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Tourstopp in Teisendorf: Peter Ramsauer und die neue Gentechnik-Strategie der CSU

Berichte von allen Stationen der Aktionstour gegen Gen-Mais! Bericht aus Teisendorf Es ist ein buntes Bild auf dem Teisendorfer Marktplatz, als gegen 17 Uhr die ersten Besucher/innen eintrudeln: Körbe mit frischem Gemüse und Obst, Platten mit frisch gebackenem Gebäck und allerlei anderen Leckereien stehen auf einem langen Tisch bereit. Etwas weiter ein Bienenkorb und andere […]

Bericht aus Teisendorf

Es ist ein buntes Bild auf dem Teisendorfer Marktplatz, als gegen 17 Uhr die ersten Besucher/innen eintrudeln: Körbe mit frischem Gemüse und Obst, Platten mit frisch gebackenem Gebäck und allerlei anderen Leckereien stehen auf einem langen Tisch bereit. Etwas weiter ein Bienenkorb und andere Imker-Utensilien. Ein paar Kinder spielen mit gelben Genmais-stoppen-Luftballons. Es riecht nach unserem selbstgemachten Bio-Popcorn. Wenig später beginnt vorne bei den Mikrofonen die Diskussion: Franz Obermeyer, demeter-Landwirt, Rüdiger Stegemann, Aktionsbündnis gentechnikfreie Region Oberrhein und der Imker Simon Angerpointner, aktiv beim Aktionsbündnis Zivilcourage, diskutieren über den Gen-Mais-Anbau.

Teisendorf

Wir diskutieren mit CSU-Landtagsabgeordneten Anton Kern, dem Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe im Bundestag Peter Ramsauer und Demeter Landwirt Franz Obermeyer.

Bis viertel vor acht lässt Peter Ramsauer, Vorsitzender der CSU-Landesgruppe in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auf sich warten. Erst kurz vor Beginn von Seehofers Wahlkampfveranstaltung in der benachbarten Gaststätte „Wieninger’s Poststall“ stattet der CSU-Spitzenpolitiker unserer Diskussionsrunde draußen, in Sichtweite der CSU-Veranstaltung, seinen Besuch ab.

Vorausgegangen sind in den Tagen zuvor etliche Telefonate mit dem Büro Ramsauer: Dem Politiker sei es sehr wichtig, mit uns zu diskutieren – er könne aber wegen seines vollen Zeitplans nicht sicher zusagen. Und dann, nachdem wir die Presse zu unserer Veranstaltung eingeladen haben, noch einige aufgeregte Telefonate: In der Presse sei berichtet worden, dass Herr Ramsauer sicher zu unserer Diskussionsrunde kommen würde – damit würde der Politiker nicht gut dastehen, falls er es terminlich nicht schaffen sollte. Wir beschwichtigen, schicken eine Richtigstellung an die Presse. Schließlich ist der als gentechnikkritische geltende Politiker ein wichtiger Gesprächspartner in der CSU. Und eines ist nach all den Gesprächen klar: Es ist Herr Ramsauer tatsächlich wichtig, mit den bayerischen Wähler/innen über das Thema Gentechnik zu sprechen – und dabei eine gute Figur zu machen.

Teisendorf

Ramsauer kann sich entscheiden: Für oder gegen ein Anbauverbot von MON810

Dass sich mit dem Thema Gentechnik Wählerstimmen gewinnen lassen, scheint Herr Ramsauer schon vor Monaten verstanden zu haben. Bereits im April veröffentlichte er, gemeinsam mit Parteikollegen wie Alois Glück, ein Positionspapier gegen den Einsatz von Gentechnik in der bayrischen Landwirtschaft (Positionspapier). Wählerstimmen gewinnen will Herr Ramsauer wohl auch unter den rund 100 Zuschauer/innen unserer Veranstaltung in Teisendorf. Selbstbewusst tritt der Politiker auf und versucht, sich möglichst gentechnikkritisch zu geben.

