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TTIP-Widerstand geht der EU und den USA auf die Nerven

Das Ziel 1 Million Unterschriften aus ganz Europa gegen die Abkommen TTIP und CETA zu sammeln ist fast erreicht. Die EU-Kommission wird den europäischen Widerstand nicht länger ignorieren können. Warum die beteiligten Akteure inoffiziell genervt sind und worauf die neue Kommission heimlich hofft, verraten die Journalisten Ulrike Herrmann und Harald Schumann im Interview.

Das Ziel 1 Million Unterschriften aus ganz Europa gegen die Abkommen TTIP und CETA zu sammeln ist fast erreicht. Die EU-Kommission wird den europäischen Widerstand nicht länger ignorieren können. Warum die beteiligten Akteure inoffiziell genervt sind und worauf die neue Kommission heimlich hofft, verraten die Journalisten Ulrike Herrmann und Harald Schumann im Interview.

TTIP wird größtenteils im Verborgenen verhandelt. Dennoch dringen immer wieder Neuigkeiten ans Licht. Wie ist der momentane Stand der Verhandlungen, was dürfen wir in der nächsten Zeit erwarten?

Ulrike Herrmann: Offiziell herrscht allseits Euphorie, aber inoffiziell sind alle genervt. Die großen Verbände, z.B. Automobilindustrie, machen die Erfahrung, dass die Amerikaner es gar nicht gewohnt sind, wirklich zu verhandeln. Denn in ihren sonstigen Freihandelsabkommen (vor allem mit Entwicklungsländern) diktieren sie einfach die Bedingungen.

Die Risiken von TTIP und Co. sind durch unabhängige Analysen mittlerweile bekannt. Trotzdem wird mit viel Aufwand versucht, solche Freihandelsabkommen zu beschließen. Wer profitiert hauptsächlich von den Abkommen?

Ulrike Herrmann: Obwohl es Freihandelsabkommen heißt, geht es gar nicht um Handel. Das eigentliche Ziel sind verbesserte Bedingungen für den Lobbyismus. Davon profitieren vor allem große transnationale Konzerne.

Welche Strategie verfolgt die EU mit den Abkommen?

Harald Schumann: „Die EU“ gibt es nicht, sondern 28 Regierungen und eine Zentralbehörde sowie das Parlament, die durchaus verschiedene Interessen verfolgen. Für die Beamten der EU-Kommission bringen die Handelsverträge mehr Autonomie und Macht, weil sie transatlantisch organisierte Wirtschaftsinteressen gegen Parlament und Regierungen in Stellung bringen können, wenn es um die Regulierung von Produkten und Dienstleistungen geht. Die deutsche Regierung folgt vor allem den Interessen der deutschen Exportindustrie, deren Marktchancen durch die Setzung von Normen in ihrem Sinne vergrößert werden könnten. Das einzige wirklich gemeinsame Interesse aller europäischen Akteure ist, mit der Setzung von Standards bei TTIP eine Bastion gegen ein mögliches Vormachtstreben Chinas zu errichten.

Können Abkommen wie TTIP und CETA die wirtschaftliche EU-Krise mildern?

Harald Schumann: Ganz sicher nicht. Es gibt keinerlei Beleg, ob diese Abkommen überhaupt positive wirtschaftliche Auswirkungen haben können.

Wer trifft bei solchen Abkommen in der EU die Entscheidungen? Wie läuft Einflussnahme ab?

Ulrike Herrmann: Seit dem Vertrag von Lissabon ist die EU-Kommission für Handelsabkommen zuständig. Also versuchen die Lobbyisten der Unternehmen vor allem die Kommission zu beeinflussen. Durch Stellungnahmen – und sehr viele persönliche Gespräche.

