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Nach Jamaika-Abbruch: Visionen? Na dann mal los

Wie geht es nach dem Abbruch der Jamaika-Sondierungen weiter? Neuwahlen? Eine Minderheitsregierung? Wir haben einige Ideen dazu – Du auch? Dann verbreite Deine ganz eigene Vision für die nächsten vier Jahre per Leserbrief.

Symbolbild Jamaika-Koalition, schwarz, grün, gelb. Der Reichstag und eine Fahne von Jamaika, aufgenommen am 09.10.2017 in Berlin-Tiergarten. Nach der Bundstagswahl könnte eine Koalition aus CDU, Die Grünen, FDP entstehen. Foto: XAMAX/dpa

Jamaika ist gescheitert – dramatisch, mit allerlei Inszenierung. Die Medien überschlagen sich seither mit Analysen. Manche Kommentator/innen schreiben schon eine Staatskrise herbei. Viele wollen jetzt die SPD erneut in einer Großen Koalition sehen. Doch wir haben den Eindruck: Die Situation ruft nach ganz neuen Lösungen.

Wir haben einige Optionen überdacht und möchten sie mit Dir teilen. Auf dass Du die Ideen weiterdenkst – und Dich in die Debatte einbringst. Unser Ziel: echte Alternativen zur Großen Koalition ganz groß in die Zeitungen bringen!

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Schwarz-grüne Minderheitsregierung: Geht es besser ohne Neinsager?

Es ist schon verblüffend, wie schnell einige Journalist/innen mit dem Urteil zur Hand sind, dass eine schwarz-grüne Minderheitsregierung keine Option sei. Wo doch die Mütter und Väter des Grundgesetzes eben diese explizit vorgesehen haben. Klar, das wäre ein ziemliches Experiment. So gängig eine solche Regierungsform etwa in skandinavischen Ländern ist – bei uns wäre sie demokratisches Neuland. Aber eben auch eine Chance für eine lebendigere Demokratie.

Regieren mit wechselnden Mehrheiten, das verspricht spannende Debatten und könnte progressiven Projekten den Weg ebnen. Ein rascher und sozial abgefederter Kohleausstieg – verhandelt mit der Linken. Eine Garantierente für alle und konsequente Maßnahmen gegen Kinderarmut – verhandelt mit der SPD. Mehr Digitalisierung und ein Bildungspaket – verhandelt mit der FDP. Das kann unsere Demokratie beleben – eines vorausgesetzt: dass die Minderheitsregierung ausschließt, mit der AfD zu verhandeln. Sie hat etliche Rassisten und Rechtsradikale in ihren Reihen, die nicht durch gemeinsame Politikprojekte aufgewertet werden dürfen.

Eine Minderheitsregierung bedeutet einen enormen Bedeutungszuwachs für den Bundestag. In großkoalitionären Zeiten ist er allzu oft zum Abnick-Organ verkommen. Die Süddeutsche Zeitung schreibt zurecht: “Wenn aber die Regierung immer wieder im Parlament um Mehrheiten werben muss, schafft das eine neue, bessere Debattenkultur. Die Verschwörungsfantasien der AfD würden öffentlich eindrucksvoll widerlegt.”

Neuwahlen: Nur mit neuem Programm und neuem Personal

Viele Kommentator/innen fürchten bei Neuwahlen den Verdruss der Wähler/innen und sinkende Wahlbeteiligung. Die Gefahr besteht in der Tat. Aber nur, wenn alles beim Alten bleibt. Denn Neuwahlen haben auch das Potential, unsere Demokratie zu beleben: wenn wirklich vieles neu wird – Positionen, Programme, Personen.

Dynamik und Begeisterung können schnell entstehen, das hat der Schulz-Hype gezeigt. Viele dachten: “Da ist wirklich einer, der alles anders macht. Der bricht mit den Agenda-Jahren, macht die SPD wieder zur Partei sozialer Gerechtigkeit”. Doch leider versäumte Schulz, aus vagen Gerechtigkeits-Botschaften konkrete Forderungen zu formen. Der Schulz-Effekt verpuffte. Nach Alternativen sehnen sich die Wähler/innen weiter.

Mit einem/r SPD-Kandidat/in nebst passenden Programm, der/die eine echten Alternative zu Merkel ist, würde eine Koalitionsoption realistisch, die wirklich progressive Politik verspricht: Rot-Rot-Grün. Was wäre das für eine Chance! Statt ein paar Reförmchen winken ganz dicke politische Veränderungen.

