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Dreist: Angeklagter Banker erpresst Österreich mit Investorenklage

Manchmal gibt es Dinge, die verschlagen selbst dem Hartgesottensten die Sprache. Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine österreichische Bank wegen Verdacht des Betrugs, der Untreue und der Abgabenhinterziehung. Jetzt dreht die Bank den Spieß um und klagt vor einem internationalen Schiedsgericht - auf 200 Millionen Euro Schadensersatz. Was dahinter steckt und warum dieser Wahnsinn Methode ist.

Wir sind ja einiges gewohnt an Dreistigkeit von Konzernen. Doch manchmal gibt es Dinge, die verschlagen selbst dem Hartgesottensten die Sprache. Die Wiener Staatsanwaltschaft ermittelt gegen eine österreichische Bank wegen Verdacht des Betrugs, der Untreue und der Abgabenhinterziehung. Jetzt dreht der Bankier den Spieß um und klagt vor einem internationalen Schiedsgericht – auf 200 Millionen EUR Schadensersatz. Was dahinter steckt und warum dieser Wahnsinn Methode ist.

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Solche Schiedsgerichtsklagen werden mit durch die CETA- und TTIP-Abkommen der EU mit USA und Kanada für zehntausende weiterer Konzerne möglich werden. Doch erst mal der Reihe nach…

Die Meinl Bank ist eine österreichische Privatbank mittlerer Größe. Bereits 2007 nahm die Wiener Staatsanwaltschaft Ermittlungen gegen sie auf: wegen Untreue, Betrug und Abgabenhinterziehung. Das Verfahren ist verwickelt und zog sich hin (Details hier), doch nun wird es eng für die Verantwortlichen. Gegen den Bankier Julius Meinl und weitere Bankdirektoren ist Anklage erhoben worden. Selbst der “Weisenrat” des Justizministerums, eingerichtet um jegliche politische Einflussnahme auf die Staatsanwaltschaft auszuschliessen, hat der Anklage zugestimmt.

In einer atemberaubenden Retourkutsche hat nun Bankier Meinl zurückgeschlagen: Er verklagt Österreich vor einem internationalen Schiedsgericht auf 200 Millionen Euro Schadensersatz – weil die Anklage den Wert seiner Bank schmälert.

Konkret wolle die Gesellschaft Beleggingsmaatschappij Far East B.V., gestützt auf ein Investitionsschutzabkommen zwischen der Republik Österreich und Malta, die Republik verklagen.

Laut Firmenbuch ist die Far East B.V. eine Gesellschaft in den Niederlanden. Sie hält 99,992 Prozent an der Meinl Bank, den Rest hält die Julius Meinl Versicherungsservice & Leasing Gesellschaft m.b.H. Diese GmbH gehört laut Firmenbuch zu einem Drittel Thomas Meinl, zu zwei Dritteln Julius Meinl V. Laut Auskunft der Meinl Bank gehört die Far East B.V. einer Muttergesellschaft N.V. Far East mit Sitz in Curacao. Laut Medienberichten sind die zwischengeschalteten Gesellschaften Briefkastengesellschaften, die Meinl Bank sei letztlich dem Banker Julius Meinl V. zuzurechnen. (Quelle: ORF).

Kein Einzelfall: die Klagen mehren sich

Ein abenteuerliches Konstrukt, das aber in der Finanzwelt gar nicht so selten ist. Damit ist es möglich, dass nun ein österreichischer Bankier gegen Österreich nicht auf der Grundlage österreichischen Rechts vor dortigen Gerichten klagt, sondern auf der Basis eines Investitionsschutzabkommens zwischen Malta und Österreich – vor einem internationalen Schiedsgericht aus Wirtschaftsanwälten. Das ist kein Einzelfall, ähnliche Fälle gibt es z.B. auch bei Klagen gegen Rumänien (Micula) und Kanada (Lone Pine).

„De facto klagt damit Julius Meinl die Republik Österreich auf 200 Millionen Euro, weil diese ein Verfahren gegen seine Bank wegen einer Reihe von vermuteten Vergehen im Zusammenhang mit Meinl European Land – etwa wegen Untreue, Betrug oder Abgabenhinterziehung – führt“, erklärt der Wirtschaftssprecher der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ), Christoph Matznetter.

