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Sigmar Gabriel fühlt sich falsch verstanden – unsere Reaktion

Kaum war unser Appell „Energiewende nicht absägen” an Wirtschaftsminister Gabriel draußen, schon hatten wir eine Reaktion von ihm – zu finden als Post vom 24. Januar auf seiner Facebook-Seite. Hier nun unsere Antwort (in kursiv das ursprüngliche Schreiben von Sigmar Gabriel auf Facebook): — Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Gabriel, herzlichen Dank für Ihre schnelle und […]

Kaum war unser Appell „Energiewende nicht absägen” an Wirtschaftsminister Gabriel draußen, schon hatten wir eine Reaktion von ihm – zu finden als Post vom 24. Januar auf seiner Facebook-Seite.

Hier nun unsere Antwort (in kursiv das ursprüngliche Schreiben von Sigmar Gabriel auf Facebook):

Sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Gabriel,

herzlichen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort über Ihre Facebook-Seite auf unseren Appell „Energiewende nicht absägen!”. Sie schrieben:

Ich habe in der Vergangenheit hier auf Facebook mehrfach Campact-Aktionen unterstützt. Diesmal tue ich das nicht, weil ich finde, dass Campact – vorsichtig formuliert – nicht sauber mit den Fakten umgeht. Um das zu erläutern, muss ich ein bisschen ausholen.

Auch wir müssen ein „bisschen ausholen” um Ihnen darzulegen, dass wir sehr wohl „sauber mit den Fakten umgehen”.

Eines möchten wir vorausschicken. Für Sie und die Sozialdemokrat/innen geht es aus unserer Sicht im nächsten halben Jahr um eine Richtungsentscheidung:

Stehen Sie weiter zu dem, was Vordenker Ihrer Partei wie Hermann Scheer und Erhard Eppler einst erdacht und auf den Weg gebracht haben, die die Energiewende als dynamischen Jobmotor, als gigantische Chance für die Wirtschaft und als Königsweg aus der Klimafalle begriffen?

Oder stimmen Sie ein in den Chor der Bedenkenträger, die Ängste vor angeblich explodierenden Kosten und mangelnder Versorgungssicherheit schüren – und damit der Atom- und Kohlekraft zu einer unverhofften Renaissance verhelfen wollen? Stellen Sie sich auf die Seite des Kohleflügels Ihrer Partei, vertreten durch Hannelore Kraft und Dietmar Woidke?

Das, was Sie mit Ihrem Eckpunktepapier zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes auf den Tisch gelegt haben, weist leider eindeutig in die zweite Richtung – und bremst die Energiewende aus. Deswegen ernteten Ihre Pläne schon in den ersten Tagen den Widerstand von mehr als 125.000 Bürgerinnen und Bürgern.

Doch jetzt zu den einzelnen Argumenten Ihres Briefes:

In dem Campact-Appell heißt es: „Die Bundesregierung droht, die Energiewende abzuwürgen. Sie will den Ausbau von Wind- und Solarenergie deckeln und hohe Hürden für Bürgerenergie-Projekte errichten.“

Richtig ist: Wir wollen die Energiewende nicht abwürgen, sondern ihr im Gegenteil neuen Schub geben. Bei der Solarenergie wird es keine Veränderungen geben. Bei der Windenergie an Land werden wir Überförderungen abbauen – schließlich bezahlen ja alle Bürgerinnen und Bürger die EEG-Umlage. Übrigens: Nichtstun ist keine Alternative. Denn sonst droht die EU-Kommission das ganze EEG als „ungerechtfertigte Beihilfe“ zu kippen. Und das würde das Aus für die Energiewende bedeuten.

Der Energiewende „Neuen Schub zu geben” klingt gut – doch die Fakten sehen anders aus. Mit den im Koalitionsvertrag  und in Ihrem Eckpunktepapier vorgesehenen Ausbauzielen würgen Sie das bisherige Ausbautempo massiv ab. 55 bis 60 Prozent Anteil der Erneuerbaren an der Stromversorgung bis 2035 – – dies fällt selbst weit hinter die Ausbauziele der schwarz-gelben Bundesregierung zurück. In Ihrem Wahlprogramm (S.36) hatten Sie noch 75 Prozent Erneuerbaren-Anteil bis 2030 versprochen.

