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Das Scheitern von CETA ist nur aufgeschoben

Die belgischen Regionen haben ihrer Bundesregierung die Erlaubnis gegeben, CETA zu unterzeichnen. Ist damit der Deal durch? Mitnichten! Was jetzt folgt – und woran CETA noch scheitern kann.

Die belgischen Regionen haben ihrer Bundesregierung die Erlaubnis gegeben, CETA zu unterzeichnen. Ist damit der Deal durch? Mitnichten! Was jetzt folgt  – und woran CETA noch scheitern kann.

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So geht es mit CETA weiter. Grafik: Zitrusblau/campact (CC)

 

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Darf ein Land so ein Abkommen blockieren?

Der Streit war das Thema in den Nachrichten der letzten Tage: Wallonien blockiert CETA. Dabei ist das nicht ganz richtig: Neben Wallonien hatten die Region Brüssel, die deutschsprachige und die französischsprachige Gemeinschaft Einspruch eingelegt. In der Presse war viel Empörung zu lesen und zu hören, warum so kleine Regionen einen Vertrag von 27 Staaten lahm legen darf. Aber eine Tatsache kam in den Berichten zu kurz. Bei so weitreichenden Verträgen wie CETA, ist es generell so, dass Abkommen schon durch das Nein eines einzigen Landes scheitern. Egal ob es das kleine Luxemburg mit 400.000 Menschen ist oder Deutschland mit 80 Millionen Einwohnern. Das ist auch wichtig und gut. Denn CETA ist ein “übergriffiges” Abkommen, das tief in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten eingreift.

Was bedeutet die Unterzeichnung?

Der Streit in Belgien ging darum, ob die belgische Bundesregierung CETA unterzeichnen darf, zusammen mit den anderen EU-Mitgliedsstaaten und der EU. Unterzeichnen heißt: Das Abkommen ist fertig. Mehr nicht. Damit es gilt, muss es ratifiziert werden. Es gibt eine Besonderheit in Belgien: Die belgische Bundesregierung braucht die Zustimmung der Regionen, um Verträge zu unterzeichnen. In Deutschland ist das anders. Da braucht die Bundesregierung die Zustimmung des Bundesrats erst für den letzten Schritt, die Ratifizierung.

Wie geht es jetzt weiter?

Bevor CETA in Kraft treten kann, sind viele Schritte erforderlich – und an jedem Schritt kann CETA gestoppt werden.

    • Die Unterzeichnung durch Kanada, die EU, und die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten wurde verschoben, wird aber voraussichtlich jetzt nicht mehr scheitern.
    • Danach muss CETA zur Verabschiedung in das EU-Parlament. Von dort ist zu hören, dass die Mehrheit im Parlament einen sehr straffen Zeitplan durchsetzen will. Dann würde schon im Januar 2017 entschieden.
    • Unmittelbar nach der Entscheidung des Europäischen Parlaments kann CETA “vorläufig in Kraft treten”. Das bedeutet, das Abkommen gilt, obwohl noch nicht alle zugestimmt haben, die zustimmen müssen. Aber es gilt nur in Teilen: Die Teile von CETA, für die die EU die alleinige Kompetenz hat. Die umstrittenen Investor-Staats-Klagen (Paralleljustiz für Konzerne) werden nicht vorläufig in Kraft gesetzt. Die Phase in der CETA “vorläufig in Kraft” ist dauert so lange, wie die Ratifizierung dauert – das können viele Jahre sein. Sie endet sofort, wenn die Ratifizierung in nur einem Mitgliedsland endgültig scheitert und dessen Regierung das der EU-Kommission mitteilt. Sie endet auch, wenn das Bundesverfassungsgericht urteilt, dass CETA nicht vereinbar mit unserer Verfassung ist.
    • CETA muss von allen 28 Mitgliedsstaaten ratifiziert werden. Das ist in jedem Land unterschiedlich geregelt. In Belgien müssen alle Regionalparlamente dafür stimmen. In Deutschland muss neben dem Bundestag auch der Bundesrat Ja sagen. Dort hat die Große Koalition nur 16 der 36 nötigen Ja-Stimmen – die neue Koalition im Land Berlin hat gerade sein Nein zu CETA festgeschrieben. Und in den Niederlanden ist ein rechtlich bindendes Volksbegehren gegen CETA möglich – das wird gerade vorbereitet.

