Bis Mitternacht hatte EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström der Bundesregierung Zeit gegeben, die umstrittene Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung umzusetzen. Doch da die Regierung bereits am Mittwoch ankündigte, die Richtlinie zunächst nicht umzusetzen, erklärte Frau Malmström gestern, sie würde Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) verklagen.
Ab Klageeinreichung dauert ein solches Vertragsverletzungsverfahren im Schnitt rund 20 Monate. Das Urteil könnte demnach im Dezember 2013 verkündet werden – die Höhe einer möglichen Strafe bleibt aber vage: Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger geht von 32 Millionen Euro jährlich aus. Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung berechnet aus bisherigen Strafzahlungen anderer EU-Länder maximal 70 Millionen Euro. Allerdings würden zusätzlich etwa 45.000 Euro täglich für die Zeit zwischen der Aufhebung des letzten Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung durch das Bundesverfassungsgericht 2010 und des Urteils des EuGH fällig. Sollte das Urteil Ende 2013 erfolgen, kämen also maximal weitere 64 Millionen Euro Strafzahlungen auf Deutschland zu.
Angesichts klammer Kassen scheinen dies gewaltige Beträge zu sein. Heruntergebrochen auf den einzelnen Menschen handelt es sich aber nur um 86 Cent pro Jahr, die in den Schutz der Bürgerrechte investiert würden.
Ob es überhaupt zu einem Urteilsspruch kommt, ist allerdings noch längst nicht sicher. Denn dieser – und damit auch die Strafen – wäre hinfällig, wenn sich sich die Bundesregierung doch noch zur Umsetzung der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung entschließen würde oder diese aber vom Europäischen Parlament oder vom EuGH gekippt würde. Momentan bereitet der irische High Court eine entsprechende Klage gegen die Richtlinie vor.
Und auch der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar äußerte generelle Bedenken: „Ich bezweifle sehr, ob die europäische Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung mit dem europäischen Grundrecht auf Datenschutz vereinbar ist,“ erklärte er gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.