Sie schreiben, bei der Solarenergie gebe es keine Veränderungen. Dies ist nicht richtig. Derzeit ist der jährliche Ausbau der Photovoltaik bei 3,5 GW gedeckelt. Sie wollen ihn noch weiter auf 2,5 GW herunterfahren. Dabei ist ein Deckel bei der Photovoltaik, der nach der Windenergie kostengünstigsten regenerativen Energiequelle, nicht zielführend. Die Kosten für eine Solaranlage sind von Anfang 2007 bis heute auf ein Drittel gefallen, die Einspeisevergütung sank auf ein Viertel (s. http://www.solarwirtschaft.de/fileadmin/media/Grafiken/pdf/kosten_foerderung_solarstrom.pdf).

Sie schreiben, bei der Windenergie an Land Überförderungen abbauen zu wollen. Dies ist ein richtiges Anliegen – wenn es denn nur um Überförderungen etwa an küstennahen Standorten ginge. Aber Ihr Eckpunktepapier geht weit darüber hinaus. Sie beabsichtigen den Ausbau bei 2,5 GW zu deckeln und das dynamische Wachstum dirigistisch abzuwürgen. Ausgerechnet heute, wo Windkraft an Land so ausgereift und preisgünstig ist wie noch nie, soll sie künstlich begrenzt werden.

Zudem kritisieren wir, dass die vorgesehene Kappung der Einspeisevergütung ab einem Referenzertragswert von 77,5 Prozent droht, den Ausbau der Windkraft in Süddeutschland fast vollständig zum Erliegen zu bringen. Und dies, obwohl dort der Strom am dringendsten gebraucht wird. Statt verbrauchsnah Strom zu erzeugen, müsste dieser über weite Distanzen aus dem Norden her transportiert werden. Hierfür wären teure zusätzliche Netzkapazitäten von Nöten.

Einig sind wir uns in der Feststellung: „Nichtstun ist keine Alternative.” Im nächsten Satz jedoch auf das Beihilfe-Verfahren der EU zu verweisen, geht an der Realität vorbei. Denn Hauptgrund für die Einleitung des Verfahrens sind die ausufernden Befreiungstatbestände für die Industrie, die wettbewerbsverzerrend wirken. Doch hierauf finden wir in Ihrem Eckpunktepapier keine eindeutige Antwort. Folglich: Nichtstun ist keine Alternative, aber es kommt eben darauf an, das Richtige zu tun.

Campact schreibt: „Der Atomausstieg kommt wieder unter Druck.“

Wer mir indirekt unterstellt, ich hege irgendeine Sympathie für die Atomkraft, kann in den letzten Jahren eigentlich keine Zeitung gelesen haben. Und was die Kohle angeht: siehe unten.

Herr Gabriel, wir unterstellen Ihnen nicht, Sympathien für die Atomkraft zu hegen. Wir befürchten allerdings, dass spätestens 2022 eine neue Diskussion um Laufzeitverlängerungen beginnen wird, wenn die Energiewende, so wie von Ihnen vorgesehen, massiv verlangsamt wird. Nach dem jetzigen Atomausstiegs-Fahrplan sollen 2022 innerhalb von zwölf Monaten sechs Reaktoren vom Netz gehen. Wenn der Ausbau der Erneuerbaren viel langsamer als bisher geplant erfolgt, dann wird wieder die Debatte entstehen, sie noch länger laufen zu lassen. Und genau das wäre die Folge der von Ihnen ausgebremsten Energiewende.

Campact schreibt: „Gestalten Sie die Energiewende zukunftsfähig und preiswert“.

Genau das habe ich vor. Ein kleiner Hinweis: Das Prinzip, auf der einen Seite nach niedrigeren Kosten zu rufen und gleichzeitig alle Kostensenkungen abzulehnen, kommt mir bekannt vor. So haben in der Vergangenheit manche Lobbyisten argumentiert. Wenn ich mich richtig erinnere, fand es auch Campact nicht sonderlich glaubwürdig, wenn die gleichzeitig nach niedrigeren Steuern und staatlichen Mehrausgaben für Infrastruktur und Bildung gerufen haben.

