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Kohle – und jetzt?

Viel Kohleausstieg bringt es nicht: Das gerade verabschiedete Kohlegesetz ist schwach. Trotzdem hatten wir nie bessere Chancen auf ein schnelles Aus für die Kohlemeiler - die müssen wir jetzt gemeinsam richtig nutzen. Campact-Vorstand Christoph Bautz schreibt, wie das gehen kann.

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Auf dem Gesetz steht Kohleausstieg – aber es ist viel zu wenig drin. Was die Abgeordneten von CDU/CSU und SPD letzten Freitag im Bundestag beschlossen haben, ist gleich aus mehreren Gründen völlig aus der Zeit gefallen

Verzögert, verzockt, verzweifelt

  1. Verzögert: Bis 2038 sollen Kohlemeiler bei uns weiterlaufen – viel zu spät, um die Erderhitzung unter der kritischen 1,5-Grad-Schwelle zu halten. Wann andere EU-Länder aussteigen? Frankreich: 2021. Italien, Spanien und Großbritannien: 2025. Die Niederlande: 2030. Später als Deutschland sind nur Polen und Tschechien dran. Das Ausstiegsdatum hat die Kohle-Kommission zu verantworten. Aber die Regierung macht es noch schlimmer und schaltet in den nächsten Jahren kaum Anlagen ab. Dabei ist klar: Wir könnten jetzt die Hälfte der Kohlemeiler abschalten und bis 2030 komplett aus der Kohle aussteigen
  2. Verzockt: Die Kohle-Konzerne bekommen fette Entschädigungszahlungen vom Staat: mehr als vier Milliarden Euro. Wie diese Summe zustande kommt, kann die Bundesregierung selbst nicht erklären. Und gerechtfertigt ist sie nicht: Denn die meisten Anlagen sind am Markt kaum noch etwas wert. Sie fahren Verluste ein. Und sie sind so alt, dass ihre Investitionskosten für die Betreiber längst finanziert sind.
  3. Verzweifelt: Dörfer im Rheinland sollen weiter für Braunkohle abgebaggert und Menschen zwangsweise umgesiedelt werden. Und auch wenn der Hambacher Wald stehen bleibt: Er droht zu vertrocknen, weil um ihn herum weiter Kohle abgebaut wird.

Die Bedingungen, das Ende der Kohle schnell einzuläuten, sind besser denn je

Ein ziemlich wirkungsloses Kohleausstiegsgesetz – haben wir damit den Kampf um einen Ausstieg vor 2030 verloren? Mitnichten. Denn die Bedingungen, das Ende der Kohle schnell einzuläuten, sind besser denn je. Auf dem Energiemarkt ist es derzeit eng für die Kohle. Sie bekommt immer mehr Konkurrenz durch günstigen Wind- und Sonnenstrom – dank des niedrigen Gaspreises auch durch Gaskraftwerke. Gleichzeitig macht der relativ hohe CO2-Preis den Kohlestrom teurer. Im Ergebnis wurde in der ersten Jahreshälfte 36 Prozent weniger Strom aus Braun- und 46 Prozent weniger aus Steinkohle erzeugt – schlicht weil der Kohlestrom am Markt zu teuer ist.

Also regelt der Markt den Ausstieg? Nein. Darauf zu vertrauen, wäre fatal. Denn die schlechte Marktlage für Kohle ist nur eine Momentaufnahme. Gas- und CO2-Preis schwanken heftig. Läuft es schlecht, ist die Kohle demnächst wieder konkurrenzfähig.

