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TTIP-Mythen-Check: Was von „Vorteilen“ für mittelständische Unternehmen übrig bleibt

Einige Verbände und Wirtschaftsvertreter beschwören die angeblichen Vorteile von TTIP für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Doch ein genauer Blick auf die 3 gängigsten Mythen dazu, entlarvt den vermeintlichen Nutzen als Risikofaktor für europäische Unternehmen.

Einige Verbände und Wirtschaftsvertreter beschwören die angeblichen Vorteile von TTIP für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU). Doch ein genauer Blick auf die 3 gängigsten Mythen dazu, entlarvt den vermeintlichen Nutzen als Risikofaktor für europäische Unternehmen.

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„Es wird davon ausgegangen, dass das Abkommen besonders hilfreich für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) in der EU ist, da es ihnen den Export in die USA erleichtert und sie dabei unterstützt auf dem transatlantischen Markt zu bestehen“ – auch die American Chamber of Commerce to the European Union (AmCham EU) wird nicht müde, dies zu behaupten.

#1 TTIP bringt ruinöse Konkurrenz für europäische Landwirtschaft

Inzwischen belegen mehrere Agrarstudien, dass TTIP für europäische Landwirte und Verarbeitungsbetriebe aus der Ernährungswirtschaft ein Verlustgeschäft werden würde. Die aktuelle Studie des US-Agrarministeriums kommt in allen drei Szenarien zu dem Schluss, dass die amerikanische Landwirtschaft gewinnt – während die europäische Landwirtschaft verliert. Auch die Untersuchung im Auftrag des Europaparlaments (2014), kommt zu einem ähnlichen Ergebnis: Die landwirtschaftliche Wertschöpfung wird durch TTIP in Amerika steigen – und in der EU um 0,5 Prozent sinken. Die Studie von UnternehmensGrün zu dieser Frage, weist ebenfalls auf das Risiko für Europa hin. Denn die europäische Agrarwirtschaft ist durch einen größeren Anteil bäuerlicher Familienbetriebe und kleinere Betriebsgrößen strukturell anders aufgestellt als die amerikanische Landwirtschaft – und damit im Preiswettbewerb oft unterlegen. Außerdem exportieren Landwirte und Lebensmittelverarbeiter aus Europa kaum in die USA, die überwältigende Mehrheit der Unternehmen in Europa hat von TTIP darum vor allem zusätzliche Konkurrenz zu erwarten. Dass Produkte wie Getreide in den USA so billig sind wie nirgends sonst, liegt zu einem erheblichen Teil auch an den dortigen Standards zum Einsatz von Gentechnik und den hohen Grenzwerten für Pestizide.

Zitat von Felix Prinz zu Loewenstein. Grafik und Copyright: UnternehmensGrün

#2 TTIP wird zum Risikofaktor für die Ernährungswirtschaft

Die UnternehmensGrün-Studie zeigt, dass „TTIP die erweiterte Kennzeichnung von Gentechnik-Produkten erschweren würde“ sagt beispielsweise Joachim Weckmann, mittelständischer Bäcker aus Berlin. „Sollte die Gentechnikfreiheit vom Mainstream zur Nische werden – werden weiter gentechnikfreie produzierende Landwirte überproportional mit den Kosten von Warentrennung- und -reinhaltung belastet bzw. aus dem Markt gedrängt“, so Weckmann. Hintergrund: Die USA machen seit 1986 keinen Unterschied zwischen Produkten aus konventionellen und „gentechnisch veränderten Organismen“ (GVO). Die genveränderten Pflanzen dominieren den Anbau von Mais, Soja, Zuckerrübe und Raps zu 90 bis 95 Prozent.

Weitere Studien-Ergebnisse:

  • Fleisch: Ruinöse Konkurrenz aufgrund der Größenvorteile der amerikanischen Rind-, Schweine- und Geflügelfleischproduktion durch Konzentration auf wenige große, kostengünstige Produktions- und Verarbeitungsanlagen.
  • Obst/Gemüse: Die erlaubten Rückstände von Pestiziden in Lebensmitteln sind in den USA teils 500 mal so hoch wie in der EU. Durch TTIP ist hier eine Angleichung zu erwarten – denn der Kompromissvorschlag der EU, den Codex Alimentarius zugrunde zu legen, bedeutet eine Schwächung der europäischen Standards.
  • Milch: Für kleinere milchviehhaltende Betriebe ist eine stärkere Exportorientierung keine Lösung. Ein verschärfter Preis- und Kostendruck durch einen liberalisierten transatlantischen Milchmarkt verschärft deren Existenzgefährdung.

