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Campact wird Gemeinnützigkeit entzogen

Der Brief des Berliner Finanzamtes für Körperschaften hat es in sich: Campact wird der Status als gemeinnützige Organisation aberkannt. Die Entscheidung ist eine Folge des Attac-Urteils des Bundesfinanzhofes.

Der Bundesfinanzhof hat entschieden: Politisches Engagement fördern, politische Beteiligung organisieren - das sei nicht gemeinnützig. / Foto: Ferdinando Iannone / Campact (CC BY-NC 2.0)

Anfang des Jahres entzog der Bundesfinanzhof (BFH) dem Verein Attac die Gemeinnützigkeit. Ein Grundsatzurteil mit “toxischer Wirkung” für die gesamte Zivilgesellschaft, schrieb damals der Journalist Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung. Was er meinte: Das Urteil macht es möglich, politisch aktive Vereine finanziell trockenzulegen.

Campact wird Status als gemeinnützige Organisation aberkannt

Jetzt hat es uns tatsächlich getroffen: Das Finanzamt entzieht Campact seinen Status als gemeinnützige Organisation. Politisches Engagement fördern, politische Beteiligung organisieren – das sei nicht gemeinnützig.

Besonders erfreut sind nun einige AfD– und Unions-Politiker*innen, die gegen unsere Gemeinnützigkeit gewettert haben. Wenn wir Großdemos gegen TTIP, CETA oder Glyphosat starteten, wurden wir als “intransparente Protestfirma” oder “linke Lobbytruppe” beschimpft.

Klar: Campact macht ihnen Angst. Zu oft haben wir bewiesen, dass eine starke Bürgerbewegung für sie und ihre Interessen gefährlich ist. Aktuell sieht man das an ihren Reaktionen auf die riesigen Klimaproteste, die wir zusammen mit den Schüler*innen von Fridays for Future und etlichen Umweltverbänden organisierten.

Dieses Kalkül darf nicht aufgehen

Der Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus ist für Campact eine Bürde. Wir müssen Steuern nachzahlen – und es kommen weitere Mehrkosten auf uns zu. Das summiert sich auf Hunderttausende Euro. Und wir wissen nicht: Werden unsere Spendeneinnahmen zurückgehen, weil wir dauerhaft keine Spendenquittungen mehr ausstellen dürfen?

Unsere große Hoffnung ist, dass auch Du das Kalkül “Keine Gemeinnützigkeit = weniger Spenden = keine schlagkräftigen Kampagnen mehr” nicht aufgehen lässt. Zeige unseren Gegner*innen: Angriffe auf Campact machen unsere Bürgerbewegung nur noch stärker. Stelle Dich an unsere Seite – und unterstütze Campact mit einer einmaligen Spende.

Gemeinnützige Vereine müssen ihren steuerlichen Status alle drei Jahre rückwirkend beim Finanzamt überprüfen lassen. In der Vergangenheit hat das Finanzamt Berlin unsere Arbeit immer wieder als gemeinnützig bewertet. Im vergangenen Dezember reichten wir die nötigen Unterlagen für die Jahre 2015, 2016 und 2017 ein. Anfang des Jahres waren wir uns noch sicher: Natürlich wird uns die Gemeinnützigkeit erneut bestätigt. Doch im Frühjahr kam die böse Überraschung.

Attac-Urteil trifft jetzt auch Campact

Verantwortlich für diese abrupte 180-Grad-Wende ist das Attac-Urteil: Denn nach Auffassung der Richter sind Kampagnen und politische Bildung nicht förderbar, wenn sie eingesetzt werden, “um die politische Willensbildung und die öffentliche Meinung im Sinne eigener Auffassungen zu beeinflussen”. Davon ausgenommen sind nur 25 anerkannte Zwecke – darunter der Verbraucher-, Tier- und Umweltschutz.

Nicht gemeinnützig sind dagegen die Wahr­nehmung und Verwirklichung von Grund­rechten, der Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit, informationelle Selbstbestimmung, für Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Diese gigantische Lücke war nur so zu verkraften: Gemeinnützige Vereine konnten sich bisher auf die Förderung der Bildung berufen, wenn sie zu diesen Themen arbeiteten – so wie Campact. Das haben die Richter des Bundesfinanzhofes beendet. Unser Berliner Finanzamt trifft keine Schuld – es muss die Entscheidung des BFH respektieren.

