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TTIP: Alles wird endlich gut…?

TTIP: Die „transparentesten Verhandlungen aller Zeiten“ versprach EU-Handelskommissarin Malmström. Doch weder die Bürgerinnen und Bürger noch die Parlamentarier waren bisher sehr beeindruckt. Unter dem Druck des Protests von Hunderttausenden drohte Bundestagspräsident Lammert im vergangenen November sogar damit, TTIP abzulehnen. Doch nun dürfen die Abgeordneten endlich Einblick in die aktuellen Verhandlungsdokumente zu TTIP nehmen, melden die Medien. Wird nun endlich […]

TTIP: Die „transparentesten Verhandlungen aller Zeiten“ versprach EU-Handelskommissarin Malmström. Doch weder die Bürgerinnen und Bürger noch die Parlamentarier waren bisher sehr beeindruckt. Unter dem Druck des Protests von Hunderttausenden drohte Bundestagspräsident Lammert im vergangenen November sogar damit, TTIP abzulehnen.

Doch nun dürfen die Abgeordneten endlich Einblick in die aktuellen Verhandlungsdokumente zu TTIP nehmen, melden die Medien. Wird nun endlich alles gut – ein Erfolg für die TTIP-kritische Bewegung?

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Ein Blick ins Merkblatt für unsere Abgeordneten

Auch die Tagesthemen sind skeptisch. Denn die vermeintliche Transparenzoffensive erweist sich bei näherer Betrachtung als Farce. Campact veröffentlicht hier das Merkblatt (Download), mit dem Bundestagspräsident Lammert unseren Abgeordneten die Bedingungen für die Einsicht in die Verhandlungsdokumente mitteilt.

Das Merkblatt bezieht sich auf „ANHANG III und IV der von der EU-Kommission und der US-Seite vereinbarten Nutzungsbedingungen (Ratsdok.-Nr. 14029/15)“. Wer wiederum dieses Dokument auf den Seiten des europäischen Rats sucht, wird leider enttäuscht:

Das Dokument ist nicht zugänglich, sondern streng geheim – aber man könne ja mal einen Antrag stellen.

Transparenz im Leseraum – für 2 Stunden

Sigmar Gabriel stellte ihn selbst vor: den schicken neuen Leseraum im Bundeswirtschaftsministerium. In den dürfen Abgeordnete nur höchstpersönlich, und zwar Dienstag und Mittwoch 10-12 und 14-16 Uhr. In Sitzungswochen sogar noch Montag und Donnerstag. Jeweils nur für zwei Stunden. Wenn die vielbeschäftigten Abgeordneten gerade da keine Zeit haben: Pech gehabt, denn ihre – oft noch sachkundigeren – Mitarbeiter müssen leider draußen bleiben. Wäre ja auch zuviel verlangt…

Analog ist das neue Bio

„Analog ist das neue Bio“, schreibt André Wilkens in einem Bestseller – und da ist unser Merkblatt ganz im Trend: Nur Stift und Papier sind erlaubt – die spendiert Gabriel sogar. Aber nur für „handschriftliche Notizen, keine Abschriften„. Und neumodische Elektronik darf auch nicht sein.

Merkblatt Ausriss3

Allerstrengstens verboten

Und wie beim Räuber Hotzenplotz ist selbstverständlich vieles streng verboten: Die Entnahme von Schriftstücken aus dem Leseraum, das Fotografieren/Scannen oder Kopieren von Schriftstücken und die unbefugte Offenlegung der Schriftstücke oder darin enthaltener Informationen sind streng untersagt.

Ein Abgeordneter darf natürlich auch nicht über das reden, was er da gesehen hat. Damit würde ja etwas offengelegt. Und wer sich nicht an die Verbote hält, dem droht Schlimmes: Disziplinarische und/oder rechtliche Maßnahmen

Merkblatt Ausriss2

Ein Aufpasser ist immer dabei

Die investigativen Journalisten von Correctiv haben ein Loch in den digitalen Beton der EU-Kommission gebohrt und Einblick in die oben genannten, im Merkblatt zitierten geheimen Vereinbarungen zwischen EU und USA genommen. Bei Correctiv lernen wir:

Bundestagsabgeordnete werden beim Lesen der TTIP-Dokumente von einem Sicherheitsbeamten beaufsichtigt. Er „wird während der gesamten Zeit des Besuchs anwesend sein“ und soll nicht nur die persönlichen Daten des Parlamentariers und die Zeitpunkte der Einsichtnahme erfassen, sondern auch die Dokumente registrieren, die gesichtet werden.