Mit diesem Dreischlag bekommen wir die Kohle-Meiler vom Netz

Genau hier können wir ansetzen: Gemeinsam müssen wir dafür sorgen, dass die Bedingungen für Kohle am Markt schlecht bleiben. Dann schaffen wir den Ausstieg deutlich vor 2030. Und das geht so:

  1. Erneuerbare Energien massiv ausbauen: Je mehr Wind- und Solarstrom ins Netz fließen, desto weniger lohnt sich der Betrieb von Kohlemeilern. Denn Erneuerbare Energien genießen einen Vorrang im Netz und drängen den Kohlestrom raus. Um die Kohlemeiler rasch überflüssig zu machen, müssen die Erneuerbaren bis 2030 mindestens 75 Prozent des gesamten Stroms in Deutschland liefern. Eine Herausforderung – schließlich brauchen wir auch immer mehr Strom für Wärme und Mobilität. Das wird nur möglich, wenn die Regierung die Erneuerbaren konsequent fördert.
  2. Einen CO2-Mindestpreis einführen: Der europäische Emissionshandel, der CO2 einen Preis gibt, wirkt derzeit im Stromsektor. Doch nur mit einer festen Mindesthöhe stellen wir sicher, dass der Preis nicht wieder sinkt. Sondern stufenweise ansteigt. Deutschland muss dieses Instrument gemeinsam mit anderen EU-Ländern einführen. Studien zeigen: Ein Mindestpreis von 40 Euro je Tonne CO2 würde Kohlemeiler so unwirtschaftlich machen, dass sie vom Netz gehen.
  3. Schadstoffe-Grenzwerte für Kohlekraft verschärfen: Quecksilber, Stickoxide, Feinstaub – die EU hat schon 2017 schärfere Auflagen für Emissionen von Kohlekraftwerken beschlossen. Doch die Regierung hat sie bisher nicht in nationales Recht überführt. Ambitionierte Grenzwerte würden vor allem bei der Braunkohle teure Nachrüstungen in Filtertechnik nötig machen. Investitionen, die nicht mehr wirtschaftlich sind – und die Betreiber zur Stilllegung von Kraftwerken zwingen könnten.
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Nächstes Jahr sind Bundestagswahlen. Das ist die Chance für einen Kohleausstieg 2030

Seien wir realistisch: Auf die Große Koalition können wir bei all diesen Forderungen nicht setzen. Aber bereits nächstes Jahr sind Bundestagswahlen. Das ist die Chance für einen Kohleausstieg 2030 – wenn die ganze Klimabewegung ihn lautstark einfordert. Wir müssen den Ausstieg zum Top-Thema im Wahlkampf machen; und dann zum Eckpfeiler in den Koalitionsverhandlungen.

Wer einen Kohleausstieg 2030 in Koalitionsverhandlungen durchsetzen muss? Die Grünen. Denn wer auch immer regieren will: Ohne die Grünen wird kaum eine Regierung zu bilden sein. Entsprechend teuer können sie sich beim Klimaschutz verkaufen. Grünen-Chefin Annalena Baerbock stellte letzten Freitag im Bundestag klar: Ein Ausstieg sei “aus Gründen des Klimaschutzes bis 2030 möglich und nötig”. An diesen Worten werden wir sie messen. Egal, wie hart die Koalitionsverhandlungen werden: Beim 2030-Ziel dürfen die Grünen nicht nachgeben.

Aber auch die anderen Parteien müssen sich bewegen. Die Kohlefreund*innen in CDU/CSU und SPD setzen alles daran, dass der Kohleausstieg 2038 jetzt nicht mehr angefasst wird. Doch immerhin einer hat sich hier schon gerührt. Einer, dem womöglich in einer neuen Regierung eine große Rolle zukommt: Markus Söder. Der bayerische Ministerpräsident (CSU) forderte bereits letztes Jahr eine Beschleunigung des Ausstiegs auf 2030. Den Bremser*innen hingegen müssen wir verdeutlichen: Wer den Klimaschutz nicht ernst nimmt, wird abgewählt.

