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Diese Kohle-Märchen lassen wir nicht so stehen

"Aus dem All kann man die chinesische Mauer sehen", "Stiere hassen die Farbe rot" und "Wir brauchen die Kohle, weil sonst das Licht aus geht": Manche Mythen halten sich so hartnäckig, dass sie zu Märchen werden. Die letzte Behauptung und zwei weitere Kohle-Märchen haben wir uns genauer angesehen.

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Mythos 1: „Die Erneuerbaren liefern noch nicht genug Energie.“

Das Schreckgespenst: der Stromausfall. Geht nach dem Kohleausstieg überall das Licht aus? Nein. Vor dem Atomausstieg streute die Industrie diese Befürchtungen auch. Und sie haben sich nicht bestätigt – im Gegenteil. Die Stabilität der Stromversorgung hat sich sogar verbessert, wie eine Studie des Beratungsinstitut Energy Brainpool zeigt.

Tatsächlich ist die Situation heute ähnlich: Ein Kohleausstieg ist absolut machbar, denn wir haben mehr als genug grünen Strom in den Netzen: Einem Zeitungsbericht zufolge kommt es sogar häufig vor, dass an Tagen mit viel Wind die Windräder absichtlich abgeschaltet werden. Denn der konventionelle Strom aus Kohlekraftwerken verstopft die Netze und lässt keinen Platz für den grünen Strom. Eine von Greenpeace beauftrage Studie bestätigt das: Das Problem sind die unflexiblen Kraftwerke, die ihre Leistung auch dann nicht drosseln, wenn die Bedingungen für grünen Strom gut sind. So kommt es zu einem Überschuss an Strom, der dann großzügig ins Ausland exportiert wird (Zeitungsbericht aus dem Jahr 2013).

Die Energiewende könnte sogar noch stärker sein, wenn sie konsequent umgesetzt würde. Doch eine fast übermächtige Kohlelobby hat es geschafft, dass die Erneuerbaren immer wieder gedrosselt wurden, so dass ihre Leistung künstlich reduziert wurde. Die Erneuerbaren bremsen und dann sagen: Wir haben aber noch nicht genug Erneuerbare! – das klappt selbst im Märchen nicht.

Mythos 2: “Kohle ist billig”:

Das Forum ökologisch-soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat nachgerechnet: Im Jahr 2015 hat die Braunkohle die Deutschen mindestens 15 Milliarden Euro gekostet. Milliarden – wohlgemerkt. Das ist erstaunlich viel für einen vermeintlich “billigen Energieträger”. Das kommt so: In der Produktion ist eine Kilowattstunde Braunkohle zwar vergleichsweise günstig, ca. 3 Cent. Aber das ist eben nur der Produktionspreis – alle anderen Kosten, die die Gesellschaft wegen der Braunkohle trägt, sind hier nicht enthalten. Die FÖS-Studie deckt diese versteckten Kosten auf: Eine Kilowattstunde Braunkohlestrom kostet uns 9,9 Cent, das ist das dreifache des Produktionspreises.

Die tatsächlichen Kosten sind auf den ersten Blick nicht zu sehen. Aber sie haben es in sich: Die Braunkohleindustrie erhielt zum Beispiel 10,8 Millionen Euro Forschungsgelder für die Entwicklung neuer Technologien. 22,5 Millionen Euro kosteten die Wassermengen, die bei beim Kohleabbau verbraucht werden – bezahlt nicht etwa vom Betreiber, sondern vom Steuerzahler. 13,2 Millionen Euro errechnet FÖS für die sogenannten „externen Kosten“: Also der Ausstoß von Schadstoffen, die durch den Kohleabbau entstehen, aber nicht von den entsprechenden Firmen bezahlt werden.

Berücksichtigt man all dies, wird deutlich: Die „billige Braunkohle“ ist eine Mär. Die Steuerzahler zahlen nämlich viel mehr, als nur den Produktionspreis.

Mythos 3: “Die Regionen sind von der Kohle abhängig”

Es ist nicht richtig, hier von einer “ganzen Region” zu sprechen, zum Beispiel die “Region Lausitz”.  Denn, kommt der Kohleausstieg, betrifft das nicht “die Lausitz” als Ganzes, sondern einzelne Teil-Regionen. In einigen Teil-Regionen der Lausitz hat der Kohleausstieg nämlich schon vor 25 Jahren stattgefunden, andere hatten nie mit der Kohlewirtschaft zu tun. Dann gibt es sogar Teil-Regionen, die von einem Kohleausstieg profitieren würden! Beispielsweise der Spreewald: Der Tourismusort ist akut bedroht von der Kohleförderung.

