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Jeder Hektar zählt: Durch Palmöl stirbt der Regenwald – und dadurch auch die Orang-Utans

Wie steht es um den indonesischen Regenwald und seine Bewohner, die Orang-Utans? Und was können wir gegen immer neue Palmöl-Plantagen tun? Lies hier das Interview mit Gesche Jürgens, Waldexpertin bei Greenpeace.

Gesche Jürgens, Waldexpertin bei Greenpeace
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Greenpeace kämpft schon seit langem gegen die Abholzung von Indonesiens Regenwäldern für neue Palmölplantagen. Wie ist im Moment die Situation in Indonesien?

Leider nicht gut – die Zerstörung von Regenwäldern und Torfmooren und die Verletzung von Menschenrechten geht nach wie vor weiter. Immer wieder kommt es zu katastrophalen Waldbränden, unter denen durch die massive Luftverschmutzung die ganze Region leidet. Denn obwohl Palmöl mittlerweile von den meisten großen Verwendern des Öls als Problemstoff adressiert wird, beispielsweise durch Selbstverpflichtungen, kommt dies nicht im Wald und bei den Menschen an. Das ist ein Riesenproblem.

Die Regenwälder in Indonesien sind die Heimat der bedrohten Orang-Utans. Wie entwickelt sich deren Population?

Mit jedem Hektar zerstörtem Regenwald schwinden die Chancen für das Überleben der Tiere in freier Wildbahn. Besonders der Sumatra-Orang-Utan ist akut bedroht – Schätzungen von Wissenschaftlern zufolge leben nur noch wenige Tausend auf der indonesischen Insel, die in besonders katastrophaler Weise unter dem Palmöl-Boom leidet. Doch auch die Borneo-Orang-Utans – die einzige weitere Orang-Utan Art – sind betroffen. Noch vermuten Forscher mehrere Zehntausende auf Borneo, jedoch wird auch ihre Zahl weiter sinken, wenn die Zerstörung der Regenwälder nicht gestoppt wird.

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Gibt es Fortschritte im Kampf gegen die Abholzung?

Es gibt immer wieder Zeichen der Hoffnung – sowohl bei der Politik als auch bei den Firmen, die mit Palmöl in der ein oder anderen Form Geschäfte machen. Der indonesische Präsident Jokowi hat mehrfach betont, Torfmoore und Wälder besser zu schützen. Viele Firmen haben sich in den letzten Jahren dazu verpflichtet, schmutziges Palmöl aus ihren Lieferketten zu verbannen und strengere ökologische und soziale Standards zu achten. Doch leider ist davon bisher wenig im Wald und bei den Menschen, die auf ihn angewiesen sind, angekommen. Weiterhin werden riesige Regenwaldgebiete unwiederbringlich vernichtet und Menschen ausgebeutet. Das ist absolut inakzeptabel.

Welche Rolle spielt die Deutsche Bank im Geschäft mit der Regenwaldabholzung?

Leider keine gute. Zwar verfügt die Bank über eine Selbstverpflichtung, die auch Palmöl thematisiert, aber die angelegten Kriterien sind viel zu schwach. Sie lassen die Zerstörung von Wäldern und ihre Umwandlung in Plantagen zu. Auch die Formulierungen zum Schutz von Torfmooren und zur Beteiligung der Bevölkerung sind unzulänglich. Die Deutsche Bank muss hier dringend nachbessern um glaubhaft versichern zu können, dass sie ernsthaft Menschen und Umwelt achten. Und es dann auch konsequent in ihrer Geschäftstätigkeit umsetzen.

Im Februar hat die HSBC-Bank nach einer Greenpeace-Kampagne zugesagt, die Geschäftsverbindungen zu mehreren Firmen, die Regenwald zerstören, zu beenden. Wie ist euch das gelungen?