Gemeinsam können wir die Kohle stoppen

Mit Abgeordneten vor Ort diskutieren, mit Hunderttausenden auf die Straße gehen, friedlich Kohle-Bagger blockieren: Vielfalt ist die Stärke der Klimabewegung. Mit verschiedensten Aktionsformen und breiten Bündnissen haben wir es geschafft, Klimaschutz ganz oben auf die politische Agenda zu setzen. Zur Bundestagswahl 2017 nannten nur neun Prozent Umwelt- und Klimaschutz als wichtigstes Problem. Heute ist Klimaschutz das wichtigste Thema für Wähler*innen – noch vor Corona. Diese Zahlen kennen auch die Abgeordneten. Mit der Wahl 2021 müssen wir einfordern, dass diese Mehrheiten zu echtem Klimaschutz führen. Und dort den Fokus legen, wo am schnellsten am meisten CO2 einzusparen ist: bei der Kohle. Ich hoffe, dass Du  dafür gemeinsam mit uns streitest.

Jetzt würde ich gerne von Dir wissen, was Du von unseren Ideen hältst. Diskutiere mit in den Kommentaren oder schau, was andere Campact-Unterstützer*innen dort sagen!

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Autor*innen

Christoph Bautz ist Diplom-Biologe und Politikwissenschaftler. Er gründete 2002 gemeinsam mit Felix Kolb die Bewegungsstiftung, die Kampagnen und Projekte sozialer Bewegungen fördert. 2004 initiierte er mit Günter Metzges und Felix Kolb Campact. Seitdem ist er Geschäftsführender Vorstand. Zudem ist er Mitglied des Aufsichtsrats von WeMove, der europaweiten Schwesterorganisation von Campact, sowie der Bürgerbewegung Finanzwende. Alle Beiträge

518 Kommentare

Kommentare sind geschlossen
  1. Ich finde: Lasst uns unbedingt weiter am Kohleausstieg dranbleiben! Aber auch lernen, mit weniger Energie auszukommen: durch kleinere Wohnungen, niedrigere Raumtemperaturen im Winter, weniger und gezielterer Einsatz von Elektrogeräten, dezentrale Strom- und Wärmeversorgung etc.
    Der Kohleausstieg ist ja nur ein Teilproblem – mindestens genauso wichtig wären mir ein sofortiger Stopp weiterer Flächenversiegelung, eine viel intelligentere Grünflächenpflege (weniger mähen, absägen, bzw. zu den richtigen Zeiten: Natur pflegen auch durch Sich-Selbst-Überlassen).

  2. Ich finde es einfach verantwortungslos von den Politikern, dass sie den Kohleausstieg so herauszögern. Es wird ja argumentiert, dass ein solcher Ausstieg „Zeit zum umgewöhnen“ braucht, ich jedoch vermute, dass Kohleproduzenten wie RWE den Politikern ein nettes Sümmchen dafür zahlen, dass diese weiterhin für die Kohle sind. Denn warum sonst sollte jetzt noch ein Atomkraftwerk in Betrieb genommen werden? So oder so ist das Ganze eine riesengroße Katastrophe für die Umwelt und ich hoffe sehr, dass dem bald ein Ende bereitet wird!!!

  3. Was bei der ganzen Diskussion um die Schadstoffemision – vor allem durch die Braunkohle – unerwähnt bleibt ist, dass in den Braunkohlemeilern von RWE vergifteter Klärschlamm aus fast der gesamten Bundesrepublik „kostengünstig“ mitverbrannt wird, der sonst auf Sondermülldeponien verbracht werden müsste. Damit sparen Kommunen recht viel Geld und RWE verpestet dadurch die Umwelt nicht nur mit CO2.
    Ebenso bleibt im Dunkeln, dass durch die Braunkohleverbrennung im rheinischen Braunkohlegebiet jährlich ca. 1400 Menschen, in einem umgrenzten Raum, durch die Emissionen tötlich erkranken. Das wurde im Prozess in Aachen gegen Demonstranten, die den Notwehrparagraphen anführten, mit einem wissenschaftlichen Gutachten belegt.
    letztendlich müssen die Gerichte anders mit den Enteignungen in den Braunkohlegebieten umgehen. Es besteht keine Notwendigkeit mehr mit einem Allgemeingut, wie im Bergbaugesetz angenommen wird, zu argumentieren.