Harald Schumann: Entscheidung über das, was verhandelt werden soll, haben die Regierungen der 28 EU-Staaten im Ministerrat getroffen. Und am Ende müssen alle nationalen Parlamente und das EU-Parlament dem ausgehandelten Abkommen zustimmen. Für die Aushandlung der Details stehen die damit beauftragten Beamten aber in engem Austausch mit den an den jeweiligen Kapiteln interessierten Vertretern der Wirtschaftsverbände und Großunternehmen, während gleichzeitig die Parlamentarier und Vertreter der Zivilgesellschaft keinen direkten Zugang zu den Verhandlern und den zugehörigen Dokumenten haben.

Europaweit formiert sich Widerstand – mit einer Europäischen Bürgerinitiative. Haben sie mit solch einem länderübergreifenden Bündnis gerechnet?

Harald Schumann: Ich habe darauf gehofft, aber nicht damit gerechnet.

Zwar zeigt die Kommission sich nach außen hin unbeeindruckt von der europäischen Bürgerinitiative aber im Hintergrund fängt der Rückhalt an zu bröckeln. Denken sie die EU-Kommission hat insgeheim Angst vor der 1 Million der Europäischen Bürgerbewegung?

Harald Schumann: Nein. Die neue Kommission wird versuchen, den Widerstand der Bürger durch Zusicherungen im Detail zu schwächen. Aber sie sie wird darauf bauen, dass der Elan der Aktiven nachlässt wenn die Verhandlungen sich über Jahre hinziehen. Und das nicht zuletzt, weil bisher die große Mehrheit der EU-Regierungen im eigenen Land kaum auf Widerspruch trifft.

Ulrike Herrmann: Mein Eindruck ist: Selbst die Amerikaner gehen davon aus, dass sich TTIP nur durchsetzen lässt, wenn der Investorenschutz entfernt wird.

Jetzt mithelfen, die Abkommen zu verhindern: Appell unterzeichnen und weitersagen!
Ulrike Herrmann

Ulrike Herrmann ist Wirtschaftskorrespondentin der “tageszeitung” (taz). Sie ist ausgebildete Bankkauffrau und hat Philosophie und Geschichte an der FU Berlin studiert. Von ihr stammen die Bücher “Hurra, wir dürfen zahlen. Der Selbstbetrug der Mittelschicht” (Piper 2012) und “Der Sieg des Kapitals. Wie der Reichtum in die Welt kam: Die Geschichte von Wachstum, Geld und Krisen” (Westend 2013).

 

 Harald Schumann

Harald Schumann ist ein deutscher Autor, investigativer Journalist und Diplom-Ingenieur mit Wahlheimat Berlin. Bekannt wurde Schumann Ende der 1990er Jahre mit dem von ihm und Hans-Peter Martin verfassten Bestseller “Die Globalisierungsfalle”. Seit 2005 gehört er zur Jury des Otto-Brenner-Preises für kritischen Journalismus. Im Jahr 2013 veröffentlichte Harald Schumann die Ergebnisse einer „Recherchereise“, in der er die Profiteure der Bankenrettung herausfinden wollte und die Geheimhaltung von Zentralbanken und Politikern kritisierte. Die Reise war Gegenstand der knapp einstündigen Fernsehdokumentation “Staatsgeheimnis Bankenrettung”, die er zusammen mit seinem Mitautor und Regisseur Arpad Bondy realisierte. Die Koproduktion von Rundfunk Berlin-Brandenburg und Arte wurde mit dem Deutschen Fernsehpreis 2013 in der Kategorie Beste Reportage ausgezeichnet.

 

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16 Kommentare

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  1. Mit TTIP & CETA werden panikartig Wirtschaftsinteressen verfolgt und keine Missstände beseitigt. Es gibt keine einheitliche Geldmengensteuerung. Die Kanzlerin hält weiterhin nach neuen Investoren Ausschau. Ihr fehlt jede Vision. Wenn die CDU wirklich so christlich wäre, dann würde sie folgendes wissen: weniger komplizierte Gesetze, korrektere Justiz, bargeldloser Geldverkehr, weniger Finanzspekulationen, soziale Gerechtigkeit, keine Selbstbedienung mit Diäten und vor allem auch mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen. Was unsere Regierungen da ein WISCHI WASCHI abliefern, ist grausam. Ich meine es auch irgendwo in der Bibel gelesen zu haben, dass es auf eine einheitliche Weltregierung hinauslaufen wird. …Lästerungen 42 Monate…..

