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Interview: Warum diese Aktivisten einen Bagger besetzen

Mit einer großen und friedlichen Aktion wollen hunderte Aktivist/innen für einen Tag einen Braunkohle-Tagebau lahmlegen. Im Interview erklärt Martin Weis, der Sprecher der Aktion „Ende Gelände“, warum das gerade diesen Sommer passiert, wie die Rechtslage dazu aussieht und wie ihr dabei sein könnt: Hier erfährst Du mehr über die Aktion…   Im August scheint sich die […]

Mit einer großen und friedlichen Aktion wollen hunderte Aktivist/innen für einen Tag einen Braunkohle-Tagebau lahmlegen. Im Interview erklärt Martin Weis, der Sprecher der Aktion „Ende Gelände“, warum das gerade diesen Sommer passiert, wie die Rechtslage dazu aussieht und wie ihr dabei sein könnt:

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Im August scheint sich die Auseinandersetzung um den Kohleausstieg zuzuspitzen. Mit der Kampagne „Ende Gelände“ wollt ihr mit einer Aktion Zivilen Ungehorsams protestieren. Warum findet die Aktion jetzt statt und was ist genau geplant?

Martin Weis: Die aktuelle halbherzige Klimapolitik – auch die deutsche – geht stramm auf eine globale Erwärmung von 4°C zu, das beschwört einen unbeherrschbaren Klimawandel herauf. Gleichzeitig ist Deutschland Weltmeister bei der Braunkohleverstromung und nutzt damit die klimaschädlichste Energiequelle überhaupt. Echter Klimaschutz heißt deshalb in Deutschland als erstes: Ausstieg aus der Braunkohle. Die Politik schreckt davor unter dem Druck der Braunkohleindustrie zurück. Also müssen wir selbst aktiv werden, mit einer – wenn auch symbolischen – Baggerblockade in einem Tagebau des rheinischen Braunkohlereviers. Wir werden mit hunderten Menschen einen Tagebau betreten und der Betreiber RWE wird nicht anders können, als die Bagger abzuschalten.

In einen Tagebau herabzusteigen, die Bagger zu blockieren und den Tagebau lahmzulegen – das klingt ziemlich gefährlich. Können nur erfahrende Aktivist/innen bei der Aktion teilnehmen. Und wie sorgt Ihr für die Sicherheit der Teilnehmer/innen?

Wir bereiten uns als Bündnis seit Monaten auf die Aktion vor und profitieren dabei von den Erfahrungen der letzten Jahre. 2014 waren schon einmal 200 Menschen im Tagebau, wir kennen inzwischen die sicheren Wege in die Grube. Wenn wir am Aktionstag dennoch ein schlechtes Gefühl haben, geht für uns die Sicherheit der Teilnehmer/innen vor. Allen die teilnehmen wollen empfehlen wir, sich bereits vor der Aktion als Gruppe zusammenzutun oder sich während des letzten Aktionstrainings am Freitag den 14. August auf dem Klimacamp einer Gruppe anzuschließen und darüber zu reden, was während der Aktion vorstellbar ist. Ein guter Rahmen dafür sind Aktionstrainings, bei denen geübt wird, wie man sich bei großen Aktionen zivilen Ungehorsams sicher bewegt.

Muss jede/r bis zum Bagger mitgehen?

Während der Aktion werden Gruppen immer wieder entscheiden können, wie weit sie gehen wollen. Unser Ziel sind die Bagger, aber es müssen natürlich nicht alle in der Baggerschaufel sitzen. Wer nicht mit in die Grube will, kann z.B auch an der Kante des Tagebaus stehen bleiben, dort protestieren und sich solidarisch mit den Menschen in der Grube zeigen.

Und was sagt das Gesetzt dazu? Birgt eine solche Aktion nicht erhebliche rechtliche Risiken?

Rechtlich gesehen betreten wir Privatgelände, das stellt potentiell einen Hausfriedensbruch dar. In den vergangenen Jahren hat der Betreiber der Tagebaue RWE das allerdings nicht weiter verfolgt, dann passiert auch nichts weiter. Wenn man sich vorher noch nichts hat zuschulden kommen, ist man selbst nach einer Verurteilung wegen Hausfriedensbruch nicht vorbestraft. Außerdem kann RWE theoretisch Schadensersatzsprüche für den Stillstand seiner Bagger oder Kraftwerke geltend machen. Dabei können auch Einzelne herausgegriffen werden und für alle anderen haftbar gemacht werden. Wir glauben, dass es dazu nicht kommen wird, denn dann müsste sich RWE politisch rechtfertigen. Und „Ende Gelände“ ist ein breit aufgestelltes Bündnis, das auch breite Unterstützung in der Zivilgesellschaft hat. RWE würde dabei also vermutlich nicht gut wegkommen. Und hier gilt: umso mehr an diesem Tag ein Zeichen gegen die schmutzige Braunkohle setzen, umso sicherer ist die Aktion für jede/n Einzlene/n von uns und die Hürde größer gegen „Ende Gelände“ juristisch vorzugehen.

