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Keimfleisch-Skandal: FDP trickst herum

Vor wenigen Tagen entdeckten Forscher/innen Antibiotika resistente Keime auch in Schweinemett aus dem Supermarkt. Die FDP reagiert auf das neue Keimfleisch mit einem Ausbremsen schärferer Antibiotika-Gesetze.

Wenige Tage ist es her, da entdeckten Forscher/innen Antibiotika resistente Keime auch in Schweinemett aus dem Supermarkt. In nahezu jeder sechsten Stichprobe wurden Enzyme von Bakterien (ESBL) gefunden. Die FDP reagiert auf das neue Keimfleisch aber nicht wie wir: zuerst mit Ekel und dann mit politischem Änderungswillen. Wie heute veröffentlichte Aussagen der liberalen Agrarsprecherin Christel Happach-Kasan nahelegen, will die FDP eine scharfe Antibiotika-Gesetzgebung verhindern.

Seit dem Herbst wird eine stärkere Überwachung der Antibiotika-Vergabe in Tiermastbetrieben diskutiert. Dazu hatte die Bundesregierung eine Neuregelung des Arzneimittelgesetzes geplant: Ein lasches Papier aus Ilse Aigners Feder, das keine Reduktion des viel zu hohen Antibiotika-Einsatzes vorsieht. Der Bundesrat forderte mehr: Die Behörden sollten Betriebe nicht nur ermahnen, sondern bei Missachtung der Antibiotika-Grenzwerte bestrafen können. In der Datenbank sollte nicht nur angegeben werden, wie oft Antibiotika vergeben wurde, sondern auch wie viel, um Missbrauch mit hoch dosierten Antibiotika vorzubeugen. Die Regierungsparteien sind auf die Zustimmung des Bundesrats angewiesen – sie haben dort keine Mehrheit. Aber anstatt jetzt das Gesetz zu verbessern, um den skandalös hohen Antibiotika-Verbrauch in Megaställen zu reduzieren, tut die Bundesregierung bislang nichts. Seit Monaten ging kein Signal des Entgegenkommens an den Bundesrat.

Mit einer Trickserei schießt nun die FDP gegen das Antibiotika-Gesetz. Sie will ein neues, so genanntes Einspruchsgesetz, das Nachbesserungen durch den Bundesrat ausschließt. In den Worten von Frau Happach-Kasan hört sich das freilich harmloser an: „Die umfangreichen Änderungsvorschläge zur Novelle des Arzneimittelgesetzes im Bundesrat lassen eine langwierige parlamentarische Diskussion und eine Verschleppung der dringend notwendigen Maßnahmen befürchten. Aus diesem Grund benötigen wir ein eigenständiges Antibiotikaminderungsgesetz.“ Doch Bundesrat und Parlament verschleppen gar nichts – die Bundesregierung ist in der Verantwortung, das Gesetz an die Vorschläge des Bundesrats anzupassen. Das freilich möchte die FDP verhindern.

Einige grüne Abgeordnete des Agrarausschusses im Bundestag hingegen drängen weiterhin mit aller Kraft auf eine Verschärfung des Arzneimittel-Gesetzes. Harald Ebner, Sprecher der Grünen für Agro-Gentechnik im Bundestag, wendet sich sogar mit einer Stellungnahme an alle Unterzeichner/innen unseres Appells. Er dankt darin allen, „dass sie die CAMPACT-Petition „Keine Killerkeime auf meinen Teller!“ unterstützen.“ Ebner weiter: „Wie CAMPACT sind auch wir Grüne überzeugt, dass der Regierungsvorschlag bei weitem nicht ausreicht, um den massenhaften Antibiotika-Einsatz möglichst schnell, flächendeckend und wirksam zu reduzieren. […] Hinzu kommt, dass Aigners Reduktionspläne für Antibiotika erst ab 2015 greifen und nur die Tierhalter betreffen, welche noch über den hohen Durchschnittsverbrauch aller Betriebe hinaus Antibiotika verwenden. Die Bundesregierung selbst geht davon aus, dass dadurch nur 25 Prozent der Betriebe ihren Antibiotika-Einsatz reduzieren müssen. Damit wird das hohe Anwendungsmengenniveau zementiert, statt eine wirksame Reduktion bei der Verwendung von Antibiotika in der Nutztierhaltung insgesamt zu erreichen.“ (Stellungnahme Harald Ebners in voller Länge)

Während die Antibiotika-Gesetzgebung schlingert und stockt, verrät der vor wenigen Tagen veröffentlichte „Fleischaltlas“ von BUND und Heinrich-Böll-Stiftung weitere schockierende Details: Etwas mehr als 170 Milligramm Antibiotika pro erzeugtes Kilogramm Fleisch werden hierzulande jährlich verabreicht. Im europäischen Vergleich liegen nur Frankreich, die Niederlande und Griechenland darüber.

Antibiotika in Megaställen und ausgeräumte Agrarsteppen – tausende Menschen haben es satt! Deshalb gehen an diesem Samstag in Berlin wieder unzählige Bürger/innen und Bäuer/innen gemeinsam auf die Straße. Der Campact-Wagen wird ganz zum Thema Antibiotika gestaltet sein: dort wird ein riesiges, aufblasbares Brathähnchen mit Antibiotika vollgepumpt. Seien Sie zusammen mit uns laut und widerständig gegen die Agrarindustrie. Kommen Sie zur Demo!

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Autor*innen

Astrid Goltz, Jahrgang 1983, hat Kulturwissenschaften in Lüneburg und Santiago de Chile studiert. Seit vielen Jahren ist sie ehrenamtlich in Umweltprojekten aktiv, zuletzt bei den Klimapiraten. Hauptamtlich hat sie für die BUNDjugend zum ökologischen Fußabdruck gearbeitet und für den BUND das Klimaforum Bonn 2010 mit organisiert. Ihre Schwerpunktthemen als Campaignerin bei Campact sind Gentechnik und Agrarpolitik sowie Flüchtlingspolitik. Alle Beiträge

6 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich finde es beschämend wie diese Politiker mit den Interessen der Bürger umgehen. Wer hat nochmal die Parteien gewählt? Waren es nicht die Bürger? Dann sollten Sie auch die Interessen der Bürger vertreten!!!
    Ich fühle mich machtlos und muss zu sehen wie Gesetze gegen die Bürger durchgeboxt werden. Gesetze die der Industrie dienen, noch mehr Geld zu erwirtschaften ohne Rücksicht auf die Belange von Bürgern, Tieren und der Natur.

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