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Megastall-Boom: Ein Dorf wehrt sich gegen riesige Fleischfabrik

Durch puren Zufall erfahren die Bürger/innen in Könkendorf, dass ein holländischer Investor in ihrem Dorf die größte Hähnchenmast Brandenburgs plant. Megaställe für über 300.000 Hähnchen sollen gebaut werden. Doch sie gründen eine Bürgerinitiative – und sagen dem Investor den Kampf an.

Seit Jahren kämpfen Bürgerinitiativen überall in Deutschland gegen neue Megaställe. Doch es ist ein ungleicher Kampf. Während Tierbarone mit spezialisierten Anwälten und Gutachtern zusammenarbeiten, müssen sich Bürger/innen erst selbst in die Materie einarbeiten. Sie müssen Gutachten in Auftrag geben, Einwendungen schreiben, Politiker und Öffentlichkeit mobilisieren – und all das ehrenamtlich.

Den Menschen in Könkendorf ist schnell klar geworden, dass sie jetzt handeln müssen. Sie gründeten 2014 eine Bürgerinitiative – und arbeiteten sich schnell in die Materie ein. Sie erfuhren früh von den Plänen der Investoren und konnten sich zeitig mit anderen Initiativen vernetzten und werden durch den Naturschutzbund (NABU) unterstützt. Trotzdem ist es auch hier schwer, durchzuhalten. „Um zu belegen, dass die Anlage Tiere und Umwelt schädigt, haben wir Gutachten für mehrere Tausend Euro anfertigen lassen“, berichtet Ingo Klugert von der Bürgerinitiative „Prignitzer gegen Industriemast“. „Wir konnten mit viel Aufwand gerade genug Spenden dafür sammeln. Aber wenn wir weitere Aktionen und unseren Anwalt bezahlen wollen, wird es eng.“

David gegen Goliath in der Prignitz

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Was die Bürgerinitiative aus eigener Kraft auf die Beine stellt ist bemerkenswert. Mit Aktionen vor Ort und in der Landeshauptstadt machen sie auf ihr Anliegen aufmerksam, suchen die Diskussion mit Investoren, lokalen Politikern und dem brandenburgischen Ministerpräsidenten. Mehr als 50 Einwendungen reichten sie gegen die Hähnchenmast ein, kritisierten u. a. Luft– und Wasserbelastung, artfremde Tierhaltung und Ungereimtheiten in den vorgelegten Gutachten. In einem zehnstündigen Marathon diskutierten sie ihre Einwände bei der öffentlichen Erörterung mit den Behörden und dem Investor.

Die Stadt selbst ist gegen die Mast. Doch weil der Investor behauptet, dass es sich bei der Anlage um einen baurechtlich privilegierten landwirtschaftlichen Betrieb handelt, besteht die Gefahr, dass die Genehmigung trotzdem erteilt wird.

Freibrief für Megaställe – das Baurecht macht’s möglich

Dabei wäre die Mastanlage wenn überhaupt nur auf dem Papier ein landwirtschaftlicher Betrieb. Die Ställe sollen durch zwei GmbHs gebaut werden, die in einem Baucontainer angesiedelt sind. Die Flächen, die dem Anbau des Tierfutters dienen sollen, sind lediglich zugepachtet – Geräte und Personal zur Bewirtschaftung gibt es nicht. „Jeder kann auf den ersten Blick sehen, dass das kein Bauernhof ist“, sagt Klugert. „Aber weil das brandenburgische Ministerium bei der Einordnung als landwirtschaftlicher Betrieb lediglich auf die Fläche schaut, können Großinvestoren mit genug Geld Flächen zupachten und so das Gesetz aushebeln.“ Ob ihnen das tatsächlich gelingt, wird im Fall Könkendorf wohl ein Gericht zu klären haben.

Die Könkendorfer haben die Hoffnung in die Genehmigungsbehörde, das Landesamt für Umweltschutz, noch nicht aufgegeben. Doch damit Bürgerinitiativen eine faire Chance gegen Megaställe haben, muss das Schlupfloch im Baugesetz gestopft werden. Solange offensichtliche Industrieanlagen als landwirtschaftliche Betriebe „umetikettiert“ werden, können sich Kommunen kaum wehren – besonders wenn die Politik die Investoren unterstützt.

Warum die Politik sich nicht drücken darf

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In Brandenburg etwa fördert die Landesregierung riesige Mastbetriebe großzügig mit Steuergeldern. Klugert hat Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) schon mehrfach getroffen und gefragt, warum die Regierung Mastfabriken nicht verhindert. Aber Woidke hat heruntergebetet, was Politiker oft sagen: dass es eben Massentierhaltung geben müsse, solange die Verbraucher billige Broiler kaufen wollen. Das ist grotesk!“, meint Ingo Klugert. „Solange dem Verbraucher vorgegaukelt werden darf, er kaufe Produkte von glücklichen Tieren, kann er keine freie Entscheidung treffen.“

Die Könkendorfer Bürger/innen sind mittlerweile Experten für die Bedingungen, unter denen Tiere in der industriellen Fleischproduktion gehalten werden. Und sie erleben, wie Investoren gerade in strukturschwachen Regionen ihre Interessen auch gegen Kommunen durchsetzen können. „Es geht um Tierschutz, aber auch um Gesundheitsschutz und den Erhalt unserer Dörfer“, so Klugert. „Wir wehren uns mit allen Mitteln. Aber dieser Kampf von David gegen Goliath ist ohne Unterstützung aus der Politik nicht zu gewinnen.“

