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Campact-Offline-Aktionen sind LowTech: Masken, Schilder, Luftballons, eine einfache Soundanlage, maximal eine mechanische Konstruktion. Hundertfach erprobt. Alles einfach zu reparieren oder zu ersetzen. Zur Not hilft Improvisation.

Nur nicht letzten Samstag: Passend zum Thema Vorratsdatenspeicherung wollten wir eine Online-Demo auf einem 4x3m großen Display direkt vor dem Eingang zum FDP-Parteitag übertragen. Denn was passt besser zu einem Thema aus dem digitalen Bereich als eine Kombination aus Online- und Offline-Protest?

Drei Stunden Aufbau hatten wir eingeplant. Plus eine halbe Stunde als Puffer und zur Justierung unserer Projektion. Doch eine Stunde vor Aktionsbeginn wurde klar, dass dies zu knapp kalkuliert war: Die Techniker des Displays hatten ihre eigene Elektronik nicht im Griff. Nur zwei des aus zwölf Elementen zusammengesetzten Twitter-Wall funktionierten. Und wir standen hilflos daneben. Improvisation? Fehl am Platz.

Um elf Uhr schließlich, die Hoffnung hatten wir schon längst aufgegeben, leuchtete das Display plötzlich komplett. Niemand wusste warum. Sofort fingen wir an, die Tweets der Campact-Aktiven freizuschalten. Hunderte hatten sich angesammelt. Vermischt mit ebenso vielen Statements aus der Twitter-Community ergaben sie auf der Leinwand ein eindrucksvolles Gesamtwerk. Doch halt! Nach ca. hundert Tweets blockierte Twitter. Am Ende hatten wir vier Twitter-Accounts im Einsatz, um die maximale Anzahl von Tweets pro Stunde zu umgehen.

Geschätzte 1.500 Botschaften gingen so über den Äther – viele davon von enttäuschten ehemaligen FDP-Wählenden – und stießen vor Ort bei den Delegierten durchaus auf Wohlwollen. Genau wie unsere blau-gelb gehaltenen, mit Buttons „Bürgerrechte statt Vorratsdaten“ bestückten Flyer, die uns regelrecht aus den Händen gerissen wurden.

Aktion vor dem FDP-Parteitag – Fotos: Chris Grodotzki/Campact

Als einer der letzten erreichte NRW-Spitzenkandidat Christian Lindner die Messe. Kurzer Blick auf die Twitter-Wall: „Sind wir einer Meinung!“ Auf unseren Einwurf, dass das Nein zur Vorratsdatenspeicherung auch für die Speicherung von IP-Adressen zu gelten habe, reagierte er ausweichend. In vier Wochen, also nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen, wolle er sich des Themas annehmen.

Sicherlich hat auch unser gemeinsamer Protest dazu beigetragen, dass sich nicht nur Lindners sondern auch einige andere Parteitagsreden mit den Vorratsdaten beschäftigten. Damit stellte sich die FDP ganz klar hinter ihre Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger und deren Modell „QickFreeze+“. QuickFreeze+ soll sich aus einer verdachtsabhängigen Speicherung von Telefondaten und einer siebentägigen verdachtsunabhängigen Speicherung von IP-Daten zusammensetzen.

Am Montag gingen einige Medien sogar so weit zu behaupten, dass die Regierung insgesamt jetzt ein Vertragsverletzungsverfahren in Kauf nehmen würde. Diese Einschätzung ist jedoch problematisch: Laut eigener Darstellung befinden sich Innenminister Friedrich und die Justizministerin weiterhin in Verhandlungen. Zwischen den beiden ist momentan keine schnelle Einigung in Sicht – was für ein Verfahren sprechen würde -, für eine generelle Entwarnung ist es aber zu früh. Sollte es aufgrund dieser Verzögerung zu einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommisssion gegen Deutschland kommen, ist auch hier kein Schnellschuss zu erwarten. Wahrscheinlicher ist, dass sich ein solcher Prozess über Monate hinziehen würde und eine weitaus niedrigere Strafe zur Folge hätte, als die momentan debattierten 30 Millionen Euro pro Jahr.

Die Aktion führte Campact gemeinsam mit dem Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung durch.

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Autor*innen

Der studierte Architekt Fritz Mielert (*1979) arbeitet als Geschäftsführer beim Bürgerprojekt Die AnStifter in Stuttgart. Zwischen 2011 und 2013 betreute er bei Campact Projekte im Spektrum zwischen Energiewende und Vorratsdatenspeicherung, baute maßgeblich die Parkschützer als eine der wichtigsten Gruppierung im Protest gegen Stuttgart 21 auf und war mehrere Jahre ehrenamtlich bei Greenpeace aktiv. Alle Beiträge

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