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G20: Bittere Bilanz

Die Rauchschwaden haben sich verzogen, doch die bitteren Bilder vom G20-Gipfel in Hamburg schwirren uns noch immer durch den Kopf. Die Bilder von Gewalt und Chaos helfen jetzt vor allem den Falschen und die wichtigen Themen gehen dabei verloren.

Protest am 6. Juli 2017 gegen JEFTA in Berlin. Foto: Campact/Gordon Welters
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Die krassen und bitteren Bilder vom G20-Gipfel in Hamburg schwirren uns noch immer durch den Kopf. Und schwierige Fragen. Ist es angesichts der massiven Gewalt noch richtig, Politik und Polizei dafür zu rügen, dass sie bereits im Vorfeld das Versammlungsrecht massiv eingeschränkt haben? Oder müssen Protestbewegungen nicht erst einmal viel klarer Nein zur Gewalt sagen? War es richtig, den G20-Gipfel zu begrüßen, wenn so wenig rauskam? Oder ist der G20-Beschluss zum Klima nicht doch einiges wert? Langsam ordnen sich unsere Gedanken, und wir möchten sie mit Euch teilen.

Inhaltliche Kritik verschwindet in den Hintergrund

Wie sehr gewaltsamer Protest unserem Anliegen schadet, das haben uns die letzten Tage in Hamburg noch einmal gezeigt: Die inhaltliche Kritik am G20-Gipfel verschwand völlig hinter der Debatte um gewaltsame Auseinandersetzungen. Mit Gewalt erreicht man nicht die Herzen der Menschen, sondern bringt sie gegen sich auf. Wer Autos anzündet und Polizist/innen attackiert, wer marodierend alles kurz und klein schlägt und Geschäfte plündert, der sabotiert und diskreditiert das Engagement zehntausender Menschen, die ihre Kritik friedlich an der Politik der G20 äußern. Das ist anmaßend. Das ist dumm. Das ist kriminell. Und braucht eine klare Ansage: Mit uns habt ihr nichts gemein.

Die Rauchschwaden über Hamburg helfen vor allem Angela Merkel. Links von ihr legen Vermummte alles in Schutt und Asche, rechts von ihr verbreiten Autokraten Angst und Schrecken – und sie kann sich inszenieren als diejenige, die im Sturm noch Sicherheit bietet. So gewinnt man Wahlen. Für Kritik bleibt dann kein Raum: Wie katastrophal Merkels ideologische Sparpolitik für Griechenland und Co. sich auf Europa auswirkt. Wie doppelbödig ihre Klimapolitik ist, wenn sie daheim Kohlekraftwerke munter weiter laufen lässt. Wie sie Politikverdrossenheit fördert, indem sie jede politische Auseinandersetzung einschläfert.

Was sind die Ursachen für das Ausmaß der Gewalt?

Wir wissen nicht, wer sich alles schwarz vermummte, und etliche waren vielleicht schlicht kriminelle Hooligans. Das ist ein Grund mehr, endlich das Geschwurbel mancher Organisatoren des Protests zu beenden, die sich vor einer klaren Distanzierung von Gewalt drücken. Es reicht nicht, wenn sich jetzt einige von “sinnloser Zerstörung” distanzieren oder von einer “Form von Militanz, die sich an sich selbst berauscht hat”. Das impliziert ja, dass es in einer parlamentarischen Demokratie sinnvolle Militanz und Zerstörung gäbe. Auch Fehlverhalten der Polizei rechtfertigt in keinster Weise tätliche Angriffe auf Polizist/innen und Vandalismus.

Die Ursachen für das Ausmaß der Gewalt sind aber auch woanders zu suchen: bei den politisch Verantwortlichen für den Polizeieinsatz – bei Angela Merkel, bei Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) und auch bei den Grünen, die so tun, als wären sie gar nicht Teil des Senats. Viele Berichte belegen: Statt besonnen und verhältnismäßig vorzugehen, hat die Polizei schon im Vorfeld des Gipfels Auseinandersetzungen provoziert und trat immer wieder martialisch auf. Als dann die Ausschreitungen während des Gipfels eskalierten, war sie völlig überfordert. Ausgerechnet ein bekannter Hardliner, Hartmut Dudde, wurde vom rot-grünen Senat zum Einsatzleiter der Polizei ernannt. Schon mehrmals haben Gerichte Dudde Verstöße gegen geltendes Recht attestiert.

