen kommerzielle Anwälte die Macht haben, öffentliche Haushalte zu enormen Entschädigungszahlungen zu verpflichten?
Investorenschutz als Waffe zur Politikbekämpfung

Die Antwort internationaler Wirtschaftslobbys sowie der auf Investorklagen spezialisierten Anwaltsbranche auf diese Fragen ist klar: Investitionsabkommen mit eigenen Klagerechten für internationale Investoren sind wirksame Waffen im Kampf gegen „politische Risiken“. Sie werden genutzt, um Eigentums- und Profitinteressen durchzusetzen und Politik, die diese ‚gefährdet‘, zu bekämpfen. Eine Broschüre mit dem Titel „Hilfe, ich werde enteignet“ der deutschen Außenwirtschaftsfördergesellschaft Germany Trade & Invest spricht aus, was aus Investorensicht zu bekämpfen ist:

„Durch Veränderungen der gesetzlichen Rahmenbedingungen kann ein Staat – ohne den Eigentumstitel des Investors anzurühren – die Investition wirtschaftlich schwer beeinträchtigen oder sogar wertlos machen. Der Staat kann z.B. neue Steuern einführen, […], kann Umweltgesetze einführen […] oder durch Absenkung staatlich regulierter Tarife, z.B. im Strom-, Gas- oder Telekommunikationssektor oder bei Mautstraßen, die […] Finanzierung eines Projekts zerstören. Auch die bereits erwähnte Abschaffung der Sonderwirtschaftszonen […] ist ein Beispiel regulatorischen Handelns, das […] im Einzelfall einer indirekten Enteignung gleichkommen kann.“ (S. 5)

Verfasst wurde diese steuerfinanzierte Broschüre u. a. vom Hamburger Investment-Anwalt Richard Happ. Dessen Kanzlei Luther vertritt derzeit schon zum zweiten Mal den schwedischen Vattenfall-Konzern in einer Investor-Staat-Klage gegen Deutschland. Happ will für den Konzern 3,7 Milliarden Euro Entschädigung für den Atomausstieg herausschlagen – aufzubringen vom Steuerzahler.

Investitionsschutz im CETA: Schutzstandards und Klagerechte zur Politikbekämpfung

Happ und seine Kolleg/innen aus der ‚Schieds-Industrie‘ der Kanzleien und Prozessfinanzierer, die mit Investor-Staat-Klagen viel Geld verdienen, dürften sich angesichts von CETA auf weitere Geschäfte freuen. Ihnen wird mit dem CETA-Investitionsschutzkapitel ein mächtiges Werkzeug, ja geradezu eine Waffe in die Hand gelegt, um Politik und staatliches Handeln in Europa und Kanada anzugreifen.

Das Kapitel „10. Investment“ soll nicht etwa die Geschäftspraktiken internationaler Investoren regulieren. Darum geht es nie in internationalen Investitionsabkommen. Das Kapitel regelt vielmehr,
a) wie die Unterzeichnerstaaten mit internationalen Investitionen und Investoren umzugehen haben – hierzu verpflichten sich die Staaten zur Einhaltung bestimmter Investitionsschutzstandards;
b) wie Investoren im Fall einer angeblichen Verletzung dieser Standards vorgehen können: Ihnen wird das Privileg gegeben, direkt vor internationalen Schiedsstellen – also außerhalb der bestehenden Rechtssysteme der Vertragsparteien – im Rahmen von Investor-Staat-Schiedsgerichtsverfahren gegen die Gaststaaten oder die EU zu klagen.

Zu den Inhalten des geleakten Text im Einzelnen:

1. Breite Definition von Investitionen und Investoren
Für CETA wie für viele andere Investitionsabkommen gilt: Der Begriff „Investition“ wird extrem weit definiert, der Geltungsbereich des Abkommens damit sehr weit ausgedehnt. Vermögenswerte jedweder Art („every kind of asset“), die von Investoren des einen Vertragsstaats direkt oder indirekt im Hoheitsgebiet des anderen Vertragsstaats angelegt werden, sollen geschützt werden. Dazu zählen u.a. das Eigentum an beweglichen und unbeweglichen Sachen, Firmenanteile, Aktien, Anleihen und Portfolioinvestitionen, die so genannten „Rechte des geistigen Eigentums“ (wie Urheberrechte, Patente, Marken, Sortenschutzrechte), öffentlich-rechtliche Konzessionen (z. B. im Bergbau) und andere Ansprüche auf Geld oder Leistungen, die einen wirtschaftlichen Wert haben.

‚investment‘ means: Every kind of asset that an investor owns or controls, directly or indirectly, that has the characteristics of an investment, which includes a certain duration and other characteristics such as the commitment of capital or other resources, the expectation of gain or profit, or the assumption of risk. Forms that an investment may take include: (a) an enterprise; (b) shares, stocks and other forms of equity participation in an enterprise; (c) bonds, debentures and other debt instruments of an enterprise;
(d) a loan to an enterprise; (e) any other kinds of interest in an enterprise;
(f) an interest arising from: (i) a concession conferred pursuant to domestic law or under a contract, including to search for, cultivate, extract or exploit natural resources, (ii) a turnkey, construction, production, or revenue-sharing contract, or (iii) other similar contracts;
(g) intellectual property rights; (h) any other moveable property, tangible or intangible, or immovable property and related rights; (i) claims to money or claims to performance under a contract. (S. 150)

Den Begriff “Investor” definiert der CETA-Text ebenfalls sehr weit:

[…] a Party, a natural person or an enterprise of a Party (…) that seeks to make, is making or has made an investment in the territory of the other Party. (S. 150)

Er umfasst auch Investoren, die eine Investition noch gar nicht getätigt haben, sondern diese erst planen (‘seek to make’).