Und wenn geleakt wird, dann war’s das aber mit der Transparenz

Und wenn das alles nichts hilft, wenn trotzdem jemand was transparent macht, dann droht die ganz große Keule – dann ist’s aus mit der Transparenz:

Die Leseerlaubnis kann jederzeit widerrufen werden (…): „Die USA betonten, dass die Übermittlung von konsolidierten TTIP-Texten und deren Verfügbarkeit in den Leseräumen der Mitgliedsstaaten nur auf Probe (trial basis) erfolgt, und von der Integrität und Zuverlässigkeit der Vorgehensweise abhängt. Die USA haben darauf hingewiesen, dass sie die Genehmigung (…) in einem oder allen Mitgliedsländern widerrufen würden, falls eine unbefugte Veröffentlichung der Dokumente oder deren Inhalte erfolgen soll.“ In einem solchen Fall wolle man die Quelle der unbefugten Veröffentlichung ermitteln und „die entsprechenden Maßnahmen, darunter disziplinäre und/oder rechtlichen Maßnahmen“ angewenden. Mit anderen Worten: Gibt ein Abgeordneter Informationen über das, was er gelesen hat, an die Öffentlichkeit, wird der Mitgliedstaat bestraft. (Quelle: Correctiv, Fettung durch den Autor)

Fazit: Bei näherer Betrachtung bleibt nicht mehr viel übrig von der viel beschworenen Transparenz. Abgeordnete unter Aufsicht, die nicht aus dem Text zitieren dürfen, mit niemandem drüber sprechen dürfen, und keine Hilfe ihrer sachkundigen Mitarbeiter haben. Die heute show hat diese Farce schon im vergangenen September wunderbar aufgespießt:

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Ohne eine wachsame Zivilgesellschaft und investigativen Journalismus wüssten wir noch so gut wie nichts über TTIP. Und ohne den Druck von uns allen auf die Parlamentarier, und von diesen auf Gabriel, Malmström & Co. bewegt sich auch nichts. Jetzt heisst es: Dranbleiben – und weiter Druck machen! Und diesen Blogbeitrag weiterleiten – damit alle wissen, was es mit der vielbeschworenen Transparenz auf sich hat.

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Autor*innen

Jörg Haas, Jahrgang 1961, war Campaigner bei Campact. Nach einem Berufseinstieg in die Entwicklungszusammenarbeit in einem Regenwaldprojekt in Ecuador war er lange Jahre als Ökologiereferent für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig. 2008 wechselte er als Programmdirektor zur European Climate Foundation. Intensives Engagement in den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Ohne öffentliche Mobilisierung fehlt jedoch der Handlungsdruck - daher der Wechsel zu Campact, zuerst als Pressesprecher, dann als Campaigner. Alle Beiträge

30 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Hallo,
    ich will mal darauf hinweisen, dass immer mehr (noch nicht genug) Kleinunternehmer sich gegen TTIP stellen. Es ist nicht richtig zu sagen, dass „die Wirtschaft“ diese unterverständlichen Verträge will. Es sind einzelne, zahlenmäßig sehr kleine Kreise, die daran ein Interesse haben. Das ist zwar auch falsch verstanden, aber diese wenigen denken nun mal so, vielleicht sind es auch nur ihre Vermögensberater, die so denken und Einfluss nehmen.
    Aber die Masse der Unternehmer, der vielgerühmte Mittelstand, ist da nicht dabei, und dort gibt es auch Widerstand:
    http://www.kmu-gegen-ttip.de
    https://www.youtube.com/watch?v=xSqq-Ww6nyg
    Bitte klickt und verbreitet das Video, um Aufmerksamkeit und Wirksamkeit zu erhöhen.
    viele Grüße und vielen Dank
    Thomas Teichmann

  2. Das ist doch eine Kindergartenweisheit: Wer flüstert lügt! Und mit solchen Menschen macht man keine Geschäfte. Wir haben ordentliche Gerichte – wozu private Schiedsgerichte? Die mit Rechtsprechung Geld verdienen?? Unabhängig??? Schlechter Scherz!!

  3. Stell Dir vor, es gibt einen „Leseraum“ und keiner geht hin …
    Im Ernst, wäre doch schön, wenn unsere Volksvertreter sich dieser Verarsche einfach durch Boykott entziehen … Was man über diese „Freihandelsabkommen“ wissen muss, um zu einem Standpunkt darüber zu kommen, ist inzwischen alles bekannt. Die Zubereitung braucht man nicht zu kennen, wenn man weiß, dass schon die Zutaten Sch… sind.

  4. Wenn sich die EU in den Verhandlungen zu TTIP auf solch eine intransparente undemokratische Geheimniskrämerei eingelassen hat und deutsche Politiker beim Vernebeln helfen, anstatt sich vehement zu verwehren, muß fast zwingend gefolgert werden, daß es sich bei diesem sogenannten Freihandelsabkommen in Wirklichkeit um den Versuch handelt, demokratische Grundrechte den Profitinteressen grosser Konzerne zu opfern. Das halte ich für nicht hinnehmbar.

  5. Wir müssen uns wehren gegen TTIP,Tis u Ceta!!!Ich bin gegen amerikanische Verhältnisse,wir mögen keine Chlorhühnchen u Hähnchen,genausowenig wie amerikanische Arbeitverhältnisse u Verträge…
    Ich bin kein Fan von Verschwörungstheorien,aber langsam glaub ich echt,dass die Neue Weltordnung auf dem Vormarsch ist
    Wenn in NRW demonstriert wird,bin ich dabei!!!