Versammlungsfreiheit ist Grundpfeiler der Demokratie

Hinzu kommt, wie massiv das Versammlungsrecht ausgehebelt wurde, ein Grundpfeiler einer lebendigen und streitbaren Demokratie. Demos pauschal auf 38 Quadratkilometer untersagen. Der Versuch, Camps für Demonstrant/innen generell zu verbietenDas ist eines Rechtsstaats unwürdig.

Wer Trump, Putin und Erdogan, wer Autokraten und Antidemokraten zu sich einlädt, der sollte ihnen sagen: Schaut her, bei uns werden Demos nicht verboten. Hier werden friedliche Demonstranten nicht verprügelt – auch wenn wir wehrhaft gegen Gewalttäter vorgehen. Für uns sind Grundrechte das höchste Gut – und wir sind stolz darauf. Wie soll nach den Tagen von Hamburg eine Bundesregierung noch Erdogan und Putin kritisieren, wenn sie auf friedliche Demonstrant/innen einschlagen lassen. Beide werden diebische Freude an den Bildern von Hamburg haben.

Grüne und SPD sind auf Tauchstation

Leider stößt das Aushöhlen des Versammlungsrechts und das in etlichen Situationen unverhältnismäßige Vorgehen der Polizei jenseits der Linkspartei auf wenig Widerspruch. Wo ist die scharfe Kritik einer Katrin Göring-Eckardt, eines Cem Özdemir oder einer Simone Peter von den Grünen, die sonst um keinen Tweet verlegen sind? Wo intervenieren Bürgerrechtler der SPD? Alle auf Tauchstation. Und Olaf Scholz kommt zum irritierend pauschalen Urteil, die Polizei habe alles richtig gemacht.

Heribert Prantl, Chefredakteur der Süddeutschen Zeitung, schreibt: “Die Hamburger Polizei hat die Demonstranten in toto als Gegner betrachtet, die man wegschieben muss[…]; die Hamburger Polizei – gemeint ist die politische Führung und die Einsatzleitung, nicht die zwanzigtausend Einsatzkräfte – hat schon im Vorfeld allein auf paramilitärische Taktiken gesetzt. Das war, das ist so von gestern wie die Politik von Herrn Trump.” Ein so klares Statement hätte man sich auch von SPD und Grünen gewünscht.

Protestwelle: Tausende Menschen demonstrierten friedlich

Bewusst haben wir als Campact uns nicht der plakativen Botschaft “No G20” angeschlossen. Gerade in so krisenhaften Zeiten wie den jetzigen halten wir es für zentral, dass Staatschefs miteinander reden. Gleichzeitig kritisierten wir im Bündnis mit Gewerkschaften, Umwelt- und Eine-Welt-Organisationen scharf die Politik der G20, besonders beim Klimaschutz und der Handelspolitik. Mit 25.000 Menschen demonstrierten wir im Vorfeld des Gipfels und forderten eine ganz andere Politik.

Unsere Protestwelle prägte die Abendnachrichten und Schlagzeilen der großen Zeitungen. Tausende Menschen am Ufer, hunderte auf Kanus, Flößen und allem, was schwimmt, boten ein buntes und friedliches Bild des Protests. Die beeindruckende Großdemo mit 75.000 Menschen gegen G20 zum Ende des Gipfels wurde hingegen in den Medien von der Gewaltdebatte und den Bildern der Staatschefs ziemlich überdeckt.

Externer Inhalt von Flickr: Mit einem Klick kannst Du Dir die Bildergalerie ansehen. Lies mehr in unserer Datenschutzerklärung.

Mehr Bilder findest Du auf dem flickr-Account von Campact.

Was kam raus beim G20, beim Klimaschutz, bei der Handelspolitik?