Zitat von Milena Glimbovski. Grafik und Copyright: UnternehmensGrün

#3 Mit TTIP droht eine Einbahnstraße bei Maschinenbau und Elektronikindustrie

Eines der wichtigsten Versprechen der TTIP- Befürworter sind die vermeintlichen Gewinne durch harmonisierte Standards. Dadurch könnten Reibungsverluste und Verwaltungskosten zwischen der EU und den USA reduziert werden. Doch die USA haben bereits in den Vorverhandlungen angekündigt, dass es auch mit TTIP in den USA keine einheitlich geregelte Übernahme von Normen geben wird, weil diese oftmals Angelegenheit des betreffenden Bundesstaats oder sogar von Bezirken (Counties) sind. Die Strukturen für technische Regulierung und Konformitätsbewertungen in USA und EU sind grundlegend verschieden. Während europäische Normen im Bereich der Elektrotechnik beispielsweise mit der International Organisation for Standardization (ISO) und der International Electrotechnical Commission (IEC) harmonisiert sind, liegt die Verantwortung dafür in den USA bei einer Vielzahl konkurrierender, privatwirtschaftlich arbeitender Normungsorganisationen, schreibt die Wirtschaftsinitiative „KMU gegen TTIP“ in ihrer Broschüre.

TTIP harmonisiert keine Stecker & Schrauben

In den USA existiert im Gegensatz zur EU kein „harmonisierter Binnenmarkt“. Eine gegenseitige Anerkennung der Normen ohne vorausgehende Harmonisierung würde aber laut Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI), dazu führen, dass US-Unternehmen einen einfachen Marktzugang nutzen, während europäische Unternehmen weiterhin mit den inhomogenen und komplizierten US-amerikanischen Anforderungen konfrontiert bleiben. TTIP könne laut ZVEI „die Funktionsweise der technischen Regulierung auf europäischer Ebene untergraben“. Auch der Verband der TÜV e.V. befürchtet, dass TTIP für europäische Unternehmen zu einer Einbahnstraße werden könnte.

Zitat von Thomas Jorberg. Grafik und Copyright: UnternehmensGrün

Europaweiter Widerspruch von KMU

Es verwundert nicht, dass die landläufig proklamierte Behauptung „die Wirtschaft sei für TTIP“ Widerspruch aus der Wirtschaft selbst hervorruft. Die deutschsprachigen Initiativen der kleinen und mittleren Unternehmen gegen TTIP (Österreich; Deutschland) können eine enorme Medienresonanz verbuchen. Es gibt kritische Studien aus Frankreich, eine Initiative in den Niederlanden www.ondernemersvannu.eu/ und Unternehmen in Großbritannien, die sich zusammengeschlossen haben: http://businessagainstttip.org/


Zur Person

Katharina Reuter, Foto: UnternehmensGrünKatharina Reuter ist Geschäftsführerin von UnternehmensGrün, dem Bundesverband der grünen Wirtschaft. Die promovierte Agrarökonomin forschte über die Biomärkte in Mittel- und Osteuropa und arbeitete mit Unternehmen als Beraterin für Bio und Nachhaltigkeit zusammen. Zuletzt war sie Geschäftsführerin der Klima-Allianz Deutschland. Heute ist sie im regelmäßigen Austausch mit den mehr als 190 Mitgliedsunternehmen von UnternehmensGrün, die sich u.a. für einen fairen und transparenten Freihandel einsetzen. UnternehmensGrün fordert den sofortigen Stopp der TTIP-Verhandlungen und ist Teil des Bündnisses TTIPunfairHandelbar.

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15 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Zu Ihrer Türhänger- Aktion vor der Wahl, stelle ich fest, dass ich auch die SPD keinesfalls wählen werde. 75% der Abgeordneten haben Gabriel wieder gewählt und er sagt dann auch noch, dass er TTIP eben mit diesem Wahlergebnis durchsetzen will, und bezeichnet jeden, der mehr Anstand als er hat, als hysterisch.

  2. Knackig und auf den Punkt gebracht wie man es von Frau Reuter gewohnt ist. Danke auch für die sehr nützlichen Backgroundinfos!!!

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