Erst wenn all diese Hürden genommen sind, würde CETA inklusive der umstrittenen Sonderklagerechte für Konzerne in Kraft treten. Aus heutiger Sicht scheint das nicht sehr wahrscheinlich. Der Widerstand gegen das Abkommen wächst in vielen EU-Ländern, und die Kritik in den Parlamenten am Kurs ihrer Regierungen wächst entsprechend.

Belgische Einigung: CETA auf Zeit

Werfen wir zum Ende noch einen genaueren Blick auf Belgien. Die Regionen haben die Erlaubnis für ihre Bundsregierung, den ersten Schritt in Richtung CETA zu gehen, mit einer Ankündigung verknüpft, die es in sich hat: Werden die Investorenklagen in ihrer jetzigen Form beibehalten, dann werden sie CETA nicht ratifizieren. Die Parlamente der Regionen dürfen ihre Bundesregierung dazu zwingen, das Scheitern der Ratifizierung offiziell bekannt zu geben – und damit CETA stoppen. Das muss sie auf deren Verlangen innerhalb eines Jahres tun, dann endet sofort die “vorläufige” Phase und der Vertrag ist endgültig gescheitert. Damit legen die belgischen Regionen eine “Sprengsatz mit Zeitzünder” in CETA an.

Weiterhin wird Belgien den Europäischen Gerichtshof anrufen um klarzustellen, ob die Investorenklagen in CETA mit dem europäischen Recht vereinbar ist. Der Deutsche Richterbund hat dies schon seit langem gefordert.

Mit den Berliner Aktivisten vor der belgischen Botschaft sagen wir: Merci, Wallonie!

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So kannst Du helfen, CETA zu stoppen

Wir setzen weiter auf die rebellischen Regionen in Belgien, auf die Niederlande, auf die Grünen und Linken im Bundesrat – und werden weiterhin alles daran setzen CETA zu stoppen. Dafür haben wir starke Bündnisse und die nötige Ausdauer. Aber es braucht auch viel Kraft – und Deine Unterstützung. Fördere jetzt Campact und ermögliche uns damit, CETA weiterhin zu stoppen.

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Autor*innen

Jörg Haas, Jahrgang 1961, war Campaigner bei Campact. Nach einem Berufseinstieg in die Entwicklungszusammenarbeit in einem Regenwaldprojekt in Ecuador war er lange Jahre als Ökologiereferent für die Heinrich-Böll-Stiftung tätig. 2008 wechselte er als Programmdirektor zur European Climate Foundation. Intensives Engagement in den UN-Klimaverhandlungen in Kopenhagen. Ohne öffentliche Mobilisierung fehlt jedoch der Handlungsdruck - daher der Wechsel zu Campact, zuerst als Pressesprecher, dann als Campaigner. Alle Beiträge

11 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Offensichtlich sind die Meldungen aus USA in Vergessenheit geraten, daß Bienen dort in großen Landstrichen ihre Aufgabe nicht mehr verrichten können – mittlerweile wird die Schadenfreude zugunsten unserer „solidarischen Landwirtschaft“ vertrieben und eine gro0e Sorge bestätigt, daß verantwortungslos regierende Christen die Schöpfung zugunsten der kapitalistischen orientierten Parteien dieNatur zugrunde richten. Es ist zu befürchten, daß sie nicht einmal zur Rechenschaft hinzugezogen werden für die rücksichtslose Verantwortungs-Schande, wie wiederholt berichtet wurde.
    Die Berichte über unsere Demonstrationen in Frankfurt klangen harmlos, die Bilder zeigten vereinzelte Grüppchen: es entsteht der Eindruck, daß erhebliche FinanzStrategien im Spiel steuern.
    Gerne biete ich Bilder an, die dicht gedrängte Gruppierungen engagierter Demonstranten zeigen.

