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Was war da los, Herr Woidke?

Die SPD-Brandenburg hatte geladen: “In diesem Sommer tourt Dietmar Woidke übers Land. Bei seinen Strohballen-Festen trifft er Land und Leute.” Doch nicht alle sind willkommen. Unser Flashmob gegen TTIP wurde von der Polizei in Brandenburg verhindert. Eine Posse.

Die SPD-Brandenburg hatte geladen: “In diesem Sommer tourt Dietmar Woidke übers Land. Bei seinen Strohballen-Festen trifft er Land und Leute.” Doch nicht alle sind willkommen. Unser Flashmob gegen TTIP wurde von der Polizei in Brandenburg verhindert. Eine Posse.

Um Brandenburgs Ministerpräsidenten Dietmar Woidke davon zu überzeugen, im Bundesrat gegen das Handelsabkommen TTIP zu stimmen, sind am Montag rund 30 Campact-Aktive ins ländliche Wittbrietzen gereist, einige von ihnen sind selbst langjährige SPD-Mitglieder. Das geplante Abkommen zwischen der EU und den USA ist wichtig für Brandenburg – und Brandenburg für das Abkommen: TTIP ist ein so genanntes “gemischtes Abkommen”, das heißt, es würde auch in Kompetenzen der Mitgliedstaaten eingegriffen, deshalb muss in Deutschland das Parlament, und damit auch der Bundesrat zustimmen. Einer der Bundesratsmitglieder ist Ministerpräsident Woidke, der auf Strohballen-Festen Land und Leute trifft – nun in Wittbrietzen.

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Wie schon im Vorfeld der Europawahl haben sich Campact-Aktive zum Flashmob verabredet, um Ministerpräsident Woidke zu zeigen, dass die Bürger/innen eine klare Positionierung gegen TTIP erwarten. Bei bestimmten Schlagwörtern halten wir Schilder in die Luft mit der Aufschrift “TTIP stoppen”. Eine kurze Aktion, wenig störend. Doch anders als bei den bisherigen Flashmobs, stellte sich uns in Wittbrietzen die Polizei in den Weg. Die Wahlkampf-Veranstaltung sei nach Aussage der Gemeinde eine Privatveranstaltung, TTIP-Kritik unerwünscht.

Wir waren verwirrt. Kann eine Veranstaltung, zu der öffentlich auf der Seite der SPD Brandenburg eingeladen wird, überhaupt privat sein? Oder gilt die Einladung nur zum braven Zuhören, so lange niemand seine Meinung äußert? Zwischenrufe sind ja sogar im Bundestag üblich und wir wollten nicht mal rufen, sondern nur Schilder hochhalten. Fragen über Fragen und niemand da, um sie zu beantworten.

Diskussion? Meinungsfreiheit? Fehlanzeige!

Wir suchten das Gespräch und trafen uns im Beisein der Polizei mit dem Veranstalter. Offenbar hatte die örtliche SPD Angst vor Randalierern. Wir und randalieren? Na gut, man kann sich ja mal irren. Trotz Erklärung unsererseits, dass wir nur ruhig ein paar Schilder hochhalten, drohten sie uns aber mit Anzeige und Bußgeld. Ein starkes Stück, fanden wir.

Noch größer war unser Staunen aber, als wir – rein privat versteht sich – zum Strohballenfest gingen, wo Herr Woidke seine Rede halten sollte. Direkt neben der Bühne hatte die FDP einen kleinen Stand aufgebaut, wo sie auf Plakaten gegen die Nutzung von Windkraft protestierte. Einige unserer Aktiven, die T-Shirts mit Aufdruck gegen eine dritte Startbahn am Flughafen BER trugen, wurden hingegen sogar von einer Polizeikette aufgehalten, obwohl uns explizit nur Plakate verboten worden waren.

Also Protest gegen Windkraft: ja – Protest gegen TTIP: nein?