Natürlich gibt es aber die Orte, in denen die Kohleindustrie der Haupt-Arbeitgeber ist. Aber gerade für Menschen in diesen Regionen ist es besonders wichtig, dass es einen Plan für den sogenannten „sozialverträglichen Strukturwandel“ gibt. Also einen Plan für die Menschen, die ihre Arbeit verlieren. Was die Region wirklich bedroht ist die Kohlelobby. Sie behindert einen Strukturwandel konsequent. Eine nachhaltige Entwicklung muss jetzt ihren Anfang haben, und nicht erst kurz bevor das letzte Kohlekraftwerk abgeschaltet ist. Der ThinkTank Agora Energiewende  hat ein umfangreiches Ausstiegskonzept vorgelegt, welches konkrete Schritte für einen Strukturwandel beschreibt: Agora schlägt einen „Strukturwandelfonds“ vor: Der Bund würde Gelder bereitstellen um Regionen gezielt zu unterstützen, entsprechend der Zahl der in den einzelnen Revieren betroffenen Arbeitsplätze.

Die Kohlelobby nimmt das Argument “wir sichern die Arbeitsplätze” so selbstverständlich für sich ein, dass keiner diese Aussage hinterfragt. In Wahrheit sieht es aber so aus: In der Lausitz hat gerade ein Finanzgeflecht um die tschechische Firma EPH die Braunkohle von Vattenfall gekauft. Und das sind keine guten Neuigkeiten für die Kohlearbeiter. Greenpeace hat sich das Geschäftsmodell von EPH genau angesehen, und schlussfolgert: “Der Käufer [EPH] macht keinen Hehl daraus, dass Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung in seiner Politik zweitrangig sind”. 

Progressive Szenarien legen einen Ausstiegsplan bis zum Jahr 2030 beziehungsweise 2040 vor.  Bis dahin wird ein Großteil der Beschäftigten natürlicherweise  – altersbedingt – aus dem Betrieb ausgeschieden sein. Für alle anderen muss eine Perspektive geschaffen werden. Und damit muss jetzt angefangen werden, nicht erst, wenn es zu spät ist.

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Autor*innen

… studierte Kulturwissenschaften und Friedensforschung. Danach arbeitete sie im Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik der Universität Hamburg und bei Greenpeace Deutschland. Sie ist Mitgründerin der deutschen Zweigstelle der nobelpreisgekrönten International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN). Alle Beiträge

4 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. wenn die Sonne nicht scheint und der Winds nicht bläst, wird trotzdem Strom gebraucht. Kriterium für mich ist nicht die Maximalleistung der Ökostromquellen, sondern deren Minimalleistung. Das sind dann leider nur ein paar Prozent der in Deutschland an Arbeitstagen benötigten Leistung. Ich als Elektroingenieur behaupte, dass die Energiewende ohne leistuingsfähige und preiswerte Energiespeichertechnik nicht gelingen kann. Als Ausweg blieben nur Gaskraftwerke, die liefern den Strom relativ teuer, und es entstehen politische Abhängigkeiten. Es könnte jedoch auch sein, dass unsere wirtschaftlichen Konkurrenten Flüssigsalz-AKWs auf Thoriumbasis entwickeln, dann können wir uns unseren teuren Ökostrom an den Hut stecken! Ihr seid Traumtänzer!

  2. Hört sich logisch an und will ich auch glauben. Hier ist aber ’nur‘ von der erneuerbaren und der Braunkohle-Energie die Rede. Wie sieht es mit den, soweit ich weiß, allein in NRW stehenden sieben Steinkohlekraftwerken aus, die Kohle aus entlegenden Gebieten der Erde brauchen, dort wo die Sicherheitsmassnahmen und Arbeitsverhältnisse nicht so super sind wie bei uns?
    Brauchen wir diese Steinkohlekraftwerke noch oder kann deren Energielieferung auch durch erneuerbare Energie ersetzt werden?

  3. Ich habe den Artikel mit großem Interesse gelesen ! Wär ist nicht an sauberer Umwelt interessiert. Allerdings frage ich mich, ob bei einem windstillen Tag wenn alle Haushalte Strom verbrauchen, und die Industrie sowie Büros und Geschäfte in kürzester Zeit die Leistung hochfahren , garantiert die Versorgung gewährleistet ist ! Nur ein paar Stromausfälle im Jahr würden uns in ein Stadium der Unfähigkeit zurückführen !

    • Genau das ist die Sache wir brauchen Kohle noch als Grundlast, denn Wind und Sonne ist nicht immer vorrätig, also mal im überfluß und mal gar nicht. Es gibt auch noch nicht so viele Möglichkeiten die erzeugte Energie für später zu speichern. Aber das wird in solchen Artikeln ja immer weg gelassen. Es wird nie das Ganze beurteilt!

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