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Raus aus der rechten Szene: Zwei Aussteiger berichten

Eingeschlagene Fensterscheiben, brennende Autos und offene Aufrufe zur Gewalt. 250 vermummte Hooligans verwüsteten erst kürzlich ein ganzes Viertel in Leipzig. In Köln rufen Rechte zu Hetzjagden auf. In Dresden begleiten immer mehr Journalisten PEGIDA-Demos nur noch mit Personenschutz. Die Zahl und Heftigkeit rechter Gewalt nimmt in Deutschland stetig zu. In diesem Video erzählen zwei Aussteiger, […]


Eingeschlagene Fensterscheiben, brennende Autos und offene Aufrufe zur Gewalt. 250 vermummte Hooligans verwüsteten erst kürzlich ein ganzes Viertel in Leipzig. In Köln rufen Rechte zu Hetzjagden auf. In Dresden begleiten immer mehr Journalisten PEGIDA-Demos nur noch mit Personenschutz. Die Zahl und Heftigkeit rechter Gewalt nimmt in Deutschland stetig zu. In diesem Video erzählen zwei Aussteiger, wie es ist, sich von der Rechten Szene zu lösen. Und warum sie diese Entscheidung niemals bereuen werden:

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Bei Exit Deutschland bekommen Menschen Hilfe, die aus der rechten Szene aussteigen wollen. Wir haben mit Fabian Wichmann von Exit über das Projekt gesprochen.

Wie läuft so ein Ausstieg aus der rechten Szene und wie viele Anfragen bekommt ihr pro Jahr von Menschen, die aussteigen wollen?

Fabian Wichmann: Grundsätzlich ganz unterschiedlich, da sich die Personen die sich an uns wenden, in unterschiedlichen Stadien, also vor, beim oder auch nach einem Ausstieg bei uns melden. Wir versuchen dann mit den AussteigerInnen, ein Szenario zu entwickeln, dass sich an der Situation, den Bedarfen, am Umfeld und weiteren Faktoren orientiert. Dabei geht es dann zumeist um lebenspraktische, ideologische aber auch zentral um Sicherheitsfragen. Pro Jahr bekommen wir circa 30 bis 40 Anfragen. Neben diesen Anfragen haben wir aber auch „alte Fälle“, da wir einige Fälle haben, die deutlich länger in Begleitung sind als der Durchschnitt, der bei drei bis vier Jahren liegt.

Mit welchen Problemen haben Ausstiegswillige zu kämpfen? Wie können Freunde und Familie den Prozess unterstützen? Und wie häufig kommt es vor, dass Aussteiger abbrechen und in die rechte Szene zurückkehren?

Fabian Wichmann: Die Probleme, mit denen die Aussteiger konfrontiert sind, sind in Abhängigkeit von der Rolle, Funktion und Zeit, die sie in der Szene verbracht haben, sowie die Reaktion und Struktur der ehemaligen Gruppe sehr unterschiedlich. Der Ausstieg eines exponierten Mitglieds der Szene hat dementsprechend andere Auswirkungen auf die Person und ist daher deutlich komplexer. Auch sind diese Personen mit Problemen konfrontiert, die nicht nur auf die ehemalige Gruppe zu beziehen sind, denn Zweifel und Skepsis an der Ernsthaftigkeit des Ausstiegs steigen proportional mit der Einbindung in die Szene. Diesen Personen schlägt dann in machen Fällen erhebliche Ablehnung entgegen. Das macht den Ausstieg natürlich nicht einfacher. Wenn sich die Person aber ernsthaft entschieden hat, dann ist das eine Entscheidung, die in wenigen Fällen einen Rückgang in die Szene zur Folge hat.

Gibt es einen Einzelfall, der Euch besonders bewegt hat?

Fabian Wichmann: Es gibt immer wieder Fälle oder Ereigniss, die uns bewegen. Aber die Entscheidung einiger AussteigerInnen nach ihrem Ausstieg, an die Öffentlichkeit zu gehen und über die Szene aufzuklären, sowie all das, an das sie über Jahre zuvor geglaubt haben, öffentlich zu verwerfen, bedarf einer Menge Rückgrat. Aber wir haben auch immer wieder Fälle in denen behördliches oder bürokratisches Handeln, Ausstiege und in machen Fällen ganze Familienzusammenhänge gefährdet. Gerade Ausstiegsfälle bei denen Kinder involviert sind, haben diesbezüglich eine hohe Brisanz. In einem konkreten Fall ging es dabei um Sorge- und Umgangsrechtsstreitigkeiten, die letztlich beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden werden mussten. Diese Fälle lassen einen dann natürlich nicht so einfach los.

Was kann ich tun, wenn ich im Freundes- oder Familienkreis das Gefühl habe, dass jemand droht in die rechte Szene abzurutschen?

Fabian Wichmann: Wie so oft gibt es natürlich auch da kein Rezept, aber man kann dennoch viel richtig machen, wenn man zuhört, den Kontakt nicht abbrechen lässt, aber dennoch eine klare Position vertritt. Man sollte sich aber auch darüber im klaren sein, dass die eigenen Möglichkeiten ab einem bestimmten Punkt limitiert sind und die Inanspruchnahme von Hilfe eher ein Zeichen von Verantwortung, als ein Versagen darstellt. Hilfe dazu gibt es in vielen Bundesländern. Wie so oft gilt auch hier: Wir müssen uns [wieder] einmischen.

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Autor*innen

Katharina Nocun ist studierte Ökonomin und beschäftigt sich mit den Auswirkungen der technologischen Revolution auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Sie engagiert sich in der digitalen Bürgerrechtsbewegung für eine lebenswerte vernetzte Welt. Sie war 2013 Politische Geschäftsführerin und Themenbeauftragte für Datenschutz der Piratenpartei Deutschland und arbeitete als Referentin und Campaignerin u.a. für den Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV), Campact e.V. und Wikimedia Deutschland e.V.. Katharina Nocun ist Botschafterin für die Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen und Mitglied im Beirat des Whistleblower-Netzwerks und bloggt regelmäßig unter www.kattascha.de. Folge Katharina auf Twitter: @kattascha Alle Beiträge

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