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Die Forderungen, die zehntausende Campact-Aktive zur Bundestagswahl für unseren “Aufbruch 2017” erarbeitet haben – sie könnten eins zu eins in den Koalitionsvertrag finden. Eine Bürgerversicherung für Gesundheit und Pflege sowie eine Garantierente für alle. Ein konsequenter Kohleausstieg und ein Ende der Massentierhaltung. Eine gerechtere Handelspolitik und vieles mehr.

Was für eine Alternative! Denn sowohl die Große Koalition der letzten vier Jahre als auch die Jamaika-Verhandlungen haben vor allem eines gezeigt: dass progressive Politik mit solchen Bündnissen nur in sehr kleinen Dosen zu haben ist. Ja, die Grünen haben bei den Jamaika-Sondierungen hart gekämpft. Für eine 9-Prozent-Partei war vielleicht wirklich nicht mehr drin. Aber selbst bei grünen Kernanliegen musste sie ziemliche Kompromisse eingehen.

Was einen spannenden Wahlkampf versprechen könnte, der am Ende gar in ein rot-rot-grünes Projekt mündet? Ein/e SPD-Kandidat/in mit ausnahmsweise mal sozialem Profil. Grüne Spitzenleute, die nicht nur das bürgerliche Spektrum der Partei repräsentieren. Spitzenkandidat/innen der Linken, die nicht auf Fundamentalopposition spezialisiert sind. Und für alle drei dazu passende, progressive Wahlprogramme. Daraus könnte eine Wahl erwachsen, die zumindest eines garantiert: dass viele Menschen zu den Wahlurnen kommen – und diesmal nicht widerwillig, sondern mit echter Begeisterung.

Etliche Parteien befürchten, bei Neuwahlen würde nur die AfD noch stärker. Doch das Gegenteil könnte der Fall sein. Die Wahlen in Niedersachsen haben uns gelehrt: Wenn wirkliche Alternativen innerhalb des Spektrums der etablierten Parteien zur Wahl stehen, kann sich die AfD nicht mehr in Szene setzen. Sie verliert. In Niedersachsen kam sie gerade mal auf 6,2 Prozent. Die übrigen Parteien haben es also in der Hand, ob die AfD zulegt. Bei einem kontroversen Wahlkampf bleibt für Rechtspopulisten kaum Raum.

Volksentscheide: Nichts mehr klein verhandelt

Selbst aus den eigenen Reihen steigt der Druck auf die SPD-Führung, sich nochmal auf eine Große Koalition einzulassen. Für die SPD ein Harakiri-Unternehmen. Wenn sie wider aller Vernunft nachgeben sollte, braucht es dazu aber zumindest eine glasklare Bedingung: die Einführung bundesweiter Volksentscheide.

Denn wie Jamaika würde auch eine Große Koalition die klassische Lagergrenze zwischen links und bürgerlich überschreiten. Die Folge: Es werden Kompromisse gemacht, bei denen Mini-Reformen herauskommen – und Frust bei den Wähler/innen. Ganz anders, wenn wir Bürger/innen über die großen Themen der Zeit selbst entscheiden könnten. Dann hätten wir es in der Hand zu prüfen, ob hinter einem politischen Projekt genug Energie und Unterstützung steckt. Nur so erreicht man schließlich das nötige Quorum.

Bundesweite Volksentscheide brauchen allerdings eine wichtige Voraussetzung: Über Initiativen, die vom Grundgesetz gesicherte Menschenrechte verletzen, darf nicht abgestimmt werden. Ob das der Fall ist, darüber entscheidet das Bundesverfassungsgericht. Die Todesstrafe wieder einführen, das Asylrecht kippen – solche Volksentscheide kann sich die AfD abschminken.

Neuwahlen, bei denen es um etwas geht. Eine Minderheitsregierung, die progressive Politikprojekte ermöglicht. Sozialdemokraten, die den Volksentscheid durchsetzen. Vielleicht haben Dich einige unserer Ideen überzeugt – oder Du denkst selbst in eine ganz ähnliche Richtung? Dann sollten wir die Chancen der politischen Lage ganz groß machen! Wenn hunderte Leserbriefe dazu in der regionalen und überregionalen Presse stehen, können wir einen echten Wandel anfachen. Verbreite Deine ganz eigene Vision von den nächsten vier Jahren – und lass Deinen Leserbrief drucken!