Ramsauer spricht er sich dafür aus, dass das EU-Recht so geändert werden müsse, dass gentechnikfreie Regionen nach europäischem Recht verbindlich deklariert werden können. Gemeinden könnten dann den Gen-Mais MON 810 selbstständig verbieten. Hinter unsere Forderung, den Gen-Mais MON810 bundesweit zu verbieten, stellt sich Ramsauer hingegen nicht. Dass sechs andere EU-Staaten den Gen-Mais bereits verboten haben, bezeichnet er als ohne Grundlage im EU-Recht – und ignoriert, dass Nationalstaaten in der EU eine Gentechnikpflanze verbieten können, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse über die Risiken der Pflanze vorliegen.

Ramsauer begibt sich damit ganz auf die neue offizielle CSU-Linie: Angesichts der massiven Ablehnung der Agro-Gentechnik in der Bevölkerung und der herannahenden Wahl wollen sich seit ein paar Tagen in der CSU plötzlich viele für die gentechnikfreien Regionen einsetzen – sowohl Bundeslandwirtschaftsminister Seehofer im EU-Ministerrat als auch der bayerische Europaminister Markus Söder im Brüsseler Ausschuss der Regionen. Wer genauer hinschaut, merkt sofort, wie ungenügend und unglaubwürdig diese Wahlkampfversprechen sind: Söders Initiative ist schon alleine daher zum Scheitern verurteilt, weil der Ausschuss der Regionen ein im Brüsseler Tagesgeschäft völlig unbedeutendes Beratungsgremium ohne Entscheidungskompetenz ist. Seehofer ist unglaubwürdig, da er seine Wähler/innen auf eine Regelung vertröstet, die er in einem hochkomplexen Entscheidungsapparat in Brüssel mit völlig ungewissem Ausgang aushandeln müsste – und gleichzeitig das ablehnt, was er jetzt sofort tun könnte: den Gen-Mais-Anbau hierzulande verbieten. Dennoch: Dass die CSU in den letzten Tagen derart gentechnikkritische Töne anschlägt, zeigt, dass die Partei begriffen hat, dass sie auf die Ablehnung der Gentechnik bei den bayerischen Wähler/innen Rücksicht nehmen muss. Unsere Aktionstour setzt genau da an, wo es Seehofer richtig weh tut!

Doch eine positive Überraschung zaubert Ramsauer bei seinem Blitzbesuch noch aus dem Hut: Er spricht sich dafür aus, dass auch künftig die Regierungen im EU-Ministerrat an den Entscheidungen über die Zulassung von Gentechnik-Produkten für den europäischen Markt beteiligt werden sollen. Auch wenn die demokratisch gewählten Regierungen viel zu wenig auf uns Bürger/innen hören, ist Ramsauers Position zu begrüßen. Denn geht es nach Horst Seehofer, hätten wir Bürger/innen bei den Gentechnik-Zulassungen bald gar keinen Einfluss mehr. Der Minister will nämlich, dass der Ministerrat künftig nicht mehr mit entscheiden darf, ob Gentechnik zugelassen wird. Alleine die Europäische Lebensmittelbehörde (EFSA), deren Wissenschaftler für ihre Verstrickungen mit der Gentechnik-Industrie bekannt sind, soll entscheiden – und der Gentechnik den Durchmarsch ermöglichen.

Als Ramsauer gehen möchte, fordern wir ihn auf, einen Maiskolben in eine Schale unserer großen Waage zu legen und abzustimmen, wofür er ist: für oder gegen ein Verbot des Gen-Mais. Ramsauer hat es plötzlich eilig. Doch dann springt er über seinen Schatten – und legt den Maiskolben in „Nein: gegen ein Verbot“. Ein Missverständnis? Denn laut seiner Wahlkampfrhetorik ist der Politiker ja für ein Verbot von Gen-Mais – nicht jetzt bundesweit durch Minister Seehofer, sondern irgendwann vielleicht durch die Kommunen. Wenig später, wir haben die Veranstaltung bereits beendet, klingelt unser Handy. Ein besorgter Herr Ramsauer ist dran: Das mit dem „Nein“ sei ein Missverständnis gewesen. Er sei natürlich gegen den Anbau des Gen-Mais. Nur damit hier kein falsches Bild entstehe. Bei den bayerischen Wähler/innen.

Teisendorf

Traditionell bayerisch: Die CSU-Wahlkampfveranstaltung

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