Klimakrise
3 Fragen an … Mira Jäger, Campaignerin für Lützerath
Mira Jäger ist Campaignerin bei Campact. Am Samstag demonstrierte sie gemeinsam mit Umweltverbänden, Fridays for Future und 35.000 Menschen in Lützerath. Warum der Protest so wichtig war, erklärt sie hier.
Das kleine Dorf Lützerath am Tagebau Garzweiler ist geräumt – die Kohlebagger von RWE haben freie Fahrt. Hunderte Aktivist*innen waren wochenlang vor Ort; sie beschützten mit Aktionen zivilen Ungehorsams das Dorf. Und sie waren nicht alleine: Am Wochenende rief Campact gemeinsam mit Fridays for Future, BUND und Greenpeace zu einer Großdemo ganz in der Nähe von Lützerath auf. 35.000 Menschen waren dabei – und das trotz Regen und Sturm. Unter ihnen: Mira Jäger, seit 2021 Campaignerin bei Campact. Wir haben sie gefragt, warum der Protest in Lützerath so wichtig war.
Am Wochenende waren Tausende Menschen in Lützerath. Wogegen habt ihr dort protestiert?
Wir haben dagegen protestiert, dass Lützerath gerade abgerissen wird, um die Kohle darunter zu verfeuern – denn damit überschreiten wir hier am Tagebau Garzweiler die 1,5-Grad-Grenze, zu der wir uns im Pariser Klimaabkommen verpflichtet haben. Braunkohle ist der klimaschädlichste Energieträger und das rheinische Braunkohlerevier die größte CO2-Quelle Europas.
Gemeinsam mit 35.000 Menschen und in Solidarität mit der globalen Bewegung für Klimagerechtigkeit haben wir deshalb von den Verantwortlichen in Bund und Land gefordert: Stoppt die Räumung und die Kohlebagger. Die Kohle unter Lützerath muss im Boden bleiben! Wir brauchen jetzt einen bundesweiten Kohleausstieg, der kompatibel ist mit der 1,5-Grad-Grenze – sowohl im Rheinland als auch in Ostdeutschland.
Die Räumung Lützeraths stößt auf viel Kritik. Was genau wird kritisiert?
Vor Lützerath verläuft die 1,5-Grad-Grenze. Studien des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung zeigen: Wenn die Kohle, die unter und hinter Lützerath liegt, verfeuert wird, reißen wir das für diese Grenze berechnete CO2-Budget. Dennoch haben Mona Neubaur (grüne Wirtschaftsministerin in NRW) und Robert Habeck (grüner Bundeswirtschaftsminister) in einem Hinterzimmer-Deal zugestimmt, dass RWE dort weitere 280 Millionen Tonnen Braunkohle fördern darf – sechsmal mehr, als für die Einhaltung der Klimaziele zulässig wären. Die grünen Minister*innen stellen den Deal als positiv für den Klimaschutz dar, da der Kohleausstieg in NRW dafür auf 2030 vorgezogen werden soll.
Doch die Rechnung geht nicht auf. Realistisch betrachtet spart der Deal keine einzige Tonne CO2 ein. Denn RWE hat durchgesetzt, dass sie die Kohlemenge, die sie bis 2038 verbrennen wollten, nun einfach in der Hälfte der Zeit verfeuern können – aufgrund der derzeit hohen Preise im Zuge der Energiekrise bringt das dem Konzern auch noch hohe Gewinne ein.
Hier in Lützerath kämpfen Menschen dafür, dass die Regierung ihre eigenen internationalen Klimaschutz-Verträge einhält. Und jede weitere Tonne Kohle, die in Deutschland verfeuert wird, verstärkt die Klimakrise und kostet Menschenleben – vor allem im globalen Süden.
Immer wieder heißt es, wir brauchen die Kohle aus Lützerath? Stimmt das?
Die Behauptung, wir bräuchten die Kohle unter Lützerath wegen der Energiekrise in den nächsten zwei Wintern, ist wissenschaftlich nicht haltbar. Keine Studie kommt zu diesem Ergebnis. Hingegen kommen mehrere Studien zu dem Schluss, dass die Kohle unter Lützerath nicht mehr benötigt wird. Die Kohle unter Lützerath wäre außerdem erst in zwei bis drei Jahren verfügbar: Aufgrund des technisch bedingten langsamen Tagebauvortriebs auf den tieferen Sohlen kann diese Kohle gar nicht vorher gefördert werden. Das Verbrennen dieser Kohle ist also energiewirtschaftlich nicht notwendig und klimapolitisch unverantwortlich.
Sehr lesenswert zur Kohleförderung am Tagebau Garzweiler und der Zerstörung von Lützerath ist auch das FAQ der Forschungsgruppe Fossil Exit um Prof. Dr. Pao-Yu Oei und Catharina Rieve.