Top-Kanzlei soll für Top-Klage sorgen

Die Meinl Bank greift für die Schiedsgerichtsklage tief in die Tasche und beauftragt die Top-Kanzlei Squire Patton Boggs. Diese Kanzlei zählt zu den wichtigsten 100 Schiedsanwaltskanzleien, und zugleich einer der wichtigsten Washingtoner Lobbyfirmen.

Allein die Aussicht auf ein kostspieliges und in seinem Ausgang unvorhersehbares Schiedsgerichtsverfahren soll der österreichischen Justiz nun den Schneid abkaufen. Bei soviel Dreistigkeit hilft eigentlich nur noch schwarzer Humor: Vielleicht hat sich Julius Meinl ja von den Satire-News der heute show inspirieren lassen?

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Doch zurück nach Deutschland: Was bedeutet das für die Auseinandersetzung um die Handelsabkommen TTIP und CETA? In beiden Abkommen ist die Konzernjustiz verankert. Sie wird die Tür zu Schiedsgerichtsklagen für zehntausende Konzerne öffnen. Auch das EU-Singapur-Abkommen, das nach dem Willen der EU-Kommission jetzt ratifiziert werden soll, würde gerade den dort ansässigen Finanzkonzernen eine Flut solcher Klagen ermöglichen. Doch noch ist Zeit die Notbremse zu ziehen! Allen diesen Abkommen müssen Europaparlament, Bundestag und Bundesrat zustimmen.

Sigmar Gabriel will Sonderklagerechte für Konzerne durchsetzen

Vor wenigen Wochen hat Sigmar Gabriel seinen Widerspruch gegen die Konzernjustiz im Kanada-EU-Abkommen CETA fallen gelassen. Ob ihm die SPD da folgt? Hören wir noch einmal den Wirtschaftssprecher der österreichischen Sozialdemokraten (SPÖ), Christoph Matznetter: „Diese in der Geschichte der Republik einmalige Vorgangsweise zeigt, dass Investitionsschutzabkommen mit Sonderklagerechten für Konzerne grundsätzlich fragwürdig sind, und es zeigt vor allem, dass keinesfalls neue derartige Abkommen, wie es etwa in TTIP vorgesehen ist, abgeschlossen werden dürfen.“ Denn hier, so der Sozialdemokrat weiter, werde versucht, „Investorenschutz für Spekulationsschutz zu missbrauchen“.

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Über 1,2 Millionen Europäer sind schon gegen TTIP und CETA. Der österreichische Bundeskanzler Werner Faymann hat sich auch klar gegen die Schiedsgerichte in TTIP ausgesprochen. Merkel und Gabriel sollten ihm – und uns – gut zuhören.

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Autor*innen

Jörg Haas, Jahrgang 1961, war Campaigner bei Campact. Nach einem Berufseinstieg in die Entwicklungszusammenarbeit in einem Regenwaldprojekt in Ecuador war er lange Jahre als Ökologiereferent für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig. 2008 wechselte er als Programmdirektor zur European Climate Foundation. Intensives Engagement in den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Ohne öffentliche Mobilisierung fehlt jedoch der Handlungsdruck - daher der Wechsel zu Campact, zuerst als Pressesprecher, dann als Campaigner. Alle Beiträge

20 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Deswegen sollte man, nein MUSS man ENTSCHIEDEN gegen TTIP, CETA und auch TISA sein!
    Die Elite in Wirtschaft will für sich sein, sie lässt sich nicht in die Karten schauen – weder von der Politik noch von den Bürgern, von letzteren schon gar nicht, dem allgemeinen Volk.
    Die Schiedsgerichte darf es nicht geben, nämlich innerhalb der Industriestaaten (z.B. USA, Kanada, EU …). Früher mag es wohl einen berechtigten Grund gegeben haben, und zwar in politisch labilen Ländern, doch zu diesen zählen die o.a. Staaten ganz und gar nicht!
    Was da jetzt z.B. in Österreich passiert, finde ich irgendwie schon kriminell seitens des besagten Bankers, zumindest vollkommen unethisch und amoralisch.
    Und dann lässt er sich von einer US-Anwaltskanzlei im Schiedsverfahren vertreten. Das sagt doch m.E. alles!