    • … um TTIP zu erklären braucht man keine Verschwörungstheorie oder „Neue Weltordnung“. Es genügt nur eine gehörige Dosis neoliberales Denken in den Brüsseler Elfenbeintürmen, und die Arroganz von technokratischen Machteliten in Berlin, Brüssel und Washington.

    • Einverstanden,
      und Menschen in den USA finden verrotzte deutsche Dieselstinker unfein. Offenbar mögen sie keine europäischen Verhältnisse.
      neinneinnein, es geht um den Widerspruch zwischen Leuten, die Geld vermehren wollen, ohne dafür zu arbeiten, und den Leuten, die erstens für den eigenen Lebensunterhalt arbeiten, und dann auch noch den Leuten, die nicht wissen, was sie damit sollen, zu noch mehr Geld verhelfen sollen.
      Viele Grüße
      Thomas Teichmann

  6. Das ist doch Transparenz in Vollendung.

    Wer das entschieden hat, sollte mit rundum schwarz eingefärbten Scheiben (und ohne Kamera) zur Fahrprüfung antreten, dann würden sie mal ihre Transparenz zu schätzen lernen.

  7. Guten Abend zusammen,

    langsam glaube ich das Ihr ein totes Pferd reitet.Eure „Demokratischen Werte“sind anscheinend den Bach runter, oder wie kann es sein, dass bei so vielen gelesenen Artikeln keine Kommentare mehr kommen?
    Eigentlich eine blöde Frage- Ihr blockiert ja selber alles.
    Hat der dicke Siggi recht,wenn er Euch eine kommerzielle Empörungsindustrie nennt?
    Ich würde zu gerne mal eine Antwort von Euch bekommen!

    Mit freundlichen Grüßen
    Johann Mengele

    • Hallo, die Kommentare hier werden moderiert. Und zwar von den Autoren der Blogbeiträge. Da ich auch ein Wochenende mal frei habe (wie andere Menschen auch), dauert es eben manchmal etwas, bis die Kommentare freigeschaltet sind.

  8. Wer bestimmt die Spielregeln: Die USA. Wer bestimmt den Vertragsinhalt: Die USA. Warum sind wir nur so blöde?!

  9. 80% der Abgeordneten in Berlin ,sind sich über die Folgen dieses Abkommens , nicht im Klaren ,dem Rest ist es egal .Deutschland wird verscherbelt und der Rechtsstaat untergraben .
    Das Großkapital bestimmt wie die Bürger zu leben haben ,was sie verdienen und was sie essen dürfen .Man kann nur noch mit dem Kopf schütteln über soviel Gleichgültigkeit und Dummheit .Die ÖR Medien natürlich wieder als Frontkämpfer der Regierung vorweg .Von den 250000 Demonstranten in Berlin war nur als Randnotiz erwähnt .Abscheulich ,ich möchte sogar meinen , das diese Methode mit der Mafia zu vergleichen sind . Geht auf die Straße ,in jeder Stadt zu tausenden .

    • Ach, ganz so schlimm sehe ich die Lage nicht. Wir haben gerade in den öffentlich-rechtlichen Medien und den Qualitätszeitungen immer wieder auch Beiträge, die sich kritisch mit TTIP und CETA auseinandersetzen. Aber auf die Straßen müssen und werden wir gehen. Schön dass Sie dabei sind.

    • Doch, Herr Haas,
      die Lage ist schon sehr trübe.
      Die/der anonyme (schade!) h.g.k. hat in einem Recht, und das sollten alle die hier lesen aufgreifen und verbreiten: Wir müssen immer wieder auf die Straße und öffentlich bekunden, dass wir TTIP nicht wollen; mittlerweile gehe ich soweit: bis zum zivilen Ungehorsam.
      TTIP, CETA etc. gehen an die Grundlagen jeder verfassten Gemeinschaft, nicht indem sie etwas Alternatives gestalten, aber indem sie destruktiv die Gestaltungsfreiheit der Gemeinschaften unter den Profitvorbehalt stellen.
      Auch wenn die 250 tausend in Berlin zu wenig beachtet wurden: Die Demo war großartig, und auch dieses Jahr müssen wir im öffentlichen Raum Zeichen setzen.
      viele Grüße
      Thomas Teichmann

    • Lieber Herr Teichmann, ich stimme völlig zu hinsichtlich der Notwendigkeit, zu Tausenden auf die Straße zu gehen. Mein Widerspruch bezog sich auf die Situation der öffentlich rechtlichen Medien. Da finde ich, dass auch die TTIP-Kritik immer wieder Raum findet. Wie z.B. in den beiden Videos, die im obigen Blogbeitrag verlinkt sind – beide aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen.
      Wir haben viel mehr ein Problem mit den Privatsendern. Die senden sehr sehr wenig Aufklärerisches. Daher bleibe ich, bei aller Kritik im Einzelnen, ein Verfechter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.

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