Wie Du ganz einfach einen Leserbrief schreiben kannst, erfährst Du hier ➩
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Autor*innen

Dr. Felix Kolb ist Politikwissenschaftler. Er promovierte zwischen 2002 und 2005 an der FU Berlin über die politischen Auswirkungen sozialer Bewegungen. Seine Dissertation erschien im Campus-Verlag. Nach dem Studium war er Pressesprecher von Attac. Zusammen mit Christoph Bautz stieß er die Bewegungsstiftung an und initiierte mit ihm und Günter Metzges Campact. Er ist seit April 2008 Geschäftsführender Vorstand. Auf Twitter findet man ihn unter @felixkolb Alle Beiträge

31 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Wozu gab es seit der Parlamentskonstituierung von keinem der Parlaments-Parteien eine Ini zu einem Volksabstimmungen-Gesetz. Was bei „Ehe für Alle“ nach der letzten Groko möglich war, sollte jetzt auch vor der nächsten drohenden machbar sein.
    Linke, Grüne, SPD und auch CSU, wie AFD, seid endlich glaubwürdig und legt hierzu etwas vor, wo doch nur die CDU dagegen ist. „Mehr Demokratie“ hat seid Langem einen Text ausgearbeitet.

    Und wieso wird der (von wem so benannte) Fraktionszwang nicht verboten, wo er nicht im Grundgesetz steht. Wird aber ständig praktiziert, obwohl damit die Gewaltenteilung von Regierung und Parlament praktisch zugunsten der Regierung ausgehebelt wird. Natürlich auch weil sich Parlamentarier viel zu wenig mutig für ihr politisches Gewissen einsetzen.

    Zumindest ihr Oppositionellen müsstet die Fraktionzwangabschaffung einfordern – wozu tut ihr es nicht?

  2. Wenn AFD FDP und CDU koalieren würden wäre man sich in einer Woche einig. Aber mit der AFD will ja keiner auch wenn sich die Programme ähneln.Peter Tauber sagte vor der Wahl wenn ich den Lindner reden höre könnte der auch von der AFD sein.Recht hat er.Jeder Antrag im Bundestag wird abgelehnt werden wenn er von der AFD kommt.Das hat mit politikverständnis des normalen Bürgers der sich nicht jeden Tag mit Politk beschäftigt nichts mehr zu tun.

  3. Mein Anliegen ist, dass Kommentare nicht mehr anonym oder nur mit Vornamen verbreitet werden. Wer eine Meinung hat, sollte dazu stehen, und Vornamen suggerieren einen Familienverband oder Freundeskreis, was Assoziationen weckt, die in der politischen Auseinandersetzung nichts zu suchen haben.
    Mein kritischer Kommentar zu der Gesamtheit der Kommentare: Der überwiegend vorherrschende Stil ist merkwürdig einhellig: falsche Interpunktion, fehlerhafte Grammatik, gängige, oft grobe Stammtischbegriffe. Solche sprachliche Erscheinungen werden auch gern als Trick benutzt, um authentische Wortmeldungen nach dem Prinzip „Volkes-Stimme“ vorzutäuschen, während tatsächlich nur ein oder zwei Schreiber alle Kommentare verfasst haben.

  4. Liebe Grüne, ich habe Euch gewählt, da ich mir eine Regierung ohne Euch für die Umwelt nicht vorstellen mag. Ihr habt in den letzten Wochen einen verdammt guten Job gemacht und das obwohl Ihr bei einigen Themen sicherlich nahezu allein auf weiter Flur standet. Wie viel besser könnte es sein, solche Verhandlungen zusammen mit einer Partei zu führen, die Euch in vielen sozialen Punkten nahesteht?
    Liebe SPD, ich kann gut verstehen, daß Ihr nicht nochmal als Juniorpartner 4 weitere Jahre zusammen mit dem Ideenstaubsauger regieren wollt. Doch Zeit für Gerechtigkeit ist nicht erst in 4 Jahren, sondern jetzt! Zusammen mit der Unterstützung einer weiteren linksorientierten Partei könnten soziale Probleme auf Augenhöhe verhandelt und dann sinnvoll angegangen werden.
    Die Grünen bekämen mehr Kraft als in Jamaica, die SPD mehr Kraft als in der klassischen GroKo. Für Energiewende und soziale Gerechtigkeit!

    • Ich bin zu doof, einen Kommentar mit Zeichenbegrenzung zu schreiben, die Überschrift lautet natürlich: Kenia-Koalition

  5. Minderheitsregierung wäre doch super. Leider wäre es doch keine Demokratie, weil wir keine haben. Unser System heißt Partei-Demokratie und das ist was ganz anders. Aber ich wäre auch für die Minderheitsregierung, trotz des unguten Gefühl, dass wir auch dann verschaukelt werden.
    Bobi E.

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