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Frieden und Frisbee – Mit Flüchtlingen zum Elbstrand

Diese Geschichte zeigt, dass man für Flüchtlingshilfe nicht mehr braucht, als ein bisschen Mut:

Eine große Zahl von Flüchtlingen kommt jetzt in Deutschland an. Eine Welle der Hilfsbereitschaft und Anteilnahme geht durch das Land. Viele Menschen fragen sich, wie sie Geflüchteten helfen können. Die folgende, wunderbare Geschichte von Georg Möller aus Hamburg zeigt, dass es oft nicht viel mehr braucht, als Menschenfreundlichkeit und ein bisschen Mut. Sein Rezept: Einfach machen!

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Foto: Georg Möller

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Einfach machen

Einfach machen, haben Stefanie und ich gesagt, wir machen das einfach. Wir reden mit den Menschen die dort in den Messehallen zusammengepfercht sind und fragen nach 10 Kindern und den Eltern die dazu gehören.

Und dann: Einfach mal rausfahren, dort um die Ecke, wo Hamburg zärtlich ist zu seinen Menschen, wo Seelen baumeln können und doofe Gedanken den Fluss runter treiben, wie Altholz. Ein Telefonat versuchte uns zu bremsen. Wir wüßten ja nicht mal die Namen der Mitreisenden und wegen der Kinder und so, ginge das nicht so, da müssten wir Sachen ausfüllen. Wir wollten nix ausfüllen, wir wollten mit freien Menschen machen, was sie und was wir wollten, schon wegen der Kinder und so.

Stattdessen Garip angerufen, den Leiter des Elbecamp am Falkensteiner Ufer, mit einem Herz so groß wie der Schwedenstein, nur schmelzweicher. Der hat am selben Tag das Sommerfest in seinem Elbecamp, eine Veranstaltung die dort jede Hand braucht. Egal, sagt er, jetzt geht es in ganz Hamburg und weit darüber hinaus darum, dass wir beweisen, dass wir nicht nur das Land der Dichter und Denker sind, sondern auch etwas von Liebe verstehen. Der Liebe, von der man sagt, dass man sie nur erhält, wenn man sie verschenkt. Wir kommen rum, Garip, wieviel zusätzliche Menschen wäre den OK? Zehn, zwanzig kriegen wir hin, sagt er, und wenn’s es mehr werden, werden es mehr.

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Foto: Georg Möller

 

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Widerstände überwinden: Wir schaffen das!

Am nächsten Tag: Einmal um die Halle rumgehen, da auf der Treppe wo die Menschen sind. Und die Familien gefragt, die wir schon kannten von den Abenden davor. Den Abenden, wo viele Bewohner traurig und enttäuscht um bessere, ja menschenwürdige Bedingungen gebeten hatten. Und wenn wir nachgefragt haben, am nächsten Tag, nix besser geworden war.

Klar wollten sie mit an den unbekannten Elbstrand, ins unbekannte Elbecamp. Und das war mutig, denn Camp verbindet hier niemand mit Urlaub. Aber wir hatten gesagt, es wäre dort fein, dann würden sie es eben mal ausprobieren. Allerdings könnten drei Mütter mit Kleinstkindern nicht mitkommen, zu heiß für die kleinen Babies und einen Kinderwagen hat hier niemand. Niemand hat hier was nicht???

Die Kleiderkammer in der Messehalle B5, die von den besten Hamburgern der Welt permanent und zunehmend vollgefüllt wird mit Liebe und Geteiltem, mit tollen Sachen. u.a. eben auch mit Kinderwagen mit Sonnenschutz. Reingegangen, gefragt wer die Mütze aufhat: Können wir? Klar können wir. Danke Mützenmänner. Das hat genau dreieinhalb Minuten gebraucht.

Dann Hiobsbotschaft. Stefanie kann nicht mitkommen. Fällt nun das „einfach machen“ aus? Kein Stück, Omar und Hussein die Übersetzer sagen, wir schaffen das. Dann kommt Stefanie halt beim nächsten Mal mit.

Auf los geht’s los. U2 bis Schlump, dann U3 bis Sternschanze, vorbei an Mustafa Zeybeks Obstwagen, Blaubeeren und Melonen mitnehmen, S 31 bis Altona, ab in die S11 bis Blankenese, dann in den 189er Richtung Rissen. Kriegen wir alle mit? Sind 13 Kinder und 23 Eltern und Elternteile plus drei Kinderwagen, nicht vielleicht zuviel für so einen Vorortbus? Am Ende gehen alle rein, die Studenten, der Juwelier, der Barbier, der ehemalige Autohausbesitzer, die beiden Gastronomen, die Kindergärtnerin, die Mechaniker und all diese Biografien, von denen jeder mehr Kummer erlebt hat, als die meisten von uns zusammen.

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Foto: Georg Möller

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Kleine Gesichter voller Glück

Als wir die Endmoräne in Rissen runter an die Elbe laufen, erzählt Omar, von Ihrer Odysee durch den Libanon, durch die Türkei, mit dem Boot, das er „NoBoat“ nennt nach Griechenland. Ihre Irrfahrt durch ein chaotisches Mazedonien und die unfreundliche Reise in einem unfreundlichen Ungarn. Dort hätte es so ähnlich ausgesehen, wie hier. Dort sind sie neun Stunden am Stück gelaufen, erzählt er. Zum Jammern hätte keiner Zeit gehabt.