  2. Nachdem Minister Gabriel eine 180° Wende gemacht hat (shame on him) und plötzlich seine Bedenken fallen gelassen hat und es Kanzlerin Merkel nicht schnell genug gehen kann (honni soit qui mal y pense), macht mir vor allem die geplante Irreversibilität des Abkommens große Sorgen.
    Einmal unterzeichnet, wäre das TTIP später unter keinen Umständen mehr zu lösen.
    Verträge, die nicht zu lösen sind, kommen einem Diktat gleich.
    An wen will man sich wenden, wenn man bei Problemen klagen müsste? Die USA interessieren sich nicht für internationale Gerichte und bestimmen ihr eigenes Gesetz. Mit einem Partner, der über dem Gesetz steht, ewige Verträge zu schließen, ist lebensmüde.

  3. Ein Einwand wird mE nicht genug betont, ein Vertrag dessen Inhalt den Btroffenen verschwiegen wird kann nicht gut sein und schon gar nicht bindend, man soll ja richtigerweise nichts Unterschreiben ohne das „Kleingedruckte“ zu lesen, bei CETA und TTIP wird uns ja sogar der Vertrag an sich vorenthalten!

  4. Die EU will diese Handelsabkommen abschließen. Wenn es dann zu einer Schadenersatzforderung eines der multinationalen Konzerne durch ein Schiedsgericht kommt, bleibt dem betroffenen Land als Ausweg, der Zahlung – das ist ja in der Regel im Millionenbereich oder mehr – zu entgehen, dann wohl nur der Ausstieg aus der EU! Damit wäre dieses Rohrkrepiererkonstrukt endlich mal vom Tisch.
    Die EU sägt an dem Ast auf dem sie sitzt und merkt es nicht.

    • Herzlichen Glückwunsch, wenigstens einer der das Grundübel der Verträge mal beim Namen nennt. Wir werden in Europa doch von der Politmafia – Dragi, Baroso, Merkel – seit Jahren verschaukelt.

  5. T TIP und CETA ohne Investorenschutz währe eine Überlegung wert !! Regierungen werden von Bürgern gewählt,und sollen zum Wohle dieser Politik machen und entscheiden, also muß ich mich doch fragen,welchen Wert haben diese Abkommen für die Bürger von Europa??

  6. Liebe Freunde,
    also heißt das – nicht abwiegeln lassen, nicht nachlassen, jede Gelegenheit hier in Deutschland nutzen um TTIP etc. zum Scheitern zu bringen. Und soweit möglich, auch in anderen EU-Staaten gegen TIPP etc. werben.
    Aber bitte nicht nur gegen den Investorenschutz, sondern gegen den Abschluss der gesamten Abkommen mit den USA und Kanada! – denn ich meine, die Welt wird besser werden, wenn sich die europäischen Staaten nicht noch weiter von den Hegemonialmächten jenseits des Atlantik bestimmen lassen und sich schrittweise abwenden, stattdessen lieber mit anderen Staaten und Völkern einen fairen Handel verbessern. Und das konsequent bis hin zur Ablösung der NATO als solche, hin zu einem eigenen Europäischen Sicherheitsbündnisses.
    Viele Grüße