  2. TTIP und CETA dürfen nicht passieren, sonst sind wir alle am Allerwertesten! Noch mehr billiglöhne wie bei z.B. bei einem Internetversender, sehr viele mittelständische Unternehmen werden in die Insolvenz gezwungen bis nur noch die großen Unternehmen übrig sind und über kurz oder lang wird es so viele Arbeitslose geben wie noch nie in Deutschland. Die Leute werden gezwungen sein die billig Jobs anzunehmen um überleben zu können, also Zustände wie 1945 nach dem Krieg, nur das es kein Wirtschaftswunder geben wird. Die Politiker müssen zusehen wie die Konzerne die Macht übernehmen. Die ersten Anzeichen sind schon da oder warum hat wohl z.B. Google so viele Unternehmen die Militärtechnik wie Kampfroboter oder auch Drohnen herstellen aufgekauft? Wir wissen doch was z.B. in Nordkorea unter einer Militärdiktatur los ist nur arm und reich und wer nicht gehorcht wird ausgelöscht! Verschwörungstheorien, nein liebe Mitmenschen weit gefehlt, willkommen in der Realität!

  3. Dieser Artikel trieft nur so von Empörungsgeilheit und Einseitigkeit.

    1) Nur weil Meinl vor einem Schiedsgericht klagt, bekommt er noch lange nicht Recht. Jeder Mensch kann überall gegen jeden klagen, über die Erfolgsaussichten sagt das nichts aus. Schiedsgerichte zahlen gerade mal drei Prozent der eingeklagten Summen aus. Mehr als jede dritte Klage wird nicht ein mal angenommen. Ob die Klage hier zugelassen wird, darüber steht nichts im Artikel. Würde man darauf hinweisen, könnte man ja sich nicht mehr so selbstgerecht empören.

    2) Die Klagemöglichkeit vor Schiedsgerichten gibt es mit gutem Grund. So können Unternehmen Schadenansprüche stellen, wenn sie von staatlicher Justiz willkürlich verfolgt werden. Auch wenn das bei Meinl nicht der Fall ist, wissen wir das erst, wenn der Prozess gegen Meinl beendet ist. Noch ist niemand schuldig, auch wenn den Autor selbst die Unschuldsvermutung einen feuchten Kehricht interessiert.

    3) Die gleichen Möglichkeit, die es ausländischen Unternehmern erlaubt, Österreich vor Schiedsgerichten zu verklagen, erlaubt es auch österreichischen Unternehmern im Ausland vor Schiedsgerichten zu klagen. Es gibt gute Gründe dafür Schiedsgerichte zu benutzen; bspw. weil wie in Italien sonst Verfahren auch mal locker zehn Jahre dauern oder in autoritären Staaten die Justiz nicht wirklich unabhängig ist.

    4) Das niemand meiner Vorkommentatoren sich auch nur ein bisschen kritisch äußert, zeigt wie sehr bei campact der Effekt der Filterbubble zuschlägt. Empörung statt differenzierter Betrachtung ist hier Trumpf.

    • Die Unschuldsvermutung gilt für Meinl genau so wie für jeden anderen. Der Artikel sagt auch nichts anderes. Doch gegen Justizwillkür gibt es im Rechtsstaat den Rechtsweg bis zum obersten Gericht. Und dieses oberste Gericht ist der Verfassung unterworfen. Das ist hart erkämpfte demokratische Verfasstheit. Schiedsgerichte die keiner demokratischen Verfassung unterworfen sind, haben in einer Demokratie nichts zu suchen.