Gemeinsam mit mehr als 200.000 Menschen weltweit haben wir die Bank damit konfrontiert, dass sie – trotz bestehender Selbstverpflichtungen – Geschäfte mit Firmen macht, die unter anderem in Kinderarbeit, Urwald- und Torfmoorzerstörung sowie illegale Waldbrände verstrickt sind. Zusammen haben wir Druck auf die Bank gemacht und sie aufgefordert, diese schmutzigen Geschäfte zu beenden und auch ihre Selbstverpflichtungen nachzubessern um solche Deals für die Zukunft auszuschließen. Viele Menschen, die selbst Kunden der Bank sind, haben mitgemacht. Auch auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos musste sich HSBC-Chef Stuart Gulliver unbequemen Fragen stellen. Mit Wirkung: nach nur wenigen Wochen hat die Bank eingelenkt.

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Welchen Unterschied macht es, wenn eine große Bank sich aus diesen Geschäften zurückzieht? Wie können wir verhindern, dass dann einfach andere Banken einspringen?

Das hat schon Einfluss, wenn wichtige Akteure wie z.B. große Banken ihre Investitionspolitik ändern. Firmen, die Regenwald zerstören, kommen so viel schwerer an Kapital, um ihre Geschäfte zu finanzieren.

Aber natürlich brauchen wir insgesamt noch ein viel größeres Umdenken. Es darf sich nicht mehr lohnen, Geschäfte auf Kosten unserer Umwelt und des Klimas zu machen. Grundsätzlich kennen wir ja auch die Lösungen, die wir brauchen um mit diesem großartigen Planeten im Einklang zu leben – wie beispielsweise konsequenter Waldschutz und eine ökologische Waldnutzung, der Umstieg auf erneuerbare Energien wie Sonne und Wind. Doch derzeit profitieren recht wenige, aber einflussreiche Akteure davon, die Umsetzung dieser Lösungen zu verhindern. Das müssen und können wir ändern!

Zum Schluss noch zwei Fragen zu unserer Verantwortung als Verbraucher/innen. Was kann ich mit meinem Kaufverhalten für den Regenwaldschutz tun? Und wie kann ich erkennen, ob Palmöl nachhaltig produziert wurde?

Grundsätzlich kann jede/r dazu beitragen, den Druck auf die Wälder (denn nicht nur die Regenwälder sind in Gefahr!) zu senken. Denn in vielen Produkten des täglichen Lebens steckt Wald.

Mit folgenden Tipps kann man sowohl dem Wald als auch sich selbst etwas Gutes tun:

  • Ganz wichtig und eigentlich auch sehr leicht: keine Lebensmittel wegwerfen!
  • Palmöl steckt in vielen Fertigprodukten wie Tiefkühlpommes, Tütensuppen, Keksen und Chips. Am besten, man kocht selbst, und zwar mit frischen und vorrangig pflanzlichen Zutaten. Idealerweise regional, saisonal und ökologisch produziert.
  • In Bio-Produkten ist, wenn überhaupt, zumeist Biopalmöl verarbeitet. Dies wird nach deutlich strengeren Kriterien produziert. Bio ist das Indiz, auf das man sich beim Palmöl am ehesten verlassen kann. Das recht bekannte RSPO-Label (Roundtable on Sustainable Palmoil) garantiert nicht, dass nicht doch Waldzerstörung und Ausbeutung drinsteckt.
  • Wer gerne Fleisch isst: Hände weg vom Billigfleisch! Qualität statt Quantität hilft nicht nur dem Wald, sondern auch den Tieren, dem Klima und dem Wasser.

Dies sind nur einige Beispiele, wie man seinen „Waldzerstörungs-Fußabdruck“ senken kann. Wer sich jede Woche eine neue „Baustelle“ vornimmt, kann sein Leben schnell deutlich waldfreundlicher gestalten.

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Gesche Jürgens ist Wald-Campaignerin bei Greenpeace und Expertin für Palmöl

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Autor*innen

Organisierte Protest gegen Castor-Transporte und ist einer der Gründungsstifter der Bewegungsstiftung. Nach dem Studium der Politik, Philosophie und Soziologie promovierte er über Zivilen Ungehorsam in der internationalen Politik. Bevor Gerald Neubauer 2015 zu Campact kam, arbeitete er als Campaigner für Greenpeace zum Thema Kohleausstieg. Alle Beiträge

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