  4. Manchmal bewegen sich die Dinge langsamer, als es brauchte, um das die Kohle zur Kohle wurde, schnell und gut zum verheizen für alle möglichen Bereiche, deren Endprodukte kalter Rauch, Rus und Asche hinterließ und für die Erderwärmung durch das Kohlendioxid mit verursacht, wie mit einem Überraschungsei, alle drei Dinge auf einmal, genauso lange brauchen Sie, um endlich die Schäden zu vermeiden durch ordentliche und gut durchdachte Gesetze, die auch in der Zukunft ihre positive Wirkung haben und wenigstens und das ist nur eine Wollens- und Willenssache, dies für unsere Kinder und nächsten Generationen zu meistern

  5. Das was Campact bezüglich des Kohleausstiegs schreibt und propagiert ist logisch und nachvollziehbar. Dem kann ich nur in vollem Umfang zustimmen. Das leidliche Problem sind aber unsere Politiker und Lobbyisten die wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund stellen.

    Mit diesen zum Schein durchgeführten herzlosen Maßnahmen kann man weder die zunehmende Klimaerwärmung noch die Corona Pandemie bekämpfen.

    Der Kohleausstieg muss sofort erfolgen, auch wenn dadurch witschaftliche Nachteile in Kauf genommen werden müssen.
    Diese Nachteile kann man eher kompensieren, aber die rasant zunehmenden nachhaltigen Schäden an der Natur können das Zeitalter
    des Anthropozäns zum Chaos führen.

    Analog zum Klimaschutz wird genauso halbherzig gegen die Corona Pandemie vorgegangen. Auch hier werden Beschränkungen im Zuge von wirtschaftlichen Interessen gelockert. Wir werden in der nächsten Zukunft sehen welcher Chaos über uns hereinbricht, bei einer 2. Welle der Pandemie.

  6. Das Ausstiegsziel 2038 ist ja wirklich ein ganz schlechter Witz, aber das Unfassbare: Die Kohlekonzerne erhalten noch üppige Entschädigungsgelder vom Staat, d.h. von uns allen (Steuerzahler). Die Bewohner der Abbaugebiete vertreibt man, die Dörfer werden abgebaggert. WER entschädigt all die Menschen für den Verlust ihrer Heimat, der irreversiblen Zerstörung gewachsener Natur- und Kulturlandschaften? Hat jemand schonmal ansatzweise den Gesamtwert der vernichteten Gebiete berechnet? Und nicht genug: das alles auch noch auf Grundlage eines Gesetzes das noch aus Zeiten des Dritten Reich stammt.

  7. Wurden denn die Milliardenzahlungen an die Kohlekonzerne an Bedingungen gebunden? Wie z.B. die Investition in Erneuerbare und Speichertechnologie? Oder ist den Konzernen die Verwendung selbst überlassen? Möglicherweise zur Freude der Dividenden- und Boni-Empfänger? Corona zeigt gerade, wie handlungsfähig Regierungen sein können. Was bei Corona innerhalb von Wochen möglich wurde, wurde beim Klimaschutz wohl in mehreren Jahrzehnten nicht erreicht. Warum tut man sich so schwer, dass Bedrohungspotential des Klimawandels genauso ernsthaft zu erkennen, wie bei Corona? Vielleicht sollte es auch z.B. einmal wöchentlich eine Pressekonferenz vom Potsdamer Institut für Klimafolgenforschung, o.a. geben, wie es vom RKI zu neuesten Entwicklungen in Sachen Corona gab. Um das Thema noch mehr ins Bewusstsein der Bevölkerung (den Wählern) zu bringen.

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