    • Herr Klaus,

      Sie kommen durch eine eigenartige Argumentation zur Legitimation der sogenannten Schiedsgerichte. Sie führen Dysfunktionen nationaler Rechtssysteme an, wie die Verschleppung von Gerichtsverfahren oder Einflussnahme interessierter Kreise auf den Ausgang des Verfahrens. Über solche Missachtung der Grundsätze eines Rechtsstaats kann man ja leider ständig lesen.
      Die sogenannten Schiedsgerichte sind aber kein Mittel, Rechtstaatlichkeit international durchzusetzen. Sie werden bestimmt nicht dazu führen, dass die Kleinbauern in Zimbabwe vor der Vertreibung durch einen regionalen Konzern geschützt werden und ihre Existenz verlieren. Angesichts der Machtverhältnisse und der Protektion des Investors durch die machthabende Clique ehemaliger Freiheitskämpfer wird kein örtliches Gericht aber auch kein Schiedsgericht einem Kleinbauern auch nur eine Entschädigung zusprechen. So weit so schlecht.
      Wenn, um im Beispiel zu bleiben, in Zimbabwe Recht gesprochen werden soll, dann muss im Land ein Rechtssystem entstehen, mit Gewaltenteilung und Gerichten, die unabhängig Recht finden und sprechen. Zimbabwe ist für mich ein extremes Beispiel, aber nicht wegen der Exotik. Auch in Deutschland und anderen EU-Ländern gibt es Fehlurteile, und darunter sind auch solche, die auf einen Einfluss der Politik schließen lassen, so z.B. das Verfahren gegen Max Strauß und das seltsame Verhalten der Augsburger Staatsanwaltschaft.
      Durch Öffentlichkeit, öffentliche Kritik und mögliche Verbesserung der Verfahren kann dagegen angegangen werden. Das Merkmal eines Rechtsstaats ist nicht, dass keine Fehlurteile ergehen, dass aber ein Instrumentarium geschaffen und weiterentwickelt wird, die Anzahl der Fehlurteile klein zu halten, ihre negative Wirkung zu begrenzen, und dass dies öffentlich und in öffentlicher Auseinandersetzung geschieht.
      Die Schiedsgerichte sind dafür nicht geeignet. Sie schaffen kein unabhängiges internationales Rechtssystem. Vielmehr wird eine Schattenjustiz geschaffen, die auf niedrigem zivilisatorischen Niveau einen Interessenausgleich zwischen Staaten, also legitimierten (wie auch immer) Normungs- und Rechtssystemen auf der einen Seite und wirtschaftlichen Interessen einer Minderheit, nämlich den Kapitaleignern, in den beteiligten Staaten. Konsequenterweise wird in den Schiedsgerichtsinstanzen die Rechtsfindung in die Hände von Personen gelegt, die zuerst der Minderheit und ihren Partikularinteressen verpflichtet sind.
      Dafür fehlt jede Legitimation, die an Demokratie oder Gemeinwohl auch nur orientiert ist.
      Deshalb ist diese Schattenjustiz überhaupt nicht geeignet, Fehler der Justiz zu korrigieren. Wenn Sie als Deutscher in Italien ein Haus kaufen, dann müssen Sie sich mit dem italienischen politischen System befassen und sich überlegen, ob Sie damit zurecht kommen. Wenn Ihnen das nicht gefällt, können Sie sich in Italien engagieren, aber nicht mit einem Schiedsgerichtsspruch das dortige System übersteuern.

      Ich möchte daher sogar anregen nach Ansätzen zu suchen, die Schiedsgerichte, die auf Partikularinteressen ausgerichtet sind, durch verbindliches Völkerrecht verbieten und ihre Beschlüsse für ungültig erkären. Das ist natürlich ein Ansatz, der viel Zeit braucht, aber durch die aktuelle Diskussion ist der Zeitpunkt, damit anzufangen, vielleicht günstig.

      Viele Grüße
      Thomas

  4. „Politik, die machen andere,Interessenverbände an deren Strippen hängen die Politiker und spielen uns auf der Berliner Puppenkiste Demokratie vor“ – Georg Schramm.
    Frau Merkel ist Geschäftsführerin der BRD Finanzagentur GmbH,und wir das Personal.Aber immerhin dürfen wir einen Betriebsrat (Bundestag)wählen. Oder wollt ihr jetzt doch lieber die blaue Pille?

  5. Sosehr ich eure Arbeit auch schätze, dieser Clip von der heuteshow ist weder lustig noch wirklich erklärend. Stattdessen erschiene mir Clip der das Prinzip der Schiedsgerichte erklärt passender.

    • Das stimmt so nicht. Caren Lay von der Linken ist Deutschlandweit unterwegs und versucht darüber aufzuklären und die EBI zu unterstützen. Die freien Wähler haben sich zudem auch klar gegen TTIP und CETA ausgesprochen.

    • Das ist [… moderiert wg. Verstoss gg Netikette …], was Sie da schreiben. Definieren Sie bitte „alle Parteien“. Wenn es für Sie nur CDU/CSU, SPD und FDP gibt sollten Sie mal ganz schnell google mit Suchwörtern wie Freie Wähler oder Linkspartei belästigen, durchlesen, fertig.

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