  • Gleichzeitig ist der G20-Beschluss viel zu wenig: Wenn Trump beim Klimaschutz die Bremse durchtritt, hätten die 18 anderen den Turbogang einlegen müssen. Gerade erst haben namhafte Klimaforscher gewarnt: Wenn die Menschheit die weltweite Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad begrenzen will, darf sie nur noch 600 Gigatonnen CO2 ausstoßen. Derzeit liegen wir bei jährlich 40 Gigatonnen. Sprich: Fangen wir nicht an, massiv einzusparen, haben wir bereits in 15 Jahren alles CO2 in die Atmosphäre geblasen, das die Menschheit noch ausstoßen darf. Als “Klimakanzlerin” wäre es beim G20 an Angela Merkel gewesen, mutig voranzuschreiten und den Turbogang einzulegen: indem sie endlich für Deutschland den Kohleausstieg verkündet. Doch Mut passt nicht zu Merkel.
  • Beim Welthandel einigten sich die G20 immerhin auf ein klares Bekenntnis gegen Protektionismus. Die Grenzen hochziehen – wie Trump es im Wahlkampf ankündigte – wäre fatal. Doch die G20 propagieren die falsche Alternative: noch mehr Handelsabkommen à la TTIP und CETA. Was wir brauchen sind Abkommen, die Konzernen Regeln verordnen. Verbraucher/innen-Rechte stärken. Umweltgesetze schützen. Arbeitnehmer-Standards ausbauen. Doch nichts gab’s. Die G20 bleiben in Hamburg auf stramm neoliberalem Kurs.

JEFTA ist das neue TTIP

Ein klares und trauriges Zeichen für diesen Kurs: In Brüssel wurde letzten Donnerstag symbolisch vor dem G20-Gipfel eine Grundsatzvereinbarung für JEFTA unterzeichnet, das EU-Handelsabkommen mit Japan. Es würde ein Drittel der globalen Wirtschaftsleistung umfassen. JEFTA wäre das neue TTIP: Wieder wird geheim verhandelt. Wieder gibt es eine private Paralleljustiz für Konzerne. Wieder wird das Vorsorgeprinzip, der Grundpfeiler des europäischen Verbraucherschutzes, untergraben.

G20 zeigt: Es stehen zwei große politische Auseinandersetzungen an. Das ist einmal JEFTA. Bis darüber endgültig entschieden wird, müssen wir das bislang im Geheimen verhandelte Abkommen gesamtgesellschaftlich bekannt machen. So, wie wir es schon zusammen mit unseren Partner/innen bei TTIP und CETA geschafft haben. Ein erster Erfolg: Schon 310.000 Menschen haben unseren Appell gegen das Abkommen unterzeichnet.

Die zweite dicke Entscheidung ist der Kohleausstieg. Während der Koalitionsvertrag einer neuen Bundesregierung ausgehandelt wird, findet Anfang November in Bonn der nächste Weltklimagipfel statt. Für uns eine große Chance, einer neuen Regierung den Ausstieg aus der Kohle abzuringen. Zum Auftakt des Klimagipfels planen wir zusammen mit unseren Partner/innen eine Großaktion mit vielen tausenden Menschen. Am gleichen Wochenende wollen die Aktivist/innen von EndeGelände symbolisch die Bagger im Rheinischen Kohlerevier anhalten. Wir finden: eine mutige Aktion des Zivilen Ungehorsams. Denn sie ist vorher öffentlich angekündigt und gewaltfrei. Sie weist mit einer symbolischen Regelverletzung auf einen massiven Missstand hin, da andere legale Protestformen nichts gebracht haben.

Streite mit uns für progressive Politik!

JEFTA zu stoppen, den Kohleausstieg durchzusetzen und rund um die Bundestagswahl für progressive Politik zu streiten – das werden die Schwerpunkte unserer Arbeit in den nächsten Monaten sein. Wir setzen darauf, Dich dabei an unserer Seite zu haben.

Denn so bitter die Bilder der Gewalt in Hamburg auch waren – wir erinnern uns auch an viele andere Eindrücke. Singende und tanzende Menschen. Eine Binnenalster voller Gummiboote, Kajaks und selbst gebauten Flößen. Etliche urige Schilder und Protestbanner. Kinder, die Seifenblasen durch Hamburgs Straßen pusten und alte Freunde, die sich unverhofft auf einer gemeinsamen Demonstration treffen. Auch das sind starke Bilder – Bilder, die bleiben.

