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Merkels-Geheimumfragen: Die Regierung fragt, der Steuerzahler zahlt

Das Bundespresseamt gab jährlich 2 Mio. Euro für Umfragen aus - die außer ihr keiner sehen darf.

„Wissen ist Macht“, ist ein Satz, der stets gerne Kindern vorgebetet wird. Im Fall der aktuellen Debatte um die geheimen Meinungsumfragen aus dem Bundespresseamt kommen einem diese Worte nur allzu bereitwillig in den Sinn. Der Verdacht liegt nahe: Hier wurde mit Steuergeld Parteipolitik und damit auch Machterhalt finanziert. Wir stellen heute eine Anfrage nach dem Informationsfreiheitsgesetz, um auch aktuelle Meinungsumfragen im Auftrag der Bundesregierung einsehen zu können. Und wir wollen, dass die Daten für alle zugänglich gemacht werden. Denn es liegt der Verdacht nahe, dass die Umfragen benutzt wurden, um Kommunikations-Strategien gegen Bürgerprotest zu entwickeln, beispielsweise beim Atomausstieg.

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Das Bundespresseamt hat unter Bundeskanzlerin Merkel jährlich 2 Millionen Euro Steuergeld in die Erstellung von Meinungsumfragen gelenkt. Das bedeutet im Klartext: 150 Umfragen pro Jahr, drei Umfragen pro Woche. Doch die Ergebnisse hütete die Bundesregierung bislang wie ein Geheimnis. Der Umfang des Statistikbergs, den der Grünen-Politiker Malte Spitz herausgeklagt hat, ist enorm.

Netzpolitik, Sozialabbau, Energiewende, Migration, Rüstungspolitik, Steuergerechtigkeit, Überwachung und Bildung: Es gibt kaum ein politisch diskutiertes Thema, das in der Liste der Geheim-Umfragen aus dem Bundespresseamt nicht vorkommt. Eine Meinungsumfrage kostet je nach Auftraggeber pro Frage einen niedrigen vierstelligen Betrag. Pro Umfrage werden meist mehrere Fragen zu einem Themenbereich gestellt. 2012 und 2011 führte das Bundespresseamt aus Steuergeldern mehrere Sondierungen der öffentlichen Meinung zur Energiepolitik durch. Material, das deutlich macht, mit welcher Formulierung man am geschicktesten in der Öffentlichkeit dem Protest den Wind aus den Segeln nimmt.

In einem neuen Spiegel-Online Artikel über die geheimen Umfragen der Kanzlerin heißt es:

„Wenige Monate vor der Laufzeitverlängerung ließen Merkels Leute unterschiedliche Begrifflichkeiten testen. So wurde in einer Emnid-Umfrage vom März 2010 die persönliche Einstellung der Befragten zur „Kernkraft“ und dann zur „Atomkraft“ erhoben. In der Zusammenfassung für die Kanzlerin stellte der damalige Regierungssprecher Ulrich Wilhelm fest, dass der Begriff „Atomenergie“ negativer besetzt sei als der Begriff „Kernenergie“, die Ablehnung liege bei 58 beziehungsweise 48 Prozent.“

Seit mehr als einem Jahr nun schon versucht die Bundesregierung den NSA-Skandal auszusitzen. Gerne mit dem Verweis darauf, dass die Bürger sich nicht für das Thema interessieren würden. Im Juni 2014 gab Campact schließlich eine repräsentative Umfrage beim Meinungsforschungsinstitut Emnid in Auftrag. Wir ließen fragen, wie die Bevölkerung zu einem Aufenthaltsrecht für Edward Snowden und dem Umgang der Bundesregierung mit dem NSA-Skandal steht. Die Ergebnisse sprachen für sich: Sogar eine Mehrheit der SPD-Anhänger befürwortete eine Anhörung von Snowden in Deutschland. Die Ergebnisse veröffentlichten wir, damit auch andere Nichtregierungsorganisationen und gemeinnützige Vereine sowie die Presse auf die statistischen Daten zugreifen können. Aus eigener Erfahrung können wir also sagen: So eine Veröffentlichung ist urheberrechtlich kein Problem – die Nutzungsrechte liegen ganz bei uns.

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Die Opposition kritisiert eine Benachteiligung im politischen Wettbewerb. Doch welchen Grund gibt es, dem Bürger diese Umfragen vorzuenthalten, wenn doch offensichtlich Politik damit gemacht wird? Ist es nicht ebenso Aufgabe der Zivilgesellschaft, Politik mitzugestalten? War der Atomausstieg der einzige Bereich, in der die Bundesregierung Begriffe testen ließ, die Hinweise für Strategien gegen den Protest der Bürger ergaben? Es bestehen gute Gründe, das anzuzweifeln. Im Jahr 2012 beteiligte sich Campact an dem Bündnis „UmFAIRteilen“, das nach der Finanzkrise für eine gerechtere Sozialwirtschaft auf die Straße ging. Jetzt kommt raus: Im selben Jahr fragte die Bundesregierung allerhand Einstellungen zur Sozialpolitik und Besteuerung ab. Doch die Ergebnisse der aus Steuergeldern finanzierten Umfragen blieben unter Verschluss. Dabei teilt das Interesse von gemeinnützigen Organisationen an den Umfragen aus dem Bundespresseamt auch die Wissenschaft.