Lediglich reine ‘Briefkastenfirmen’ (Filialen oder Repräsentanzen, im Unterschied zu Niederlassungen) sind ausgeschlossen (“other than a branch or a representative office”). Unternehmen sollen eine “substantielle Geschäftstätigkeit” im Territorium einer Vertragspartei vorweisen (“substantial business activities in the territory of that Party”). Hiermit wird das so genannte ‘Forum Shopping’ – das gezielte Ausnutzen von Investitionsschutz-Regeln durch geschicktes Platzieren von Investitionen oder Unternehmensteilen – zwar möglicherweise etwas erschwert. Jedoch gibt es keine verbindliche Definition dessen, was eine “substantielle Geschäftstätigkeit” denn ausmacht – im Zweifel bleibt die Entscheidung über das Vorhandensein eines geschützten Unternehmens dem Schiedstribunal überlassen.

Unstrittig ist, dass US-Konzerne mit einer relevanten Geschäftstätigkeit in Kanada künftig unter den Regelungsbereich des CETA fallen – und somit auch die Klagerechte werden nutzen können.

Ende Teil 1 – Fortsetzung folgt –

Beim EU-Kanada-Gipfel am 25. September 2014 soll der Startschuss für die Ratifizierung von CETA gegeben werden. Wir möchten nicht, dass eine konzernnahe Schattenjustiz über demokratische Gesetze befindet. Diesem Risiko darf uns die Bundesregierung nicht aussetzen. Sigmar Gabriel darf dem CETA-Abkommen nicht zustimmen. Unterzeichnen Sie bitte unseren Appell:

Zur Person


Peter Fuchs, Jahrgang 1964, Volkswirt & Sozialökonom, arbeitet zu internationaler Handels- & Investitionspolitik bei PowerShift e.V. in Berlin. Er ist Koordinator der deutschen NGO-„Arbeitsgruppe Handel“ unter dem Dach des Forum Umwelt & Entwicklung, hat das bundesweite Bündnis „TTIP-Unfairhandelbar“ mit aufgebaut und ist auf europäischer Ebene seit langem im Seattle to Brussels-Netzwerk aktiv.

 

 

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16 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Es ist unbegreiflich, mit welcher Arroganz hier über die Köpfe der EU Bürger entschieden werden soll, egal ob TISA, CETA, TTIP oder anderes. Von Brüssel ist ja wohl nicht zu erwarten, dass für das Wohl der Bürger Entscheidungen fallen. Wohl aber von unseren Politikern, allen voran der lt. Umfragen ach so beliebten Frau Merkel (wo immer die Beliebtheitszahlen auch herkommen mögen) Ich erwarte ganz einfach, daß im Sinne und zum Wohle der Bürger entschieden wird und nicht im Sinne der Konzerne!!

  2. Der nächste Schritt: Wer seine Wohnungstür mit einem Sicherheitsschloss versieht muß künftig damit rechnen vom verhinderten Einbrecher auf Ersatz des entgangenen Raubgutes verklagt zu werden. Den Rechtsanwalt kann er sich sparen, denn er hat keinen Einfluss auf das Verfahren.

  3. Guten Tag Herr Fuchs, ich finde ihr Engagement prima und ich bedanke mich für die Aufklärung.
    Herr Wolfgang Gosejacob und ich haben vor eineinhalb Wochen auf der Facebookseite https://www.facebook.com/groups/652724774771612/ eine Aktion gestartet. Wir wollten die Teilnehmer auf dieser Seite – immerhin über 10.000 – animieren, bei der Übersetzung des uns vorliegenden CETA Dokuments mit zu helfen, nach dem Motto: „Jeder nur eine Seite!“. Einige wenige konnten wir finden. Viele fanden die Aktion überflüssig. Einge wollten mithelfen, haben sich aber nicht getraut, weil die Englischkenntnisse doch nicht so gut seien. Tja, schade, wir mussten die Erfahrung machen, dass unser „Crowd Translating“ auf Anhieb nicht funktionierte. Ich habe mir dann die Mühe gemacht, einige Passagen zu übersetzen und ich kann berichten, dass es mir doch einige Mühe gemacht hat. Ohne die Webseite http://www.linguee.de/deutsch-englisch in der man ganze Textpassagen übersetzt findet, hätte ich aufgegeben. Zunächst meine Fragen an Sie: Was halten Sie von der Idee, mit vielen Leuten, die sich dieses Übersetzung zutrauen, so ein Dokument schnell zu übersetzen und es für alle lesbar ins Netz zu stellen und hätten sie eine Idee, an wo man so ein Crowed trnaslating besser etablieren könnte. Mein Anliegen ist natürlich dieses CETA Dokument in einer sicheren übersetzten Version selbst lesen zu können. Können Sie mir mitteilen, ob eine solche Version bereits existiert oder bald herausgebracht wird. (Ich weiß, dass es viele Passagen in diesem Dokument gibt, die für den Protest gegen CETA bzw. gegen TTIP weniger relevant oder weniger spektakulär sind. Trotzdem wäre es toll, wenn eine übersetzte Fassung verfügbar wäre, damit man sich einen eigenen Eindruch von Vertragswerk machen kann.) Sie finden auf der o.g. Webseite eine Arbeitsplattform, auf der Sie das Dokument in sog. Pads Kapitelweise aufgeteilt finden. In einigen Kapiteln finden Sie abschnittsweise einige Übersetzungen. Wenn Sie Lust haben, können Sie sich das ja mal anschauen. (Hinweis: Man muss sich für das Login autentifizieren).
    Mit freundlichen Grüßen
    Dietrich Ostermann

  4. Und die Dummen sind wieder wir die Steuerzahler. Eine Schande ist das, dass noch Demokratie zu nennen. Egal ob TTIP oder CETA!

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