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Autor*innen

Dr. Felix Kolb ist Politikwissenschaftler. Er promovierte zwischen 2002 und 2005 an der FU Berlin über die politischen Auswirkungen sozialer Bewegungen. Seine Dissertation erschien im Campus-Verlag. Nach dem Studium war er Pressesprecher von Attac. Zusammen mit Christoph Bautz stieß er die Bewegungsstiftung an und initiierte mit ihm und Günter Metzges Campact. Er ist seit April 2008 Geschäftsführender Vorstand. Auf Twitter findet man ihn unter @felixkolb Alle Beiträge

1.395 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Schlägertrupps, Molotowwerfer auf Dächern, Autos anzündende Idioten, Kleinbetriebe verwüstende Irre…….Ich kann da keinen Unterschied mehr sehen zu randalierenden Rechten, nein, eher noch extremere Gewaltbereitschaft als bei den Dumpfen. Verurteilende Wortfetzen sind wohlfeil. Jede Negierung dieser Gewalt wird sofort wieder relativiert durch dezente Hinweise auf das Verhalten der „Mächtigen, der da oben“. Es tut mir leid. Wenn nicht jeder Mensch, der Änderungen will sich dem gewaltfreien Konzept anschliessen kann, soll er es bleiben lassen und diese entsetzliche Gewalt nicht verbrämen. Ich schäme mich!!!

  2. Als ich Ihre Zusammenfassung von den Ereignissen des G20 Gipfels gelesen habe, hätte ich fast gekotzt.

    Wofür haben wir denn überhaupt eine Polizei – wenn diese, Ihrer Ansicht nach, nicht mal unser geltendes Recht dursetzen soll.
    Wenn jemand plündert, brandschatzt, Steine von Dächern wirft, … – dann ist so jemand kein Demonstrant sondern ein schwerst Krimineller und muss verfolgt, gefasst und eingesperrt werden oder alternativ nach zehn Stockschlägen kann er wieder entlassen werden.

    Vielleicht sollte man mal darüber nachdenken,
    – das Vermummungsverbot abzuschaffen
    – das werfen von Steinen, das Brandschatzen und Plündern … zu legalisieren
    – ….

    dann brauchen wir keine Polizei mehr – dann kann man den Politikern kein Fehlverhalten mehr attestieren – „und alle sollten glücklich sein!“

    Wir leben in einer beschissenen und scheinheiligen Gesellschaft. – Nach den Ereignissen von Hamburg vom letzten WE kommen die Klugscheisser (Politiker, Journalisten, „Experten“, …) aus ihren Löchern gekrochen und stellen ihre super klugen Fragen – Konnte mann es nicht vermeiden, warum wurde die Lage falsch eingeschätzt, warum wurde im Vorfeld nichts unternommen, …. usw

    Für mich stellt sich nur eine Frage: „Warum sind diese „schlauen Leute“ mit ihren Warum-Fragen nicht eine Woche oder einen Monat früher gekommen?“

    Die Antwort ist auch ganz einfach: „Weil es dann nichts und niemanden zu zerreissen gibt!“

    Wir haben Gesetzte und eine Polizei die diese durchsetzt. Mein einziger Vorwurf an die Polizei ist: „Warum habt ihr nicht mehr von diesen A…löchern gefast?“

    Bitte um Nachsicht für meine derbe Ausdrucksweise.

  3. Die Krawalle („The Purge“) sind durch nicht zu entschuldigen, das Versagen unserer Polizei auch nicht und von der Politik dahinter und dem Gipfel ist fast alles gesagt worden. Gleichzeitg bestürzt mich etwas die Ohnmacht die aus vielen Kommentaren spricht. Demokratie lebt vom mitmachen – also auf, lasst und die Kontrolle zurückgewinnen und viel stärker Volksentscheide einführen! Damit können wir wesentlichen Einfluss nehmen, insbesondere wenn die Volksentscheide darüber gehen, wofür unsere Steuergelder ausgeben werden! Das trifft voll!

