Bürger/innen und Parteien wollen ein Lobbyregister – nur eine Gruppe stellt sich quer
Eigentlich ist es ganz einfach: eine funktionierende Demokratie braucht Transparenz. Und dafür braucht es ein verbindliches Lobbyregister - dort sind Name, Budget, Ziel und Auftraggeber der jeweiligen Lobbyisten für alle öffentlich einsehbar. Die Bürger/innen, SPD, Linke und Grüne wollen es. Doch eine Gruppe stellt sich quer: die Fraktion von CDU und CSU.
Im Herbst letzten Jahres starteten wir mit unserem Partner Lobbycontrol die Kampagne “Lobbyisten enttarnen”. Wir forderten die Offenlegung der Liste mit den Bundestags-Hausausweisen und ein verpflichtendes Lobbyregister. Innerhalb kürzester Zeit unterzeichneten 230.000 Menschen den Appell. Diese Unterschriften wollten wir an den zuständigen Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Michael Grosse-Brömer und Volker Kauder, Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion übergeben.
Unsere Anfrage für einen Termin mit Gespräch zum Lobbyregister lautete:
Wie vielen Menschen das Thema ein wichtiges Anliegen ist, zeigen auch die mehr als 230.000 Unterschriften unter dem Appell an Sie, die Campact und LobbyControl gesammelt haben (Appell anbei). Diese Unterschriften würden wir Ihnen gerne im zeitlichen Zusammenhang mit einem Gesprächstermin öffentlich überreichen. Ziel des Gespräches wäre für uns, die unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Transparenz zu diskutieren und mögliche Handlungsoptionen auszuloten.
Die Antwort – mit Wissenslücken
Doch Grosse-Brömer möchte kein Lobbyregister und ist auch insgesamt anderer Meinung was Transparenz und Demokratie angeht. In seiner mehrseitigen Antwort an uns erläuterte der Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, warum er weder die Unterschriften entgegen nehmen möchte, noch an einem Gespräch über ein Lobbyregister interessiert ist. Zum einen erschreckend, dass der Unions-Fraktionsvorsitzende 230.000 Unterschriften von Bürger/innen ignoriert, zum anderen verheerend, welche Wissenslücken bei Herrn Grosse-Brömer zum Thema Lobbyregister klaffen. Seine Absage führt er als Beweis an, dass er sich von Lobbyist/innen nicht beeinflussen lasse. Uns scheint: Herr Grosse-Brömer hat das Problem nicht verstanden und ist schlecht informiert. So schreibt er, dass der Bundestag bereits jetzt transparent sei – Einflussnahme durch Lobbyisten sei kaum möglich. Auch sieht er durch ein Lobbyregister die Unabhängigkeit der Abgeordneten in Gefahr und glaubt sogar, dass durch ein solches Register „gläserne Abgeordnete“ entstehen.
3 Fakten zum Lobbyregister
Wir antworten Grosse-Brömer und beschließen, nicht nur auf die Annahme der Unterschriften zu drängen, sondern auch noch eine Portion Wissen – und Information über ein Lobbyregister mit in den Brief zu packen:
#1 Die bereits bestehende Verbändeliste reicht nicht aus
Bei einem Lobbyregister geht es zuallererst darum, Interessenvertretungsstrukturen sichtbar zu machen: Wer vertritt in wessen Auftrag welches Interesse gegenüber Parlament und Regierung? Dies kann weder das parlamentarische Verfahren noch die Verbändeliste leisten. Lobbyarbeit zielt oft auf Ministerien, wo der Gesetzgebungsprozess meist ihren Ausgang nimmt und sie wird nicht nur von Verbänden, sondern auch von Einzelunternehmen, Auftragslobbyisten und zum Teil auch Rechtsanwaltskanzleien betrieben. Diese Akteure können sich in die Verbändeliste gar nicht eintragen.
#2 Ein Lobbyregister macht niemanden zum „gläsernen Abgeordneten“
Zweitens halten Sie uns vor, wir würden „gläserne Abgeordnete“ anstreben und die Mandatsfreiheit einschränken wollen. Dabei fordern wir weder im Appell noch in sonstigen Äußerungen, dass Parlamentarier „jeden Gesprächstermin, jedes Telefonat, jeden Kontakt, jeden Besuch einer Veranstaltung“ veröffentlichen sollen. Wie Sie betonen, braucht es Transparenz dort, wo sie sinnvoll ist. Transparenz über Interessenvertretungsstrukturen erscheint uns sinnvoll, ebenso wie vielen professionellen Interessenvertretern selbst. Das ist etwas gänzlich anderes, als die verpflichtende Publikation jeden Lobbykontakts
#3 Ein Lobbyregister behindert nicht den Kontakt zwischen Bürger/innen und Politikern
Drittens möchten wir betonen, dass ein verbindliches Lobbyregister keinesfalls den Kontakt zwischen Bürger/innen und Mitgliedern des Bundestags erschweren oder bürokratisieren würde. Ein Lobbyregister verhindert politische Interessenvertretung nicht, aber es würde verbindliche Regeln für alle Akteure schaffen, ob Verband, Unternehmen, Nichtregierungsorganisation, Agentur oder Kanzlei.
Unsere Antwort in voller Länge an Michael Grosse-Brömer findest Du hier!
Wir lassen uns von der Absage nicht einschüchtern – und bleiben dran am Thema Lobbyismus
Dass öffentlicher Druck hilft, zeigen die jüngsten Entwicklungen: Mit dem Start der Kampagne “Lobbyisten enttarnen”, forderten wir gemeinsam mit Lobbycontrol die Offenlegung der Liste mit den Bundestags-Hausausweisen – und ein verpflichtendes Lobbyregister. Es kam Bewegung in den Lobby-Krimi. Zunächst entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg rechtskräftig: Die Parteien müssen offenlegen, wem sie Hausausweise ausstellen. Und seit einigen Wochen gibt es einen kompletten Hausausweis-Vergabe-Stopp. Ein schöner Etappensieg für alle Unterzeichner/innen!
Sensationell!
Ich finde es wirklich gut, dass der Schriftwechsel offen gelegt wird.
Es hilft mir, eine Entscheidung zu treffen.
Vielen Dank! Hoffentlich wird Campact jetzt mehr und mehr dazu übergehen, uns die Originalbriefe zur Einsicht zur Verfügung zu stellen.
WEITER SO!
Es gibt die sogenannte Bannmeile in der nicht demonstrier werden darf.
Ich beantrage diese für Lobbylisten einzuführen weg von u n s e r e n Volksvertretern.
Liebe Frau Dovifat,
Sie haben vergessen, in Ihrem Beitrag auf die bereits sehr erfolgreiche und ältere Kampagne von abgeordnetenwatch.de zum Thema Lobbyregister zu erwähnen: https://www.abgeordnetenwatch.de/bundestag/petitionen/schluss-mit-geheimem-lobbyismus
Schließlich ziehen Sie doch am gleichen Strang, oder?
Mit besten Grüßen,
B. Lauert