Dieser Misstand kann durch eine Offenlegung aktueller Umfragen behoben werden. Vereine und Bürger haben ein berechtigtes Interesse, auf aktuelle Umfragen im Auftrag der Bundesregierung zugreifen zu können. Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, warum diese unbezahlbaren Dokumente der Zeitgeschichte nicht für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Schließlich wurden sie auch von der Öffentlichkeit finanziert. Selbstverständlich können die Union und auch die SPD nach belieben Umfragen im Parteiinteresse in Auftrag geben und aus Kalkül unter Verschluss halten. Doch hier geht es um Steuer- und nicht um Parteigelder. Das Bundespresseamt ist kein Parteiorgan – weder der SPD noch der Union.

Die Gepflogenheit, die exklusiven aus Steuergeldern finanzierten Umfragen der Öffentlichkeit vorzuenthalten, ist nicht zeitgemäß. Und für die von Kürzungen gebeutelte Wissenschaft, für Non-Profit-Organisationen und jeden einzelnen Bürger ist sie ein Schlag ins Gesicht.

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Autor*innen

Katharina Nocun ist studierte Ökonomin und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der technologischen Revolution auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie engagiert sich in der digitalen Bürgerrechtsbewegung für eine lebenswerte vernetzte Welt. Sie war 2013 Politische Geschäftsführerin und Themenbeauftragte für Datenschutz der Piratenpartei Deutschland und arbeitete als Referentin und Campaignerin u.a. für den Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Campact e.V. und Wikimedia Deutschland e.V.. Katharina Nocun ist Botschafterin für die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied im Beirat des Whistleblower-Netzwerks und bloggt regelmäßig unter www.kattascha.de. Folge Katharina auf Twitter: @kattascha Alle Beiträge

20 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Merkel hat die nazistische Regierung unterstützt,und wir sollen jetzt grade stehen,wenn sie will kann aus eigene Tasche zahlen

  2. Wenn Meinungsumfragen aus Steuergeldern bezahlt werden, dann sollten sie veröffentlicht werden.
    Wer zahlt, der bestimmt! D.h. dann: Nicht die Bundeskanzlerin oder sonst irgendein politisch Verantwortlicher o.dgl., sondern das Volk, es hat demnach das Recht auf Veröffentlichung.

    Und außerdem sagen (Online)-Petitionen, Demonstrationen oder Proteste auf der Straße sehr viel mehr aus: Es ist gewissermaßen die Stimme aus dem Volk, wenn sich vor allem Tausende daran beteiligen …
    Darauf sollten politisch und auch wirtschaftlich Verantwortliche eherr hören!

    Diese Demonstrationen oder sonstige Veranstaltungen haben doch mehr Aussagekraft als irgendwelche anonyme Meinungsumfragen. Letztere können leicht manipuliert werden.
    Aber Demonstrationen o.dgl. doch nicht und sind zudem live.
    Frau Merkel sollte wirklich lieber auf die offene Stimmung im Volk hören und nicht die Steuergelder für höchst fragwürdige Meinungsmfragen verplempern.
    Dann lieber die Steuergelder für Sozialleistungen, Bildung o.dgl. mehr ausgeben!
    Dann täte sie bestimmt wirklich etwas Gutes …

    Aber was hat die Merkelregierung bisher seit 2005/2006 geleistet?!
    Hat sie für soziale Gerechtigkeit gesorgt – durch Steuerreform u.a.?
    Und was ist mit der Umverteilung von OBEN nach UNTEN?
    Die Politiker tun doch kaum etwas für die soziale Gerechtigkeit im Volk – und wenn,
    dann sind es nur kleinste Tröpfen auf heißem Stein, die schnell verpuffen. Im Grunde ist das nur Aktionismus, um einige wenige hierzulande zufriedenzustellen.
    Und viele lassen sich ja leider Gottes allzu viel gefallen, zudem scheinen sie sich auch leicht mit „Brot und Spielen“ ruhigzustellen … Konsum in vielerlei Bereichen ist eben alles!
    In WAHRHEIT wird doch kaum etwas Grundlegendes bewegt, damit ENDLICH mehr soziale Gerechtigkeit zum Tragen kommt!
    Wenn es aber um die so genannte Dritte Welt geht, da spricht man plötzlich von Würde, Menschenrechten, soziale Gerechtigkeit usw. und mahnt quasi mit erhobenem Zeigefinger an –
    in Richtung der dortigen Regierungen.
    Ich denke, die Bundesregierung sollte erst einmal hier vor der eigenen Haustür kehren …

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