  4. Die allergrößte mehrheit der Demonstranten haben friedlich demonstriert es ist nur interessanter für die Öffendlichkeit die Auswüchse in den Vordergrund zu stellen.
    Sicherlich ist es wichtig erst einmal die Hintergründe aufzuklären wie es zu den Gewalttaten (Haßausbrüchen) kommen konnte.
    Es sollte auch die ansprechen die versuchen Haß zu schüren um Gewalt zu provozieren.
    Danach ist zu sehen wie so eine Großdemonstration das Nächstemal besser organiesiert werden kann.

  5. Die Einschätzung von Compact kann ich teilen, sie ist differenziert, wenn sie m.E. im ersten Teil auch, vermutlich am mainstream orientiert, das Thema Gewalt in den Vordergrund stellt. Ich vermisse in der Diskussion um den Gewaltausbruch wenigstens einen Hinweis auf die Verbindung von dem eigenen Gefühl, ein Depp zu sein, der noch meint, mit einer Demo politische Entscheidungen, die den Tod von Tausenden zur Folge haben, beeinflussen zu können, und der Gewalt als Ausdruck solcher Ohnmachtserfahrung. Jedenfalls bekenne ich mich dazu, dass ich schon nach einer Stunde den über unserer Straße im Gipfel-fernen Harburg stehenden Hubschrauber, der seine Herkunft und Absicht uns nicht zeigte, abgeschossen hätte, wenn ich die Mittel dazu in der Hand gehabt hätte… Gewalt in der Gesellschaft ist immer auch ein Zeichen dafür, dass viele Menschen angesichts des Leidens anderer vieler Menschen die politischen Entscheidung zum Einsatz von Gewalt nicht mehr nachvollziehen können.
    Wer wie ich eben den Themenabend „Türkei“ in arte gesehen hat, versteht nachträglich nicht mehr, dass Herr Erdogan, dem das Leben seiner Gegner absolut gleichgültig ist, in seinem grausamen Spiel die G 20 Akteure (und unsere Heimatstadt) als Bande einbeziehen kann, ohne seinerseits um sein Leben fürchten zu müssen. Vor einem Jahr musste er es vermutlich… Von seiner aggressiven Reaktion auf den „Putsch“ sind noch immer viele betroffen, und ich ertappe mich dabei, dass ich fürchte, meinen türkischen Freund in Schwierigkeiten zu bringen, wenn ich ihm nur aus Deutschland schreibe…
    Die Gewalt der Welt hat uns nun in Hamburg heimgesucht. Sie ist kein geeignetes Mittel, eigene politische Ziele zu erreichen. Sie ist nur geeignet, Menschenleben zu verletzen oder zu zerstören. Und dennoch wird sie nicht auszurotten sein. Die Polizisten halten ihre Knochen dafür hin, dass sie bei uns in Schranken bleibt. Das verdient meinen Respekt. Sie brauchen deshalb viel Unterstützung – auch durch Kritik.
    Sie werden uns aber nicht helfen, die Politik der G 20 menschlicher zu machen. Da müssen wir uns andere Wege einfallen lassen, die ich noch nicht kenne.

