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Am Kind gespart: Warum diese Hartz-IV-Regelung Kinder benachteiligt

Ausgerechnet an Kindern aus Trennungsfamilien mit Hartz IV-Bezug wird gespart: Sie können nicht ohne weiteres Zeit mit dem getrennt lebenden Elternteil verbringen. Anna Petri Satter will das ändern – wie das geht, erklärt sie im Interview.

Anna Petri-Satter ist alleinerziehende Mutter – und bis vor Kurzem bezog sie selbst Hartz IV. Jetzt kämpft sie mit einer Petition dafür, die Lebenssituation für Trennungsfamilien, die auf Hartz IV angewiesen sind, zu verbessern. Denn momentan können Kinder aus solchen Familien nicht ohne weiteres Zeit mit dem getrennt lebenden Elternteil verbringen. Warum das so ist – und wie das geändert werden kann, erklärt Anna Petri-Satter im Interview.

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Anna Petri-Satter will die Lebenssituation für Trennungsfamilien im Hartz-IV-Bezug verbessern.

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Sie haben bereits Hartz-IV-Kürzungen für Alleinerziehende erfolgreich gestoppt. Wieso haben Sie jetzt eine neue Petition gestartet – worum geht es diesmal?

Anna Petri-Satter: Die Realität ist nunmal sehr komplex: Wir haben zwar verhindert, dass die unsinnigen Kürzungen für die so genannten “Papa-Tage” gesetzlich und damit für alle verbindlich festgeschrieben wurden. An der rechtlichen Grauzone hat sich dadurch aber bis heute nichts geändert: Es muss nicht für die Papa-Tage gekürzt werden, aber es kann – und so streichen die Jobcenter inzwischen sogar häufiger Geld als vorher. Das muss sich dringend ändern! Die Bundesregierung hat mit der Überarbeitung der Hartz-IV-Regelsätze die Chance, die Situation für die Betroffenen grundsätzlich zu verbessern und endlich Rechtssicherheit zu schaffen. Deshalb fordere ich nun mit der Rückendeckung der Unterzeichner/innen meiner Petition, dass in keinem Fall mehr Geld für die Papa-Tage gestrichen werden darf. Im Gegenteil: Es ist notwendig, dass demjenigen Elternteil, bei dem sich die Kinder nur hin und wieder aufhalten, ein Zuschlag für diese Tag gezahlt wird. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Kinder in beiden Elternhäusern ausreichend versorgt werden.

Die Bundesregierung verhandelt aktuell über neue Hartz-IV-Regelsätze. Wird die Lebenssituation von Trennungsfamilien dabei ausreichenden berücksichtigt?

Nein, auf gar keinen Fall, sonst hätte ich die derzeitige Petition nicht gestartet. Bei der neuen Berechnung der Hartz-IV-Regelsätze wird auf die spezielle Lebenssituation von Trennungsfamilien überhaupt nicht eingegangen. Es wird also weiterhin ignoriert, dass Kinder, die in zwei Haushalten leben, eben mehr Kosten verursachen. Diesen Kosten muss aber in Form entsprechender Hartz-IV-Regelsätze Rechnung getragen werden. Bisher findet hier eine absolute Mangelverwaltung statt, erst recht wenn beide Elternteile auf Sozialleistungen angewiesen sind. Und geht es nach Frau Nahles, soll diese extrem belastende und zermürbende Situation für Trennungsfamilien im Hartz-IV-Bezug offensichtlich fortgeführt werden.

Was sind aus Ihrer Sicht die Folgen für die Betroffenen?

Für die Betroffenen ist die Situation massiv belastend und führt zu vermehrten Konflikten, Erschöpfung und verschärften Armutsfolgen. Aber nicht nur für die Eltern, vor allem für die Kinder ist das schlimm: Sie werden quasi vor die Wahl gestellt – “Papa oder Hose”. Das ist ein Skandal! Aus meiner Sicht heizt die Regierung mit ihrer Politik Konflikte in Trennungsfamilien an und trägt dazu bei, die Kinderarmut in Deutschland massiv zu verschärfen. Wie die Regierung das für ethisch oder finanziell tragbar halten kann, ist mir ein Rätsel. Was mich besonders ärgert ist, dass die Folgen der Armut für die Gesellschaft am Ende ja auch wieder teuer sind. Hier zu sparen lohnt sich also noch nicht einmal.

Was wäre Ihrer Meinung nach nötig, um der Lebenssituation von Trennungsfamilien, die auf Hartz IV angewiesen sind, gerecht zu werden?

Dringend nötig ist eine Anpassung der Hartz-IV-Regelsätze an die Lebensrealität von Trennungskindern. Und die Realität ist, dass Umgang mit beiden Elternteilen für alle Kinder gleich wichtig ist, und dass das eben mehr kostet. Die Einführung eines Zuschlags für die „Papa-Tage“ – der so genannte Umgangsmehrbedarf – würde Rechtssicherheit für die Betroffenen schaffen, Konflikte entschärfen, und vor allen Dingen Umgang auch für Trennungskinder, die auf Hartz IV angewiesen sind, bezahlbar machen.

Was wollen Sie als nächstes tun, um Ihre Forderungen durchzusetzen?

Ich möchte mich gemeinsam mit meinen Unterstützer/innen persönlich an Frau Nahles und die zuständigen Abgeordneten im Ausschuss für Arbeit und Soziales wenden. Wir werden diese Woche noch einige Online-Aktionen starten und ich werde die Unterschriften am 28. November persönlich in Berlin an die zuständigen Politiker/innen übergeben. Dabei werden wir an sie appellieren, sich mit uns für die Einführung eines Umgangsmehrbedarfs einzusetzen. Denn am Ende wollen wir doch hoffentlich das gleiche: Eine Gesellschaft, in der alle Eltern auch nach einer Trennung weiter gemeinsam die Verantwortung für ihre Kinder übernehmen können – und zwar unabhängig davon, wie viel sie verdienen!


Anna Petri-Satter weiß was sie will: eine Gesellschaft, in der jedes Kind seine Eltern so oft sehen kann, wie es will. Unterstütze ihre Petition:

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Diese Petition wurde auf WeAct, der neuen Petitionsplattform von Campact, gestartet. Es ist also keine Kampagne von Campact. Da Campact aber die Ziele der Petition unterstützt, möchten wir Dich auf die Kampagne hinweisen.

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Autor*innen

Simone Katter, Jahrgang 1979, hat Soziologie mit dem Schwerpunkt Entwicklungspolitik studiert und ist ausgebildete Journalistin. Sie hat für das Deutsche Institut für Menschenrechte, Oxfam und zuletzt als Referentin für Online-Kommunikation beim INKOTA-netzwerk gearbeitet. Nach Stationen in Mexiko und Nicaragua lebt die gebürtige Ruhrgebietlerin heute in Berlin. Ob bei der Antifa, Anti-Atombewegung oder attac – gemeinsam mit anderen für Gerechtigkeit zu streiten, das treibt sie an. Bei Campact hat sie die Petitionsplattform WeAct betreut. Alle Beiträge

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