  2. Ich bin ganz gut darin, wie ich festgestellt habe, mir selbst diese Gemeinheiten der anderen Seite auszudenken. Und ich würde das alles genauso machen.
    CETA erstmal vorübergehend einführen: Welcher Politiker, welche Nation, werden sich noch trauen, alles mit Veto wieder zurückzunehmen, wenn es erstmal eingeführt ist. Da ist der Druck dann ja NOCH höher. Wenn die Wallonie schon JETZT der Blockade und des Rückschritts bezichtigt wurde.
    Man muss sich nur den Ton in den Berichterstattungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks anhören. Unfassbar. … waren die Journalisten vor einer Weile nicht selbst mal kritisch bezüglich TTIP (und damit notwendigerweise ja auch bezüglich CETA)?

    So schafft man Radikalisierung in der Bevölkerung!

    Was bleibt mir denn noch, um meine Wut zu kanalisieren?

    Wenn nicht mal der demokratische Weg offen steht.

    Man sich die Füße auf Demos plattlaufen kann und es keinen juckt in Berlin oder Brüssel.

  3. Wo ist MEINE Rücktritts-Klausel??!!

    ICH WILL AUCH EINE!!!

    …war ja total klar.
    Nicht nur, daß Wallonien unter Druck gesetzt wird… es ist ja klar, wie so etwas dann abläuft: Den Interessen der größten(!) Widerstands-Gruppe und den am klarsten(!) definierbaren „Bedenken“ wird etwas entgegengekommen, alle anderen haben halt Pech gehabt. Sprich: Sehr auf den einzelnen und konkreten Fall der LANDWIRTSCHAFT in Wallonien zugeschnitten gibt es eben Sicherheiten, aber für alle anderen Gesellschaftsbereiche und anderen Länder gibt es das eben nicht.

    Ich will den Schutz meiner persönlichen individuellen Demokratie-Rechte.
    Ich will den Schutz meiner persönlichen individuellen Sozialen Absicherung.
    Ich will den Schutz meines persönlichen Individuellen Arbeitsrechts.

    Leiderleider bin ich nur eine einzelne Person, die kein Vetorecht besitzt.

    Armutszeugnis für die gesamtgesellschaftliche Entwicklung in der Welt.

    Es geht immer weiter:Die Mächtigsten setzen sich weiter durch.

  4. Schade, schade, schade,

    ich habe es zwar befürchtet, der hinterrückse Druck muss enorm sein, und man kann sich kaum vorstellen, was das für Parlament und Ministerpräsident einer kleinen Region in wirtschaftlichen Schwierigkeiten bedeutet. Bedenkt, was die deutsche Regierung mit Griechenland gemacht hat. Irgendsoeine bösartige Erpressung wird auch hier stattgefunden haben.

    Ich finde es auch nicht richtig, das schön zu reden. Die EU-Kommission und die Autolobbyvertreter in Frankreich, Italien und Deutschland haben nun ein Jahr Zeit, irgendetwas zu drehen, damit die Abkommen durchkommen. Ich stelle mir einfach vor, ich wäre Projektleiter der anderen Seite, ich würde jubeln und Pläne schmieden.

    Ja, ich kämpfe auch weiter gegen diese Demokratie vernichtenden Verträge, aber es wird zäh, und es wird hart. Wir müssen gewinnen, sonst kommt es zum großen demokratischen Bruch. Und die Lobby-Politiker merken nichts, ihre Wahrnehmung ist gestört.

    Schade schade schade
    echt traurig.

    • Danke,
      ein sehr guter Hinweis.
      Hab mir gleich das PDF gesichert, wer weiß, wie lange die Zeit das lesen lässt.
      Schließlich oszilliert das Blatt zwischen solchen vereinzelten Beiträgen und bramarbsierenden pathetischen Globalisierungsverheißungen und schwülstiger, durchaus verlogener, Diffamierung der Kritiker der Verträge.

  5. Fakten werden nun noch wichtiger. Sonst sagen die Leute :“ Naja, wenn die zustimmen, wird das schon passen!“. Viel Glück. Weiter so. Und einleuchtende Fakten nennen.

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