  6. Ich möchte Ihnen aufs Deutlichste widersprechen:
    Der G20 war in dieser Form überflüssig und sinnlos.
    Dass sich – gerade die mächtigsten – Staatschefs möglichst schnell persönlich begegnen sollten, statt sich nur aus der Ferne als „Institutionen“ zu kennen, ist zweifellos wichtig; dazu ist aber kein Gipfeltreffen nötig.
    Ein Gipfeltreffen, in dem nichts Neues beschlossen wird – und bei dem die alten Beschlüsse noch nicht einmal bindend sind -, ist reine Zeit- und Geldverschwendung.
    Wenn ein Gipfeltreffen wirklich relevante Beschlüsse fassen soll – z. B. in der Afrikapolitik – , dann ist es ein Mindesterfordernis, dass die betroffenen Länder auch selbst mit am Tisch sitzen und dass nicht einfach über ihre Köpfe hinweg verhandelt wird.
    Dies hier war einfach nur ein Treffen mehrerer mächtiger Industriestaaten, deren „Lösungsansätze“ ihrem eigenen kapitalistischen Denk- und Verwertungsschema entsprechen, aber keinerlei Hilfe für Betroffene bringen. Ein Beispiel hierfür ist der häufig zitierte „Marshallplan für Afrika“, der, würde er wirklich umgesetzt, ein Desaster für diesen Kontinent bedeuten würde (das wurde im Monitor einige Tage vor G20 sehr schön dargestellt).
    EIN SOLCHES TREFFEN BRAUCHT DIE WELT NICHT! UND ZWAR GRUNDSÄTZLICH NICHT – es ist schlicht überflüssig. Es waren nicht die (Hamburger) Bürgerinnen und Bürger, sondern die Politiker, die – ohne das jetzt so viel bemühte Wort von der Demokratie und den Rechten der einzelnen Bürger auch nur im geringsten ernst zu nehmen – mal einfach so beschlossen hatten, dass G20 in Hamburg stattfinden solle. Und die das dann auf Biegen und Brechen durchsetzen wollten, oder „mussten“, als sie auf Widerstand stießen.
    Es hatte eine sehr traurige, aber voraussehbare Logik, dass dann eine hochmilitarisierte Staatsmacht und gewalttätige „Autonome“ miteinander Krieg spielten.
    Was den „Schwarzen Block“ auf der gemeinsamen Großdemo am 9.7. angeht, so handelt es sich da allerdings um eine ganz andere Sache. Ich bin jetzt fast 65 Jahre alt, und es war mir eine große Freude und ein wichtiges Anliegen, bei dieser Gegendemonstration zum G20 dabei zu sein. Ich bin dort direkt neben dem Schwarzen Blick gegangen, und es war für mich ausgesprochen positiv zu sehen, wie sich diese Gruppierung – genau wie viele andere – in die Demonstration eingefügt und das gemeinsame Anliegen mitgetragen hat. Ich sehe keinerlei Grund, mich von ihnen zu distanzieren. Von den jungen Leuten, die ich dort gesehen habe, wurde der Kapitalismus scharf und in sehr deutlichen Formulierungen kritisiert – es ist aber keine Gewalt von ihnen ausgegangen. Ob es dieselben Personen waren, die in der Nacht zuvor an den Bränden und Plünderungen beteiligt waren, ist überhaupt nicht feststellbar und wäre bestenfalls Spekulation.
    Ich wünsche mir weiterhin Demonstrationen, die bunt und vielfältig und aus unterschiedlichen politischen Richtungen gegen Fehlentwicklungen protestieren. Und ich würde es für fatal halten, wenn wir uns jetzt willfährig und staatshörig von anderen Demonstranten distanzieren würden.

  7. Zu viel Gewalt. In der schweiz ist die beste Demokratie…man muss zuerst die Bürger fragen und dann wird es entschieden!

    Ohne uns das Volk wäre ein Politiker nicht mal was!und uns wird etwad mit gewalt zerstört; nicht denen die es zu verantworten. Haben.

    Warum haben Sie die Hamburger Einwohner nicht beschützt?!?

  8. Wobei Ihre juristische „Weisheit“ dann an ihre Grenzen gestoßen wäre, wenn ein G20 Gipfelteilnehmer körperlich zu Schaden gekommen wäre, weil die Polizei „zu lasch“ vorgegangen ist. Stellen Sie sich mal kurz vor, Trump, Putin, May, Macron oder Erdogan wäre ein Haar gekrümmt worden. Das hätte unkalkulierbare außenpolitische Verwicklungen zur Folge bis hin zu militärischem Eingreifen. Wollen Sie das?

  9. vielen Dank für diese tolle Analyse. Ihr bringt Klarheit in mein Leben und macht politische Entscheidungen leicht.
    Es ist immer hilfreich, Euch zu lesen, Danke!!!

  10. Herzlichen Dank für die ausführliche Stellungnahme
    Ich möchte gerne mal wissen, was eigentlich passiert wäre, wenn anstelle der 1000 gewaltbereiten Teilnehmer die angekündigten 8000 gekommen wären.

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