Warum übertretet Ihr ein Gesetz? Es gibt doch viele Protestformen, die sich im legalen Rahmen bewegen und auch wirkungsvoll sind.

Wenn wir beim Klimawandel noch das Ruder rumreißen wollen, muss das bald passieren, sonst werden uns allein die in der Vergangenheit ausgestoßenen Emissionen über das 2°C Ziel hinausschieben. Wenn wir erfolgreich sein wollen, brauchen wir alle Taktiken, alle Mittel die uns zur Verfügung stehen, Demos, Petitionen, kreative Aktionen. Und wir glauben, dass es legitim ist, in dieser Situation auch bestimmte Gesetze zu übertreten. Es geht hier um wirklich viel, wir machen mit unserer Aktion klar, dass wir gewillt sind persönlich für eine bessere Politik einzustehen.

Wenn jemand an der Aktion teilnehmen will – wie bereitet er oder sie sich vor, wann sollte man da sein und was ist mitzubringen?

Als erstes sucht man sich Mitstreiter/innen mit denen es zur Aktion geht. Dann ein Aktionstraining in der eigenen Stadt besuchen oder zum Klimacamp ins Rheinland fahren, welches kurz vor der Aktion stattfindet. Wer alleine anreist hat auch am Freitag auf dem Camp noch Gelegenheit sich einer Gruppe anzuschließen und Menschen zu finden, die ähnlich in die Aktion gehen wollen. Dort gibt es auch Workshops mit rechtlichen Infos und Aktionstrainings. Spätestens am Freitag dem 14. August sollte man auf dem Klimacamp sein, um sich gemeinsam auf die Aktion vorzubereiten, das wichtigste Treffen dafür ist am Freitag um 17:00 Uhr auf dem Klimacamp. Ein Packliste findet sich auf ende-gelaende.org, robuste Kleidung und Schuhe sind auf jeden Fall wichtig, Wasser ebenfalls. Und dann kanns losgehen in die Grube.

Vielen Dank für das Interview!

Hintergrundinfo

Campact ist nicht Mitveranstalter der Aktion von „Ende Gelände“ und ruft als gemeinnützige Organisation auch nicht dazu auf. Wir streiten aber schon lange gegen Kohlekraft und berichten daher über die Aktion.

Auch wer noch nicht entschlossen ist, sich an der Aktion von Ende Gelände zu beteiligen – die Fahrt ins Rheinland lohnt sicht. In der Woche vor der Aktion findet ein großes Klimacamp und eine Postwachstums-Sommerschule statt, die Campact unterstützt.

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Autor*innen

Campaignerin- Lara Dovifat, Jahrgang 1990, hat Sozialwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin sowie in Russland, Litauen und der Ukraine studiert. Während ihres Studiums war sie u.a bei einer PR Agentur für nachhaltigen Konsum, SumofUs.org, dem ZDF sowie am Institut für Sozialwissenschaften im Bereich Stadtentwicklung und Gentrifizierung tätig. Die letzten Jahre hat sie in der Medikamentenkampagne von Ärzte ohne Grenzen in Berlin und Johannesburg gearbeitet. Darüber hinaus setzt sie sich für Menschenrechte & Pressefreiheit in Osteuropa und Belarus ein. Alle Beiträge

56 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich wünsche allen Teilnehmern viel Erfolg und hoffe, ich werde auch irgendwann einmal bei solchen Aktionen dabei sein können!
    Die Umwelt steht uns allen zu, nicht nur reichen Menschen!

  2. Wirklich Respekt vor Ende-Gelände-Aktion gegen die in direkter Wirkung mörderischste Energieform (Atom ebenso, aber zeitunbestimmt potentiell). Plädiere immer dafür, nicht von Umwelt- bzw. Klimaschutz, sondern Menschenschutz zu reden. Argumente gegen Verantwortliche (Verantwortungslose) müssten verschärft werden i.S. (ersetzbarer) Kohleeinsatz als eine Art Delikt fahrlässig in Kauf genommener Schädigung an Hab und Gut und Leben ins Bewusstsein treten zu lassen, weil Zusammenhang klar, dass Klimaextreme (vorrangig CO2-verursacht) immer häufiger auch Menschen zu Schaden, wenn nicht gar zu Tode bringen. Lara Dovifat: sollten, nur generell gesagt, nicht auch Konversionsprogramme (darunter soziale, sozusagen Jobverlust-Auffangprogramme, das bevorzugteste Atomlobby- und Poltitik-Killerargument) stärker thematisiert werden?