Den Zubau bei Solarenergie und Windkraft an Land zu begrenzen, erzeugt maximalen Schaden bei minimalem Nutzen. Denn diese beiden Erneuerbaren sind mittlerweile so günstig, dass ein weiterer Ausbau die EEG-Umlage kaum noch ansteigen lässt. Wenn Sie wirklich Kosten senken wollen, dann streichen Sie massiv bei den Industrierabatten. Und lassen Sie die Kohlekraft endlich für ihre Folgekosten aufkommen. Würde beispielsweise die Klimaschädlichkeit von hohem CO₂-Ausstoß eingepreist, stiege der Preis an der Strombörse. Für die Erneuerbaren müsste durch gesunkene Differenzkosten entsprechend weniger EEG-Umlage gezahlt werden – und die Verbraucherinnen und Verbraucher wären entlastet.

Campact schreibt: „Sorgen Sie dafür, dass die günstigsten Erneuerbaren Energien, Photovoltaik und Windkraft an Land, durch verlässliche Rahmenbedingungen dynamisch ausgebaut werden – möglichst dezentral und in der Hand der Bürger/innen“.

Genau das ist eines der wesentlichen Ziele meiner Reformvorschläge.

Herr Gabriel, mit Ihren Plänen zur EEG-Reform werden Sie das Gegenteil erreichen. Ihre Reformvorschläge verhindern, dass Erneuerbare weiter dezentral und in der Hand der Bürger/innen ausgebaut werden: Durch Ausbaudeckel, verpflichtende Direktvermarktung und Ausschreibungsmodelle werden Investitionsunsicherheiten für Bürger/innen und Bürgerenergieprojekte massiv erhöht – und damit steigen die Risikoaufschläge bei der Finanzierung, sprich die Zinsen für Bankkredite. Dies macht das Errichten von Anlagen für kleine Akteure zu riskant.

Die Folge: Die Kleinen werden zugunsten der Großen aus dem Markt gedrängt. Bürgerenergie-Projekte haben kaum mehr eine Chance, realisiert zu werden. Doch nur wenn die Bürger/innen sich an der Energiewende aktiv beteiligen, findet sie auch vor Ort Akzeptanz. Und nur dann profitieren die Bürger/innen, etwa als Teilhaber/innen von Bürgergenossenschaften – anstelle von Konzernen und Großinvestoren, deren Kassen klingeln. Genau das ist die emanzipatorische Kraft einer Bürger-Energiewende – und diese droht mit Ihren „Reformvorschlägen” völlig unter die Räder zu kommen.

Campact schreibt: „Sorgen Sie dafür, dass energieintensive Unternehmen nur dann von ihrem Beitrag zur Energiewende befreit werden, wenn sie in eine bedrohliche Wettbewerbssituation geraten“.

Genau das habe ich vor. Seit 10 Jahren werden Industrieunternehmen, die besonders viel Strom verbrauchen und im internationalen Wettbewerb stehen, von der EEG-Umlage befreit. Dieses Prinzip will ich beibehalten. Aber ich will dieses Privileg auf solche Unternehmen beschränken, die aufgrund ihrer Wettbewerbssituation wirklich darauf angewiesen sind. Denn je mehr Firmen befreit sind, desto mehr müssen die einzelnen Verbraucher bezahlen.

Wenn zutrifft, was dem Spiegel (Ausgabe 5/2014) zu entnehmen ist, dann planen Sie, die Befreiung von Industrierabatten auf Unternehmen aus 15 Industriezweigen zu begrenzen. Das wäre nach der inflationären Ausweitung der Industrierabatte durch die schwarz-gelbe Bundesregierung ein großer Fortschritt, was wir ausdrücklich begrüßen. Sinnvoll wäre es allerdings, Befreiungen bei der EEG-Umlage und bei den Netzentgelten an erhebliche Anstrengungen für mehr Energieeffizienz zu knüpfen.

Campact schreibt: „Sorgen Sie dafür, dass Kohlekraftwerke für ihre wahren gesellschaftlichen Kosten aufkommen müssen – über einen funktionierenden Emissionshandel oder eine CO₂-Steuer.“

Genau dafür setzen wir uns ein. Wir wollen den Emissionshandel so reformieren, dass der Markt wieder funktioniert. Heute sind viel zu viele Zertifikate verfügbar – das hat die Preise ins Bodenlose fallen lassen und ist der Grund für den gegenwärtigen Boom der Kohlekraft. Wir treten ein für ein europäische Klimaziel von mindestens 40 Prozent bis 2030 und einen Emissionshandel, der geeignet ist, dieses Ziel zu erreichen.

