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Wie dumm, Herr Mappus!

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus zeigt mit seiner heutigen Regierungserklärung, dass er den Protest der Bürger/innen gegen Stuttgart 21 weiterhin nicht ernst nimmt. Mappus sieht Kommunikationsfehler beim Vermitteln von Stuttgart 21, aber keine Planungsfehler. Er bekundet Bedauern über die Ausschreitungen am Donnerstag, entschuldigt sich aber nicht bei den Opfern.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus zeigt mit seiner heutigen Regierungserklärung, dass er den Protest der Bürger/innen gegen Stuttgart 21 weiterhin nicht ernst nimmt. Mappus sieht Kommunikationsfehler beim Vermitteln von Stuttgart 21, aber keine Planungsfehler. Er bekundet Bedauern über die Ausschreitungen am Donnerstag, entschuldigt sich aber nicht bei den Opfern.

Auch wenn Mappus einen Dialog mit Projektgegnern suchen will und dafür als Vermittler den CDU-Politiker und früheren Bundessozialminister Heiner Geißler vorschlägt – im gleichen Atemzug erklärt er, er stehe zu Stuttgart 21 „ohne Wenn und Aber“. Ein Gespräch ohne Diskussion der Gegenargumente, ohne Offenheit im Ausgang ist aber kein Dialog. Mappus erklärt sich bereit, über „bestimmte Aspekte der Projektplanung“ wie die Stadtentwicklung in Stuttgart, das Grünflächenkonzept und die Lärmbelästigung durch Bauarbeiten für Anwohner zu sprechen. Nicht bereit ist er aber, über Alternativen zu Stuttgart 21 zu reden, offensichtliche Schwachstellen zu benennen und die realen Zahlen für das Projekt auf den Tisch zu legen. Noch immer ist ungeklärt, welcher der Vertragspartner die offiziell von der Bahn berechneten Mehrkosten von über 800 Millionen Euro für die Neubaustrecke zu zahlen hat.

Die gleiche Rhetorik hören wir in Sachen Baustopp: der Südflügel und die Bäume im Schlosspark sollen „als Signal“ an die Projektgegner vorerst stehen, doch das Fällen von 80 Bäumen rund im den Bahnhof, Arbeiten am Gleisvorfeld und die Vergabe von Bauaufträgen hat Mappus weiterhin geplant. Signalwirkung wird das auf die protestierenden Bürger/innen kaum haben.

Auch einen Volksentscheid lehnt Mappus weiterhin ab und beruft sich auf ein von ihm in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten. In der Regierungserklärung betont er, er möchte „die Verfassung nicht zum Gegenstand von tagespolitischen und taktischen Überlegungen machen“. Dabei wäre ein erster Volksentscheid eine Chance für das Land auf dem Weg zu mehr direkter Demokratie und ein Entgegenkommen an die Bürger/innen. Nach einem neuen Ranking der Initiative „Mehr Demokratie“ liegt Baden-Württemberg dabei auf dem vorletzten Platz. SPD-Landesvorsitzender Nils Schmid kündigte weitere rechtliche Gutachten und einen Antrag seiner Fraktion zum Volksentscheid für Ende Oktober an.

Mappus entschuldigt sich nicht bei den verletzten Demonstranten und sein Innenminister Rech übernimmt keine Verantwortung – verantwortlich sei allein Polizeipräsident und Einsatzleiter Siegfried Stumpf, die Polizei hätte keine Fehler begangen. Stumpf betont in einer Pressekonferenz, niemand habe mit einem „so massiven Widerstand“ gegen die Fällarbeiten gerechnet. Dabei mobilisierten die Gruppen der Bürger/innen gegen Stuttgart 21, allen voran „Die Parkschützer“, seit Wochen für einen friedlichen Schutz der Bäume, sollte es zu Fällarbeiten kommen. Auch konnte die Polizei annehmen, dass die Schüler der Demo gegen Stuttgart 21 nicht tatenlos zusehen werden, wenn wenige Meter neben ihnen ein Polizeiaufgebot den Schlosspark absperrt. Die Polizei hat damit rechnen müssen – und entsprechend war sie mit Wasserwerfern, Knüppeln und Reizgas ausgerüstet. Der Polizeichef gibt zu, persönlich den Einsatz von Schlagstöcken und Wasserwerfern angeordnet zu haben, weil er den Einsatz sonst hätte abbrechen müssen. Warum hat er ihn nicht abgebrochen? Die Ausschreitungen der Polizei mit hunderten verletzten Demonstranten stehen in keinem Verhältnis zum Fällen von Bäumen für ein Bauprojekt. Ein verantwortungsvoller Innenminister hätte ein Fällen der Bäume in dem gereizten Klima um die Bauarbeiten am Bahnhof niemals zugelassen. Anmesty International fordert die Strafverfolgungsbehörden zu Ermittlungen der inzwischen über hundert Anzeigen gegen die Polizei auf.