Wir lassen uns nicht mundtot machen

Die nächsten Monate – vielleicht sogar Jahre – sind mit Unsicherheit, hohen Kosten und viel Mehrarbeit verbunden. Aber wir lassen uns nicht mundtot machen! Unsere Bitte: Stärke uns genau jetzt, in dieser schweren Krise, den Rücken. Mit Dir an unserer Seite bleiben wir eine starke, unabhängige Kraft der Zivilgesellschaft.

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Autor*innen

11 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Bisher haben mich die Mails mit Spendenaufrufen von Campact ziemlich genervt – aber dieses Entscheidung macht mich zur monatlichen Unterstützerin. Weil Campact wichtig ist. Solidarische Grüße!

  2. Das tut mir wirklich leid und find ist nicht gut. Deshalb habe ich gleich mal gespendet.

    An, Danisch, Lengsfeld, Wendt, Klonovsky.

  3. So sehr wie ich die Arbeit von campact schätze, so muss ich doch sagen, dass ihr mit eurer Gemeinnützigkeit grob fahrlässig umgegangen seid:

    Als das Finanzamt attac die Gemeinnützigkeit aberkannte, hätten bei campact die Alarmglocken schrillen müssen. Ab diesem Zeitpunkt hättet ihr peinlichst genau auf die Einhaltung eurer parteipolitischen Neutralität achten müssen. Denn die Verfolgung parteipolitischer Zwecke ist gemeinnützigen Organisationen verboten.

    Völlig unbekümmert dessen habt ihr im Bundestagswahlkampf 2017 zur Wahl des Direktkandidaten Karl Lauterbach(SPD) aufgerufen. Nicht genug, ihr habt auch noch lautstark verkündet: „Was man jetzt noch gegen die AfD tun kann“. Damit habt Ihr der rassistischen AfD leichtfertig den Vorwand geliefert. Solch ein Verhalten provoziert doch die Aberkennung der Gemeinnützigkeit.

    Tut mir leid um campact, aber Gesetze gelten auch für euch.

  4. War Campact ein eingetragender Verein nach dem Vereinsgesetz
    mit Statuten die dem Gesetz entsprechen?wenn die Richter Euch
    denn Status der Gemeinnüzikeit entzohgen haben,da gegen kann
    man nichts machen sei den das Urteil kann bei Gericht an gefochten werden.

  5. Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
    Art 21
    (1) Die Parteien wirken bei der politischen Willensbildung des Volkes mit. Ihre Gründung ist frei…

    Das wäre die richtige Antwort!

    Die eigentlichen initiatoren dieses Verlust der Gemeinnützigkeit würden sich in den A…. beißen. Die außerparlamentarische Opposition noch stärker gemacht!

    Partei gründen (ja ich weiß nicht jeder der Mitlieder wird mitmachen wollen – deswegen muß Campact Aktionsplattform bleiben – aber eine Ausgründung wäre denkbar) Campact ist bekannt! Jeder weiß wofür Campact steht.

  6. Liebe Campaq-Leute,
    macht es mal im ersten Schritt mal wie Attac und veröffentlicht den Text des Schreibens des Finanzamtes im Volltext wie Attac das Urteil veröffentlicht hatte. Bei der nächsten Bundesdeligiertenkonferenz der GRÜNEN soll das Thema ja aufgegriffen werden. Und über Abhilfe nachdenken können jedenfalls Juristen am besten, wenn sie die genaue Begründung kennen – auch wenn die Satzung vermuten lässt, dass sie dem Attac-Urteil folgt.

  7. „Nicht gemeinnützig sind dagegen die Wahr­nehmung und Verwirklichung von Grund­rechten, der Einsatz für Frieden, soziale Gerechtigkeit, informationelle Selbstbestimmung, für Menschenrechte und die Gleichstellung der Geschlechter. Diese gigantische Lücke war nur so zu verkraften: Gemeinnützige Vereine konnten sich bisher auf die Förderung der Bildung berufen, wenn sie zu diesen Themen arbeiteten – so wie Campact. Das haben die Richter des Bundesfinanzhofes beendet. Unser Berliner Finanzamt trifft keine Schuld – es muss die Entscheidung des BFH respektieren.“

    Zitat aus Ihrer Mail – gibt es eine Kampagne, die sich für die Gemeinnützigkeit der genannten Themen einsetzt? das wäre dringend an der Zeit!

  8. Auch wenn ich euch nicht finanziell unterstütze, ich lebe unter Armutsgrenze, unterstütze ich euch weiterhin ideel!

  9. Wäre die Umwandlung Campacts von einem Verein zu einer politischen Partei denkbar?
    Hierdurch könnten -meines Wissens nach- über das Parteiengesetz die Unterstützungen weiterhin steuerlich geltend gemacht werden.

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