Ich denke, uiuiui, hoffentlich hab ich jetzt nicht doofe Erinnerungen freigekratzt und dann fahren wir auch noch ans Wasser.Ich sollte mich täuschen. Es wird ein großartiger Nachmittag, mit kleiner Gesichtern voller großem Glück, Gesichtern, die ich nicht vergessen werde.

Der vorsätzliche Gutmensch Garip reagiert auf 37 hungrige Mehrmenschen mit einem lächelnden Achselzucken. Sofort sind noch mehr Pommes und noch mehr Limo da, sind 18 Handtücher in den Wohnwagen gesammelt, eine Riesendecke von HulahoupSabine, vier Kinderbadehosen mit Seepferdchenabzeichen die heute nur schmücken und nix beweisen. Kinder vom Platz schleppen Volleybälle, Bocciakugel und Frisbeescheiben ran, KInder brauchen keine Sprache, Kinder brauchen Frieden.

Den Rest habe ich versucht in Bilder einzufangen. Geh gucken.

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Foto: Georg Möller

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Einfach machen kann jeder von uns

Was für ein Tag, was für eine Begegnung. Das kann jeder von uns und es ist eine einzigartige Chance, diese Welt und dieses Leben zu verstehen.

Und andere zu animieren es auch zu versuchen. So wie die junge Frau, die auf der Rückfahrt im Bus mit uns steht und offensichtlich versteht, als wir uns darüber unterhalten wie man Vorurteile abmildern kann. Beim Einsteigen in die S-Bahn Richtung Altona, werden wir blöderweise in zwei Gruppen getrennt. Die müssen in Altona aussteigen.

Altona, das die meisten der Ausflügler nicht lesen können, weil sie unsere Zeichen noch nicht kennen, wird zu keinem Problem, weil genau diese Frau, wie sie nachher sagt, durch unsere Unterhaltung angeregt wurde, einfach mal zu helfen und bei den Refugees zu bleiben, bis auch wir Nachzügler da sind. Ich weiß nicht wie sie heißt und vermutlich werden wir uns auch nie wieder sehen, aber die Hoffnung, die sie erzeugt hat, ist nicht mehr wegzudebattieren. Einfach machen geht. Einfach machen kann jede/r.

Am Ende muss ich vor den Messehallen 36mal aushalten, gedrückt zu werden und reichlich Küsse einzufangen, smacksmack, links rechts; ohne Vorwarnung, von Frauen, Männern, Kindern. Bei den Kids muss ich auf die Knie, damit auch die Zweijährigen zulangen können. Es gibt schlimmere Momente.

Auf dem Nachhauseweg von diesem ganz besondern Tag befällt mich ein Gedanke:

Ihr verdammten Ewiggestrigen, ihr Hassbacken, ihr Neomenschenfeinde: Niemand wird Euch je umarmen und Euch schenken, was aus Menschen Menschen macht.

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Foto: Georg Möller

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georemoellerGeorg Möller hat es als gelernter Jurist nur kurz in der Anwaltsmaschinerie ausgehalten. Sein Spielfeld war und ist die Ideenfindung und die Entwicklung von kreativen und strategischen Konzepten für alle Bereiche in denen Ideen eine Rolle spielen könnten. Seit 1992 hat er als Ideenscout zahlreiche Unternehmen, Organisationen, Personen, Vereine und Institutionen in Fragen der Ideenfindung beraten und unterstützt. Darüber hinaus versucht er als Autor, Dramaturg und Regisseur seit drei Jahrzehnten Themen Menschen nachvollziehbar, aber vor allem unterhaltsam zu vermitteln. Leib- und Magenkinder sind aber immer auch – dem Gemeinwohl verpflichtete – soziale Ideen, die gesellschaftliche Probleme nicht schlecht kaschieren, sondern kreative Wege zu einer Lösung einschlagen und sie mit Gewinn für alle Beteiligten bearbeiten.

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12 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Lieber Georg,

    Spontanität ist oft der beste Ratgeber des Herzens…!
    Deine Aktion hat mich sehr ermutigt! Und so glückliche Gesichter!
    Demnächst werden in unserem kleinen Ort 30 elternlose Kinder erwartet und ich werde eine Gruppe mit gründen, um diese Kinder zu betreuen.
    Ich wünsche dir weiterhin viel Freude bei deinen Aktivitäten und hoffe, dass du viele Menschen mit deinen Ideen und Tatkraft angesteckt hast.

    Liebe Grüße
    Friederike

  2. Da kommen mir beim Lesen und Anschauen die Tränen. Es ist so einfach, Freude zu bereiten. Danke für die wunderschöne Geschichte und dass es Menschen gibt, die einfach „machen“. Die Menschen, denen du einen schönen Tag in einem irrwitzigen Leben geschenkt hast, werden das sicher nicht vergessen…..

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