Rhetorisch den Dialog zu preisen und sich inhaltlich keinen Schritt zu bewegen – das ist dumm von Herrn Mappus, denn es entschärft die Debatte um Stuttgart 21 nicht. Der Ministerpräsident sollte die Proteste gegen Stuttgart 21 nicht als „gerade aktuelle Meinungstrends“ abtun, sondern anerkennen, dass über die Hälfte der Baden-Württemberger/innen und weit mehr Menschen in Stuttgart das Projekt sehr kritisch sehen. Sie sind das Volk und ihre Argumente müssen die gewählten Vertreter jetzt anhören. Mappus sagt, es ginge ihm um die „Glaubwürdigkeit demokratisch gefasster Beschlüsse“. In einer glaubwürdigen Demokratie verhandelt die Politik neu über Beschlüsse, deren Grundannahmen sich geändert haben.

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

12 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Es hat sich schon in den letzten 18 Monaten klar und deutlich herausgestellt, dass Westerwelle nicht das Format hat, ein Land wie die Bundesrepublik als Außenminister zu vertreten. Aber auch innenpolitisch hat er sich durch seine Hartz4-Aussagen disqualifiziert. Als Bürger dieses Landes neigt man bereits zum Fremdschämen für unseren Außenminister. Die Fragestellung ist nur, wann erlöst uns Westerwelle und tritt zurück?

  2. Hallo Blogwriter;

    Mit S21 ist es wie mit den Atomkraftwerken, ein Haufen undemokratischer „Bürger“ rottet sich zusammen, bezeichnet sich als die Hälfte von Stuttgart und reißt tausende von noch nicht verwirrten Meinungen ins Unglück.

    Wo leben wir eigentlich, in der Schweiz wo Volksabstimmung Gang und Gebe ist, wo die Steuerzahler ihre Steuern selbst senken können.

    Leben wir in Thailand, wo es Gang und Gebe ist mit Steinen auf die Polizei zu schmeißen oder sich dem juristischen Gesetz des Widerstandes gegen die Staatsgewalt zu widersetzen.

    In der Weimarer Republik, in der die ewig gestrigen nur Probleme herbeiführten.

    Machen wir doch einen Schritt nach vorne und bauen unseren Bahnhof, der wirtschaftlichen Aufschwung verspricht und von dem die Hälfte von außerhalb finanziert wird.

    Nein, stattdessen schreit eine Meute aus Aktivisten, ewigen Dagegen- Menschen und Trittbrettfahrer „OBEN BLEIBEN“ und fühlen sich dabei auch noch gut, dabei stört das ein demokratisch verabschiedetes Vertragssystem.

    Und es ist demokratisch, denn eine gewählte Regiernug hat genau das beschlossen, man kann sie abwählen, aber eine direkte Demokratie kann nicht neben der repräsentativen stehen, die in Deutschland herrscht.

    Leute, BESINNT EUCH WIEDER und hört auf mit dem ewigen Geplärre, denn es sind immer die Gleichen: Grüne und DIE LINKE, die gegen ALLES sind.
    Also macht den Platz frei, ein demokratisch entschiedenes Projekt soll gebaut werden und da sollte man sich nicht wundern, wenn die Idioten auf den Dächern da runter geholt werden, das befürworte ich und würde im Notfall sogar selbst gegen diese Leute vorgehen, die ihre Grundrechte verwirkt haben, weil sie die Staatsform einschränken und nicht nur gegen alles, sondern auch gegen unseren Staat sind.

    MfG
    Unbekannt

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