Herr Gabriel, wir begrüßen es, dass Sie sich dafür aussprechen, den Emissionshandel so zu reformieren, dass er wieder funktioniert. Doch leider erfüllen dies die im Koalitionsvertrag vereinbarten Eingriffe nicht. Die vorübergehende Entnahme von 900 Millionen überschüssigen Verschmutzungszertifikaten wird bei Weitem nicht ausreichen, den Preis für CO₂ in eine klimapolitisch angemessene Höhe zu bringen. Nötig ist vielmehr die dauerhafte Entnahme von weiteren zwei Milliarden Zertifikaten. Doch derlei Eingriffe und eine grundlegende Reform werden im Koalitionsvertrag leider explizit ausgeschlossen.

Daher fordern wir Sie auf, in der EU für eine grundlegende Reform des Emissionshandelssystems schon vor 2020 einzutreten. Klar ist aber auch, dass eine tiefgreifende Reform im Konsens mit allen anderen EU-Staaten schwierig werden wird. Deshalb braucht es auch weitere Maßnahmen. In Ihrer Zeit als Bundesumweltminister hatten wir ein gemeinsames Treffen mit Ihrem heutigen Staatssekretär und damaligen DUH-Geschäftsführer Rainer Baake, um über wirksame Hürden für Kohlekraftwerke zu sprechen: Mindestwirkungsgrade für Altanlagen, festgelegt im Bundesimmissionsschutz-Gesetz . Mehr als 30.000 Campact-Aktive hatten sich seinerzeit dafür ausgesprochen. Sie, Herr Gabriel, fanden das damals einen sehr spannenden Ansatz.

Herr Gabriel, Mindestwirkungsgrade, CO₂-Emissionsgrenzwerte, eine CO₂-Steuer – derlei Maßnahmen braucht es jetzt dringend, um der gegenwärtig wieder ansteigenden Braunkohle-Verstromung Einhalt zu gebieten. Das ist schon heute national umsetzbar und muss nicht über die EU implementiert werden. Zudem benötigen wir neben dem Atom- auch einen Kohle-Ausstiegsplan – so wie dies Ihr Parteifreund Torsten Albig, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, letzte Woche forderte.

Also, liebe Campact-Leute: In vielen Punkten sind wir inhaltlich gar nicht so weit auseinander. Auch deshalb ist die Behauptung, ich wolle die „Energiewende absägen“, schlicht absurd. Ich finde: Man sollte auch bei so emotionalen Themen Argumente austauschen – und nicht auf Verunglimpfungen setzen.

Also, lieber Herr Gabriel: In vielen Punkten sind wir leider doch weit auseinander:

  • Ihre Reform bremst den Ausbau der Erneuerbaren Energien aus und deckelt den Zubau bei den günstigsten Erneuerbaren – Sonne und Wind.
  • Ihre Reform ist kostentreibend, nicht kostensenkend: Investitionen in Erneuerbare werden riskanter, Erneuerbare werden teurer durch steigende Risikoprämien auf Kredite.
  • Ihre Reform bremst die Bürger-Energiewende aus.
  • Ihre Reform bietet keine effektive Handhabe gegen steigende Emissionen durch Kohlemeiler, während flexible Gaskraftwerke stillgelegt werden.

Gerne führen wir die Debatte mit Ihnen weiter und freuen uns über eine weitere Antwort, die wir gerne den Unterzeichner/innen des Appells zugänglich machen. Und wir setzen darauf, dass Sie in der Überführung des Eckpunktepapiers in ein Gesetz grundsätzliche Veränderungen vornehmen – sodass die Energiewende wirklich neuen Schub erhält.

Mehr als 125.000 Menschen haben den Appell schon in den ersten Tagen unterzeichnet. Wir würden uns sehr freuen, Ihnen den Appell öffentlich überreichen zu können und stehen gerne auch für ein Gespräch zur Verfügung. Wir bitten Sie, uns in den nächsten Tagen einen entsprechenden Termin zu nennen.

Mit freundlichen Grüßen
Christoph Bautz, Geschäftsführender Vorstand Campact e.V.