Fassen wir zusammen: die SPD Brandenburg lädt im Internet zu einer Wahlkampfveranstaltung. Mit dabei: zwei Einsatzwagen plus zwei Busse mit gepanzerten Polizeikräften. Später wird daraus eine Privatfeier. Die FDP ist willkommen, vor Ort gegen Windkraftanlagen zu protestieren, Campact-Aktiven wird hingegen mit Anzeigen gedroht, wenn sie gegen TTIP Schilder in die Luft halten wollen. T-Shirts sind zwar zuerst OK, später wird aber gegen unliebsame Textilien eine Polizeikette errichtet.

Nach seiner Rede suchten wir das Gespräch mit Herrn Woidke. Der schien uns gar nicht so sehr zu widersprechen. Bei seiner Runde durch die Bierbänke ließ er sich als allererstes an einem Tisch nieder, an dem zufälligerweise ein paar Campact-Aktive saßen. Man kam schnell ins Gespräch. Campact-Aktive Evelin: „Der Herr Woidke war sehr nett zu mir. Er wüsste, dass es vielerlei Bedenken gebe und dies, obwohl niemand überhaupt eine Ahnung hätte, was das Abkommen enthielte und daher wären diese Bedenken sicherlich in den meisten Punkten völlig übertrieben oder unbegründet. Er jedenfalls würde alles sehr genau im Auge haben. Die SPD würde niemals zu irgendetwas ihre Zustimmung geben, wenn die Demokratie dadurch gefährdet werden könnte.“ Nanu? Öffentlich TTIP-Gegnern mit Anzeige drohen, im Kleingruppengespräch sich aber auf deren Seite schlagen?

Das würde ja zumindest einen Teil der Widersprüche aufklären: Wissen die Genossen in Wittbrietzen vielleicht noch gar nicht, dass ihr Spitzenkandidat gegen TTIP ist? Und dass sie Bürger/innen von ihrem Strohballenfest ausschlossen, die von Woidke nur erwarten, dass er seine Anti-TTIP-Position öffentlich und verlässlich äussert?

Update vom 8. August 2014

Wir haben uns mit unserem Campact-Anwalt für Versammlungsrecht beraten und fühlen uns bestätigt. Das Vorgehen von Polizei und Veranstaltern vor Ort entbehrt jeder rechtlichen Grundlage, denn:

  • Eine Veranstaltung gilt als Versammlung, wenn sie „auf die Teilhabe an der öffentlichen Meinungsbildung gerichtet“ ist (BVerfG, 1 BvR 1190/90, Abs. 1). Das gilt auch für eine als Strohballenfest „mit leckere(n) Grillspezialitäten und Getränke(n)“ beworbene Wahlkampfveranstaltung, auf der ein Spitzenkandidat und andere Parteimitglieder auftreten.
  • Eine Versammlung ist öffentlich, laut Versammlungsgesetz darf daran jedermann teilnehmen (§1 Abs. 1 VersammlG) – sogar wenn sie auf privaten Grund stattfindet . Und teilnehmen wollten wir – mit unseren Schildern.
  • Von einer Versammlung ausgeschlossen werden dürfen nur Personen, die durch eine grobe Störung die ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung verhindern. Einfach nur Schilder hochhalten ist sicher nicht dazu geeignet, das zu verhindern. Was eine „grobe Störung“ ist, liegt überdies im Ermessen der Polizei, nicht in dem des Veranstalters. Anderslautende Meinungsäußerungen sind als Teil einer Versammlung ausdrücklich erlaubt: „Das Grundrecht schützt jeden Deutschen, der sich daran beteiligen will. Beteiligung setzt zwar keine Unterstützung des Versammlungsziels voraus, sondern erlaubt auch Widerspruch und Protest“ (Urteil des Bundesverfassungsgerichts: BVerfG 84, S. 203ff.).

All diese Dinge werden wir dem SPD-Landesverband Brandenburg mitteilen und fragen, warum mit friedlichen – wenn auch kritischen – Teilnehmern einer Versammlung so umgegangen wird. Wir halten Euch auf dem Laufenden.