  3. Leider kann ich diesmal nicht dabeisein, aber ich wünsche allen, die sich trauen, viel Glück und Erfolg! Und uns allen, das der ganz normale Wahnsinn noch rechtzeitig zu bremsen oder zu stoppen ist.

  4. Viel Erfolg bei der Aktion! Es ist m.E. wirklich dringend erforderlich, daß die Erschließung alternativer Energiequellen auch von den Politikern endlich mit Taten und nicht nur mit leeren Versprechungen unterstützt wird.

    • Es mag Politiker geben, die auch dann, wenn sie mitregieren, noch „normal“ empfinden und denken können. Wenn ich aber an Gabriel denke, sehe ich nur noch einen beflissenen Mitmacher, der vergessen hat, welcher Partei er vorsteht. Es ist so traurig zu sehen, dass die Menschen, wenn sie an die Macht kommen, anscheinend ihr Gewissen auf Eis legen oder sich von den Lobbyisten einlullen lassen. Mensch Meier, gebraucht doch den gesunden Menschen-verstand! Jeder weiß doch, dass es so nicht weitergehen kann. Also, warum seid Ihr gewählt worden? Um dem Volk zu dienen und dessen Wohl im Auge zu haben, nicht Euer eigenes. Ich könnte verzweifeln wegen der Kurzsichtigkeit unserer Regierenden. Es wird sich aber leider nichts ändern, egal was wir wünschen oder machen oder wen wir wählen.

  5. Kann allenfalls SA + SO kommen. Gibt es eine SAN-Staffel die auf Hilfegesuche aus der Grube bereit steht um erste Hlfe zu leisten oder kalkuliert man da die regulaeren Kraefte von RWE ein?
    Es werden sicher ein paar Aerzte dabeisein die mit weissem Kittel ein Zeichen fuer Neutralitaet und Hilfsbereitschaft setzen koennen. Ich sehe da vergleichbares zur IPPNW, es ist gleich elend am Strahlentod oder durch die kommende Klimakatastrophe zum Leiden gezwungen zu sein. Zwingen? Das bewerkstelligt unsere Unwissenheit und Mangel an Disciplin.
    Mit sonnigen Gruessen Lippok

    • Hallo Lippok,
      wenn Sie mit Vornamen Heinz heißen und in Duisburg gewonnt haben, kennen wir uns
      durchs Mercator-Gymnasium. Wenn nicht, bitte nicht antworten.
      M.f.G.
      Wilfried Jaskulski

  6. Richtig, wer kämpft, der KANN gewinnen!
    Wer aber NICHT kämpft, der hat SCHON VERLOREN!
    Es geht um ALLES, um JETZT und die ZUKUNFT.
    Vorbei mit der Gemütlichkeit, es ist schon lange nach 12 Uhr. Mit ihrem Zögern und Zaudern und ihrer Hinhaltetaktik – seit wie vielen Jahren (!) – zugunsten der Wirtschaft allgemein macht die Politik schließlich unsere Zukunft und die vieler Generationen nach uns kaputt — und das alles wegen der Profitgier seitens der Wirtschaft.
    Unser Planet Erde soll doch noch für uns ALLE lebenswert sein – und bleiben!

    • Hallo Marina,
      Dein Aufruf vom 28.07.15
      „Richtig, wer kämpft, der KANN gewinnen!
      Wer aber NICHT kämpft, der hat SCHON VERLOREN!….u.s.w.“
      gefällt mir sehr gut und ich möchte Dich bitten, mir zu erlauben, diesen Text zur Motivation meiner Freunde zu verwenden, denn viele wollen nicht mitmachen und sagen: „Was kann ich schon mit meinem Protest gegen die Zerstörung unserer Welt erreichen.“
      Gruß
      Marian

    • Das erinnert mich an Stuttgart 21. ich wünsche den Aktivisten viel Glück. Die Praxis zeigt, einmal scheitert so ein Projekt, einmal kommt durch. Wenn man auf die faule Haut liegt verliert man immer. Wenn man blockiert kann man gewinnen, auch wenn die Erfolgsaussichten noch zu gering sind.

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