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

331 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Der von der Bundesregierung per Verordnung – nicht: Gesetz! – festgelegte Berechnungsmechanismus der EEG Umlage („Wälzungssumme“) über die Preisdifferenz an der Strombörse kann eigentlich nur noch als betrügerisch zu Gunsten der alten Stromkonzerne bezeichnet werden.

    Dort liegt die eigentliche Ursache für den Anstieg der Umlage, mit der die Privatverbraucher die inflationär abgabenbefreite Industrie subventioniert.

    Aber das EEG Bashing hat sich als schöner Modesport unter Politikern etabliert; es vergeht kaum eine Woche, wo nicht neue „Deckel“, „Korridore“ usw. öffentlich ins Spiel gebracht werden. Glücklicherweise gibt es Campact … da Fördermitglied zu werden, war eine gute Entscheidung 🙂

    Was bei der ganzen Debatte kaum betrachtet wird, ist, dass sich augenblicklich ein rasanter technologischer Fortschritt bei den Geräten abspielt, der die privaten Verbraucher ertüchtigt, _viel_ weniger Strom zu verbrauchen und/oder ihren Verbrauch zu einem guten Teil mit selbst (vom Dach) gewonner Energie zu decken.

    Was dazu fehlt: Die dicke Batterie im Keller! Die übrige Technik hat heute jedes Wohnmobil schon fertig eingebaut. Anbieter von (mehr oder weniger geschickt ausgelegten) heimischen Speichersystemen schießen derzeit wie Pilze aus dem Boden … es ist bezeichnend, dass auch schon über eine „Eigenverbrauchsabgabe“ nachgedacht wird.

    Wer jetzt baut oder modernisiert, ist vermutlich gut beraten, sich zumindest über einige zusätzlich zu verlegende Leerrohre Gedanken zu machen, in denen eine Niederspannungsversorgung (Gleichstrom mit 12, 24 oder 48V) verlegt werden kann, und zwar vollständig getrennt vom Wechselstromnetz.

    Häusliche Verbraucher, die auf Wechselstrom angewiesen sind: Wasch- und Spülmaschine, evtl. noch die Tiefkühltruhe … für alles andere gibt es bereits Alternativen mit Gleichstrom.
    Computer, Unterhaltungs- und Kommunikationselektronik haben immer Steckernetzteile, die Gleichstrom bei niedrigen Spannungen abgeben.

    Schließt man die Geräte, die zur Erwärmung von Wasser sehr viel Strom verbrauchen, an eine zentrale Warmwasserversorgung (Solarthermische Anlage) an, dann reduziert sich deren Stromverbrauch wiederum erheblich.
    Und Kochen auf Gas – selbst aus der Flasche – ist erheblich komfortabler als mit Strom.

    Wenn heute ein Einfamilienhaus-Besitzer mit Solaranlage (Photovoltaik) feststellt, dass in der Summe mehr Strom ins Netz eingespeist wird als im Haushalt verbraucht, dann sollte das zu denken geben!
    Die nächste dynamische Marktentwicklung nach dem Solaranlagenboom sollten die Autarkiesysteme tragen.
    Denn da geht’s wohl lang – wer Strom aus dem Netz bezieht, wird vom Preis bestraft.

    Vielleicht meinen unsere Politiker aber, wenn sie unisono von der „Bezahlbarkeit“ von Strom reden, in Wirklichkeit eine „Kostenpflicht“. Wir alle sollen für Strom gefälligst gehörig berappen und ihn uns nicht umsonst vom Himmel holen!
    Wer redet eigentlich von der Bezahlbarkeit der anderen Energieträger, z. B. solcher, die zum Beheizen der Wohnungen eingesetzt werden? Heizöl? Niemand.
    Das lässt tief blicken.

    Also sind es Krokodilstränen, die da „zum Schutze der Verbraucher“ von den Politikern vergossen werden. Die Industrielobby hat sich durchgesetzt, mit lang angelegten Kampagnen gegen die Erneuerbaren Energien. Leider.

    Dabei wird „am Ende des Tages“, was die Bezahlbarkeit von Strom angeht, nur genau umgekehrt ein Schuh draus: NUR die erneuerbaren Energien liefern Strom ohne Grenzkosten, d. h. so gut wie UMSONST, wenn die Gewinnungsanlagen erst abgeschrieben sind. Die Kosten für fossil generierten Strom können hingegen nur steigen, weil die Brennstoffe sich auf Dauer in Folge ihrer Verknappung verteuern.