    • Genau! Ich versuche alle Freunde, die Auslandskontakte haben, und meine eigenen Freunde im europäischen Ausland zu mobilisieren. Beim Unterschriftensammeln stoße ich auf sehr gute Resonanz, viele wissen nocht von der Bürgerinitiative und freuen sich, utnerschreibenzu können weil sie die Nachrichten über TTIP & CETA schon kennen. Viele haben noch nichts von dem Ganzen gehört und lassen sich gerne informieren. Nur sehr wenige lehnen eine Utnerschrift ab.
      Mein Tip, um auf die Leute zu zugehen: „Guten Tag (lächeln nicht vergessen) – darf ich auch bei Ihnen für eine Unterschrift gegen TTIP & CETA werben?“ Die meisten fragen dann erstmal nach, weil sie die Begriffe nicht kennen und schon hat man den Fuß in der tür: „Die großen Freihandelsabkommenm, die gerade mit Kanada und den USA verhadelt werden und die große Einschnitte in den den Bereichen Verbraucherschutz, Umweltschutz und Arbeitnehmerrechte haben werden. Dazu muss man wissen, dass Freihandelsabkommen dazu gedacht sind, Schutzzölle udn Handelshemmnisse abzubauen – aber die gibt es zwischen Kananda und der EU bzw. USA und der EU gar nicht mehr. Was die Konzerne nun als Handelnhemmnisse ansehen, sind die Gesetze und Verordnungen, vor allem hier in Europa, die uns Verbraucerh schützen usw. — jetzt kommen einzelne Beispiele aus dem Bereich der LEbensmittelkennzeichnung und zu guter Letzt der Fall Vattenfall gegen Deutschland per ISDS wegen der Abschaltung der Atommeiler – und dass dieser Mechanismus auch in TTIP & CETA drinsteht.— zack, ist die Unterschrift da in 95% der Fälle

      Viel Spaß beim Nachahmen, Weihnachtsmärkte sind geniale Menschenansammlungen für sowas 🙂

    • Hallo,
      es ist für mich ein großes Missverständnis Einzelner, die Abwehr von TTIP als Abwehr nordamerikanischer Interessen zu interpretieren. Das wird wiederum genüßlich von Befürwortern aufgegriffen, die den Gegnern von TTIP einen anti-amerikanischen Reflex unterstellen und damit den sachlichen Argumenten aus dem Weg gehen.
      Diese sogenannten Freihandelsabkommen sind nicht gegen Europa und nicht gegen die USA gerichtet, sondern gegen alle kleinen Einheiten und gegen die Konsumenten, die nur als Markt und nicht als Bürger definiert werden. Mit kleinen Einheiten meine ich aber auch Unternehmen unterhalb der Größe, die einen direkten Einfluss auf politische Entscheidungen und Marktentwicklungen ermöglicht. Dies gilt für Bürger wie für kleine und mittlere Unternehmen in allen potenziellen Unterzeichner-Staaten.
      Und darauf sollten wir uns in der Argumentation konzentrieren: Die Demokratie retten.
      Ich fürchte, es geht tatsächlich um nichts weniger.
      Und die Demokratie brauchen wir und muss weltweit weiter entwickelt werden, um die beiden eigentlichen zentralen Weltrett-Themen anzugehen: 1. Die Begrenzung des Klimawandels und 2. Den Wandel zu einer Wirtschaft ohne Wachstum.

      Was ich weiter vermisse: Hinweise von Campact über Möglichkeiten mit europäischen, für mich speziell französischsprachigen, Unterstützern der inoffiziellen EBI in Kontakt zu kommen. Ich suche schon seit Wochen im Internet, stopp-ttip kenne ich schon, aber ich fürchte, dass die EBI daran scheitert.

      Viele Grüße
      Thomas

    • Lieber Thomas,

      auf der Seite von Stop TTIP finden Sie eine Liste von Unterstützerorganisationen, auch aus Frankreich. Gucken Sie doch einmal bei ATTAC France, bei der Organisation Nouvelle Donne oder einfach beim französischen Bündnis „Stop TAFTA„, das sich gegen das Trans Atlantic Free Trade agreement und gegen TTIP stark macht. Hier finden Sie die Liste weiterer Partnerorganisationen von Stop TTIP: https://stop-ttip.org/wp-content/uploads/2014/11/ECI-Partner-List_1119.pdf

      Liebe Grüße
      Sascha

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