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16 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. warum soll er im „Biertischgespräch“ überhaupt gegen das TTIP gewesen sein. Für mich bedeutet das, was er dort gesagt hat: „Ihr einfachen Leute habt doch eh keine Ahnung worum es da geht, laßt mich das mal entscheiden. Ich weiß es schließlich besser… “
    Zitat: “ …vielerlei Bedenken gebe und dies, obwohl niemand überhaupt eine Ahnung hätte , was das Abkommen enthielte und daher wären diese Bedenken sicherlich in den meisten Punkten völlig übertrieben oder unbegründet

    Typisches Politiker gelaber, wenn man den Leuten suggerieren will, man habe doch nur ihr bestes im Sinn um dann doch nach irgendwelchen Lobby-Interessen zu entscheiden!!!

  2. wenn es eine Privat-Party war, dann sollte der Veranstalter auch für den Polizei-Einsatz zahlen. Hat er das nicht getan, war es wohl auch keine Privat-Party, und man sollte überlegen, ob man die Androhung der Anzeige für das Hochhalten von Schildern nicht als Nötigung zur Anzeige bringen kann.
    Irgendwas ist faul im Lande Brandenburg.

  3. Einige unserer Aktiven, die T-Shirts mit Aufdruck gegen eine dritte Startbahn am Flughafen BER trugen [….]

    Danke für den Lacher am frühen Nachmittag

    • Hallo Mirko,
      ich sah Euch da stehen mit den T-Shirts gegen eine 3. Startbahn am Flughafen und habe mich gefreut – dachte aber keinen Moment dran, dass Ihr Campact-Aktive wärt. Sondern Teilnehmer einer eigenen Bürgerinitiative, die hier eine wichtige Meinungsäußerung leibhaftig präsentieren. Und ich meinte noch zur Tischnachbarin, ob unsere Aussage gegen TTIP in Form eines T-Shirts wohl hätte hier auftreten dürfen?
      Vielleicht hat Sascha Collet einfach ein großes, übervolles Herz, dass er Euch eingemeindet hat als Campact-Aktive. Etwas Schlechteres möchte ich mir einfach nicht vorstellen. Ich bin seit Anfang 2014 Campact-Aktive und fand unsere Aktionen bisher alle gut. Am 4.8. war ich allerdings erstmalig mitten unter vielen Bürgern und freute mich so besonders auf unseren politischen flashmop. Im Berliner Regierungsviertel begegnen uns bei den Aktionen nur vereinzelte Touris, die Bevölkerung erfährt davon nur über die Medien. Ob auch deshalb so wenige Polizisten dabei sind?

  4. Also ich war am 04.08.14 mit vor Ort und schon sehr verwundert was für eine Provinzposse wir dort erlebten. Ich möchte hier auch nicht die Gedanken meiner Vorredner wiederholen, denen ich ausnahmslos zustimmen kann. Aber einen Gedanken möchte ich noch ergänzen.

    Wenn der Veranstalter eine Privatveranstaltung von der Polizei absichern lässt, müsste er den Einsatz dann nicht bezahlen? Ich bin kein Jurist aber manchmal kommt es mir so vor als würde man sich in diesem demokratischen Land ohne diese Qualifikation kaum noch auf seine verbrieften Grundrechte öffentlich berufen können. Diese abgegrenzte „Schönwetterlaune“ der Veranstalter/Politiker erinnert mich zunehmend an die Zeiten vor 1989. Wohin soll das noch führen, wenn das Demokratieverständnis unserer Politiker und Volksvertreter eine so niedrige Reizschwelle hat? Besonders tragisch in diesem Zusammenhang finde ich, dass es die SPD betrifft.

    Aber Meinungen und Menschen kann man eben nicht verbieten, höchsten ignorieren. Das ändert aber nichts an der Entschlossenheit politische Entscheidung, die uns alle betreffen werden von Anfang an verstehen zu wollen und ggf. mit entscheiden zu wollen. Zumal es sich bei TTIP um Entscheidungen handeln wird, die bei Strafe unumkehrbar sein werden. Und deshalb sollen wir uns in keinem Fall entmutigen lassen!

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