    Von den nicht quantifizierten Kosten, die die Allgemeinheit zu tragen hat (Atommüll, Klimawandel, Landschaftszerstörung durch Bergbau) noch ganz zu schweigen.

  2. Hallo liebe Foristen,

    mir fehlt in der ganzen Diskussion ein weiterer Aspekt, der mir bisher von keinem Politiker erklärt wurde: Warum werden die Kosten für die Erneuerbare Energienförderung eigentlich mittels EEG auf den Kunden abgewälzt?

    Seit mehr als 40 Jahren werden Kohle- und Atomstrom massiv vom Staat subventioniert… bis heute erhalten diese Firmen unglaubliche Summen….

    Wenn die Energiewende als strategisches Ziel der Bundesrepublik verstanden wird – und das sollte es unbedingt, wenn man sich Putin’s Äußerungen gestern vor Augen hält – dann muss dieses Ziel – wie zuvor Kohle und Atom – über Steuermittel finanziert werden. Hier findet eine nicht nachvollziehbare, und juristisch sehr bedenkliche Form der Wettbewerbsverzerrung statt.

    Auch zu diesem Punkt erwarte ich von Herrn Gabriel endlich eine Antwort!

  3. Es ist geradezu unglaublich mit welcher Dreistigkeit und Frechheit deutsche Politiker gegen den Willen des Volkes, für die Lobby’s handeln und sich mit verzerrten Argumenten dann auch noch rechtfertigen wollen. Man muss sich wirklich Fragen, für wie blöd oder abgelenkt halten manche Politiker das Volk.

  4. Armer Gabriel, er wird schon wissen wem er wirklich dient. Im Zweifelsfall hat Campact leider mehr Glaubwürdigkeit als einem Profipolitiker.

  5. Bei Gabriels Plänen geht es nicht darum, den Strompreis zu senken oder die Energiewende effektiver zu gestalten. Es geht darum, nordrhein-westfälische Städte und Gemeinden vor der Pleite zu bewahren. Klingt bescheuert, ist aber so. Erklärung dazu hier:

    http://www.derwesten-recherche.org/2013/10/rwe-wertverlust-bedroht-kommunen-milliardenabschreibung/

    oder hier:

    http://www.welt.de/regionales/duesseldorf/article121518804/Wie-Unternehmensbeteiligungen-den-Kommunen-schaden.html

    Deswegen muß RWE wieder richtig Geld scheffeln. Dann können die Dividenden wieder erhöht werden und der Aktienkurs steigt.

    • Hallo Herr Steinberg,

      das ist absolut richtig, was Sie sagen. RWE ist zu 25% in Hand von Kommunen
      http://de.wikipedia.org/wiki/RWE#Anteilseigner
      – vor allem in NRW.
      RWE ist zugleich aber auch zu 59% in Hand institutioneller Investoren, also Banken, Versicherungen, Investmentfonds usw. aus Deutschland, aber auch der ganzen Welt. Der größte institutionelle Investor innerhalb dieser Anteilseigner ist bei RWE die Black Rock Financial Management, die der größte Finanzkonzern weltweit ist. Auf dem zweiten Platz dieser institutionellen Investoren landet ein britischer Investmentfonds. Einen Eindruck zu Black Rock erhielt man übrigens kürzlich auch anhand einer eindrucksvollen ARD-Dokumentation („die story“ vom 13.01.2014) , die leider mal wieder zu einer Uhrzeit gesendet wurde, bei der mit Garantie kaum noch einer zusah ……
      http://www.youtube.com/watch?v=mEYhbXgE1Yw
      Das Interesse solcher Finanzinstitute an einer atomfreien Zukunft zum Wohl unserer Kinder, dem Allgemeinwohl oder einer Energiewende in Bürgerhand dürfte bei „MINUS UNENDLICH“ liegen.

  6. Keine Frage, ich bin für den Atomausstieg. Leider habe ich allerdings feststellen müssen, daß die Erneuerbare Energie ihre Unschuld verloren hat und vielfach als sicher sprudelnde Geldquelle verstanden wird. Das Interesse mancher Erzeuger beschränkt sich längst nicht auf die Stromgewinnung, sondern setzt auf vielerlei spin offs. Durch die garantieren garantierten Erlöse – ein sturmnahes Wochenende bringt mehr Einnahmen als stetiger geringer wind (v³) gerät das eigentliche Ziel der Energiewende in den Hintergrund. Bei ausbleibender Erzeugung ist ein Malus fällig. so funktioniert Markt. Kurzum: Ja, zur Reform, Nein zur Goldgräberstimmung. Koppelung an berechenbare Referenzanlagen statt Zappelstrom.