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Autor*innen

Katrin Beushausen kam von der Bühne zur Politik: Nach dem Studium der Theaterwissenschaft arbeitete sie als Pressereferentin und Dramaturgin, lehrte und promovierte zum Verhältnis von Theater und Öffentlichkeit. Sie organisierte kreativen Protest gegen Uni-Sparpläne und stritt bei 350.org gegen klimaschädliche Investitionen. Seit 2016 ist sie Campact Campaignerin. Alle Beiträge

12 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Die Politik es zu Aufgabe machen Haltung, Tötung und Verwertung tierischer Ressourcen zu verbessern.
    Wollen wir auch nicht alle Vegetarier sein, sollte medizinisch bekannt sein, daß der Genuß von
    in Todesangst gestreßten Tieren, deren Adrealinangstüberschuß sich auf den Menschen überträgt und bei ihm zu Agressionen führen kann, ganz abgesehen von den unzumutbaren Haltungsbedingungen, die allein schon unwürdig sind.

  2. Offener Protest gegen die industrialisierte Landwirtschaft, sie tötet die Bauern bei uns und schafft durch subventionierten Handel gerade das Elend das wir in Afrika verhindern wollen. Monokulturen in Europa und die industrialisierte Tierhaltung schaffen erst das Welternährungsproblem, das sie vorgeben zu bekämpfen.

  3. Jeglicher Vorausgang auf Gebiet von Handel ist ein grosser Nachteil für den Vekehr, für Umwelt, für Tier und Mensch und aller Art.
    Ausserdem haben wir selbst genug Ware und brauchen den langen Handelsweg von Canada bis hier her nicht einschlagen.
    Ständig und überall wird logake Ware angepriessen, also was soll’s.
    Wallonie is stark und wir sind sehr zufrieden. Bitte machts es nach, alle Ihr Vôlker da draussen.

    Inge Neubert

  4. Ich werde meinen nächsten Urlaub bei den Wallonen machen.
    Irgend etwas muß ich ja tun, um meiner Freude Ausdruck zu verleihen.

  5. Das sehe ich anders. Der Bedarf an Fleisch ist bereits seit Jahren in Deutschland gedeckt, wir brauchen hier keine weitere Massentierhaltung. Obwohl es richtig ist, das sog. Billigfleisch nicht zu konsumieren, so verhindert es nicht den Bau von weiteren (Mega)Ställen, da dieses Fleisch für den Export bestimmt ist – mit zunehmender Tendenz.
    Ganze Regionen versinken in Deutschland mehr und mehr in übelstem Gestank, Lärm großer Maschinen, Überdüngung der Böden, Gefährdung des Grundwassers und Elend der Tiere. Tatsächlich hat dies mit Landwirtschaft nichts zu tun, da es nur um Investitionen von Kapitalgebern mit kurzfristigen Profitinteressen geht. Der Export von Billigfleisch zerstört die Einheimische Landwirtschaft der importierenden Länder. Was in Deutschland bleibt (extremer Gestank und Lärm), zerstört zudem die Wohnqualität kleiner Dorfgemeinschaften und lässt die Immobilienpreise dort drastisch sinken. Es gibt dringenden politischen Handlungsbedarf!

  6. Warum „muss“ man überhaupt Hähnchen essen? Ein Leben für so wenig Fleisch. Obwohl ich keine 100% Vegetarier bin, ist es mir noch nie schwergefallen, auf Hähnchen zu verzichten. Wer weniger Tierquälerei möchte, muss letztlich auf möglichst viel Fleisch verzichten – und natürlich trotzdem die Petition hier unterschreiben!

  7. Ich kann es nicht mehr hören wenn Politiker sich aus ihrer Verantwortung reden mit diesen Sätzen wie,solange die Verbraucher billiges Fleisch kaufen wollen müssen wir die Massentierhaltung akzeptieren.Die Bürger wollen auch billige Zigaretten,billigen Alkohol,keine oder nur wenige Steuern zahlen und die Liste ist unendlich.Da heißt es zu Recht,ist alles Gesundheitsgefährdent.In diesen Massenfabriken gibt es KEINEN TIERSCHUTZ .Wir sollten den Verantwortlichen Politiker,der , wo auch immer , diese Genehmigungen für solche Projekte erteilt zwingen , mit ihren eigene nKindern solche Betriebe einen ganzen Tag zu besuchen und ihren eigenen Kindern ehrliche Antworten auf deren Fragen zu geben.Sie werden fragen ist DAS UNSERE ZUKUNFT? Wo führt dieser Wahnsinn noch hin.Ich habe Angst.

  8. Ich drücke den Könkendorfern und allen anderen BI’s die Daumen, dass ihr Protest Erfolg haben wird. Ich stelle mir nur eine Frage: Meiden denn auch alle Demonstranten die Tierprodukte aus den Megaställen in anderen Regionen oder greift man da doch mal gern zum Billig-Fleisch?
    So eine Anlage stinkt zum Himmel – das will verständlicherweise niemand in seiner Nachbarschaft. Aber nur der Verbraucher hat letztendlich die Macht, diese zu verhindern – durch konsequente Meidung von Fleisch aus nicht argerechter Tierhaltung. Weniger ist mehr und dann tut auch der höhere Preis nicht weh!

    • Stimmt nur auf den ersten Blick. Diese Megaanlagen produzieren längst für den globalen Wettbewerb, da interessieren die örtlichen VerbraucherInnen nur noch Rande. Mit TTIP und CETA wird das nicht besser werden.

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