Es gibt sicherlich Menschen, die zur Weihnachtszeit gerne zu ihrer Familie fahren – genauso gibt es aber auch Leute, bei denen solche Treffen mit verschiedenen Familienzweigen immer mit Stress verbunden sind. Da sitzen Personen zusammen unter dem Weihnachtsbaum, die sich sonst erfolgreich aus dem Weg gehen, aber dann am 24. Dezember sich selbst, ihre eigene Geschichte und die der anderen in einem Wohnzimmer versammeln.
Dazu kommen polarisierende, aktuelle Diskussionen: Sei es nun Corona, die Grippe und RS-Virus, der Krieg in der Ukraine, Razzien bei Reichsbürgern oder die Proteste der Letzten Generation. Jeder meint, dazu etwas sagen zu können oder wollen – bei vielen unterschiedlichen Sichtweisen sind Konflikte vorprogrammiert. Wir haben fünf Tipps für Dich, wie Du erfolgreich Deine Ansichten vertrittst und rassistische, homophobe oder frauenfeindliche Kommentare kontern kannst.
1. Einen kühlen Kopf bewahren
Auch wenn es sicherlich schwer fällt, Ruhe zu bewahren, wenn Großonkel Jürgen mal wieder über „die Flüchtlinge“ fabuliert, die „ja nur hier sind, um Sozialhilfe zu schnorren“ – Zorn mit Zorn zu begegnen, hilft selten. Ein kühler Kopf ist äußerst wichtig bei
schwierigen Gesprächen und hilft Dir, die Diskussion auf einem sachlichen Niveau zu halten. Die Gedanken des anderen als abstrus oder reinen Quatsch abzutun, ist nicht zielführend. So schaukeln sich die Gespräche nur weiter hoch; im Zweifel machst Du Dich auch selbst angreifbar, wenn Du unfair, beleidigend oder unter der Gürtellinie konterst.
2. Beispiele einfordern
Die Bundeszentrale für Politische Bildung und verschiedene Initiativen stellen Materialien bereit, in denen Du noch mehr über gekonnte Argumentation lesen kannst:
Wir bleiben bei dem Beispiel mit Großonkel Jürgen. Frag ihn doch mal – ganz ruhig und sachlich – woher er denn sein Wissen zu dem Thema hat. Weise auf Verallgemeinerungen und Widersprüche hin. Gibt er „Alternative Medien“ und Quellen an, die zum Bereich der Rechten Medien oder Verschwörungstheoretikern gehören (zum Beispiel solche, die hier aufgeführt sind), frage, warum genau er denn diesen Quellen vertraut – und wenn Du informiert bist, kannst Du auch gleich sagen, warum Du persönlich sie nicht vertrauenswürdig findest.
3. In Ich-Botschaften sprechen
Generell: Ich-Botschaften funktionieren in solchen Gesprächen besser, denn so vermeidest Du direkte Vorwürfe. Nicht immer ist sich Dein Gegenüber der Bedeutung seiner oder ihrer Aussagen bewusst oder ist umfassend informiert. Gerade rechte Rhetorik funktioniert mit Stereotypen, Verallgemeinerungen oder vermeintlich einfachen Lösungen. Darauf fallen viele Menschen rein. Diese mit Ich-Botschaften zu kontern, bringt Deinen Gegenüber eventuell auch zum Nachdenken; es lässt sie aber auf jeden Fall nicht einfach unkommentiert im Raum stehen („Das habe ich nicht ganz verstanden. Kannst Du das nochmal genauer erklären?“ oder „Ich persönlich denke, dass …“).
Achte auf Deine mentale Gesundheit und Belastbarkeit. Diskussionen oder Streitgespräche können sehr anstrengend werden. Wenn Du nicht diskutieren kannst oder willst, oder weißt, dass es in dieser einen speziellen Situation keinen Zweck hat (zum Beispiel, weil gar keine Bereitschaft für ein offenes Gespräch da ist) – auch dann gibt es Wege, wie Du Dich klar positionieren kannst.
4. Statt kontern: Wechsle das Thema
In manchen Situationen nützen auch die besten Argumente und Strategien nichts. Will Großonkel Jürgen überhaupt ins Gespräch kommen – oder in erster Linie schlechte Stimmung verbreiten? Du musst nicht auf jede Parole reagieren. Eine einfachere Option kann hier sein, zu versuchen, das Thema zu wechseln: Greife einen Aspekt, ein Wort oder einen Ort aus der Diskussion auf und lenke das Gespräch weg. Das kann ein eigenes Erlebnis, eine persönliche Anekdote oder etwas Zwangloses sein, dass Du erzählt bekommen hast („Ach, die Schützenstraße? Luisa hat mir erzählt, dass es da ein ganz tolles Café gibt, da wollte sie mal mit mir hin. Luisa hat auch erzählt, dass…“).
Die Debatte rund ums Gendern ist auch ein wahrer Brandherd für Familienfeiern. Argumente dazu, warum Gendern wichtig ist, liest Du hier:

Weitere Beiträge zum Thema Allyship und solidarische Unterstützung kannst Du hier lesen.
Damit hast Du zwar nicht direkt die Sichtweisen von Großonkel Jürgen herausgefordert – aber ihm immerhin die Bühne genommen, sie weiter zu verbreiten. Vielleicht danken es Dir auch noch andere Familienmitglieder am Tisch stillschweigend, dass Du eingegriffen hast.
5. Grenzen setzen
Niemand muss ein schlechtes Gewissen haben, wenn die eigenen Grenzen erreicht sind. Du willst einfach nur ein entspanntes Weihnachtsessen, ohne große Debatten zu politischen oder gesellschaftlichen Themen? Dann fordere genau das ein. Vielleicht auch mit dem Vorschlag, das Gespräch zu einem anderen Zeitpunkt fortzuführen. Und wenn die anderen Menschen am Tisch diese Grenze nicht respektieren? Dann stehe auf und gehe. Denn auch ein aktives nicht-partizipieren an verletzenden oder diskriminierenden Gesprächen und Unterhaltungen zeigt, dass Du mit diesen Positionen nicht einverstanden bist. Es setzt ein stilles Zeichen, dass Dein Großonkel Jürgen mit seiner Ansicht keinen Alleingeltungsanspruch hat – und es sehr wohl andere Perspektiven auf das Thema gibt.
Es bleibt zu hoffen, dass Du diese Tipps beim Weihnachtsessen, Kaffeetrinken oder auch jeder anderen Gelegenheit, wo Familie und Freund*innen zusammenkommen, gar nicht erst brauchst. Aber: Mit diesem Beitrag bist Du mit den nötigen Kontern und Methoden ausgerüstet, um die Festtage gut zu überstehen. Teile den Beitrag doch mit Freund*innen und Bekannten, für die diese Tipps auch nützlich sein könnten!