    • Lieber Herr Franzen,

      sprudelnde Geldquellen? Aha. Und große Energiekonzerne sind die Heilsarmee und wirtschaften ohne Gewinnerwartung?

      vergleichen wir doch mal:

      durchschnittliche interne Verzinsung einer PV-Anlage der letzten Jahre einer jungen Familie auf ihrem Reihenhaus (Finanzierungskosten nicht berücksichtigt) unter der Bedingung, dass die Anlage wirklich 20 Jahre inkl. sämtlicher Elektronik völlig störungsfrei läuft, nie Reparaturen anfallen etc.
      interne Verzinsung Kleinanlage PV: ca. 5%
      Bei Finanzierung über Kredit ist die Anlage nur dann wirtschaftlich, wenn die interne Verzinsung der Anlage größer ist als der Finanzierungszins. Somit würde es bei einem vor einigen Jahren bezahltem Bankzins von 3-4% schon schnell eng werden, wenn Reparaturen anfallen.

      UMSATZrendite Kraftwerke RWE noch 2012: 30% !
      (siehe min 25:40)
      https://www.youtube.com/watch?v=Kof8ZMjKrsk#t=1553

      Wo sprudelt jetzt was?

    • Werte Frau Ternus,

      der Vergleich der beiden Modelle anhand der Umsatzrendite hinkt – nach meiner Auffassung – gewaltig, weil Sie ein sehr kapitalintesives Geschäft mit einer privaten PV-Anlage vergleichen!

      Aus meiner Sicht wäre hier die Gesamtkapitalrendite die aussagefähigere Kennzahl, da sie das Ergebnis zum insgesamt dafür eingesetztem Kapital in Beziehung setzt. Aber Sie haben diese Kennzahl sicher gewählt, weil Sie ein (aus Ihrer Sicht) besonders krasses Missverhältnis darstellen wollen.

      Natürlich ist es Aufgabe von Wirtschaftsunternehmen Gewinne zu erzielen.

      Und es sind nicht nur die „bösen Konzerne“, die davon profitieren. Immerhin hofft ja auch „Paul Kleimschmidt“, dass seine Lebensversicherung, in die er sein mühsam erarbeitetes Geld eingezahlt hat, eine möglichst hohe Überschussbeteiligung abwirft.

  7. Erstmal möchte ich mal wieder ein Kompliment an Campact loswerden!! Tolle Arbeit!! Sollte die SPD als kleiner Partner in der Koalition auftreten und die gleichen Fehler wie die FDP begehen, dann wird sie auch deren Erbe antreten. Profitieren wird DIE LINKE. Souveräne Auftritte Wagenknechts und Gysis, Probleme werden beim Namen genannt ohne um den heißen Brei herumzureden – das scheinen mir momentan wirkliche Volksvertreter zu sein. Die SPD leider nicht mehr.

  8. In unzähligen Fitnessstudios werden mit menschlicher Muskelkraft große Mengen an Energie erzeugt. Warum gibt es bislang keine Erfindung, die diese vergeudete Energie sinnvoll und nutzbringend anzuwenden hilft? Es fehlt an einer Förderung für Erfinder! Die meisten Deutschen sind zu dick und schleppen überflüssige Energie mit sich herum, die man umweltfreundlich verbrennen könnte nach dem Motto: Kleinvieh bringt auch Mist.

    • Hallo Frau Vogt
      Leider müssen wir alle die Gesetze der Physik respektieren. Versuchen Sie mal eien Stunde lang 200W zu treten – dann könne Sie das nachvollziehen. Ein ganzes Fitnessstudio kann ggf. für die eigene Beleuchtung sorgen, oder halt bewegungslos im Mondlicht dahinträumen – es kommt das Gleiche dabei raus! Sinnvoller sind da sicher kleine Wasserkraftwerke im Schwarzwald wieder zu reaktivieren, Windräder zu bauen und die Solaranlagen weiter zu fördern.

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