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Klimarealität im Technik-Design? Permacomputing vs. Apple

Wie sollte das Design unserer digitalen Geräte auf die Klimarealität reagieren? Der Permacomputing-Ansatz will klimagerechte Digitalisierung, Apple hat unterdessen mit einer neuen Super-Viele-Pixel-Brille ein Produkt angekündigt, das vor der Klimadesign-Frage die Augen verschließt.

Eine Frau sitzt in einem Raum, von viel Grün umgeben. Sie trägt eine grüne VR-Brille. Statt immer mehr Elektroschrott brauchen wir fürs Klima besseres Technik-Design.
Zwar grün, aber nicht nachhaltig: Statt Greenwashing und immer Elektroschrott brauchen wir ganz neue digitale Ansätze. Foto: IMAGO / Westend61

Es ist heiß und es wird immer heißer. Aktuelle Klimazahlen deuten darauf hin, dass in Europa im Juni 2023 die Erwärmungsschwelle von 1,5 Grad Celsius überschritten wird. Die Wissenschaftler:innen des EU-Erdbeobachtungsprogramms Copernicus gehen davon aus, dass das immer häufiger der Fall sein wird, bis die 1,5-Grad-Schwelle schließlich dauerhaft und global überschritten ist. Danach geht es in Richtung 2-Grad-Schwelle – mit allen bekannten Folgen. Wie sollte digitale Technikgestaltung darauf reagieren? Wie sollten Hersteller unter diesen Bedingungen unsere digitalen Geräte der Zukunft designen?

Unsere Entscheidung

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Alle Beiträge zu den Themen Digitalisierung und Klimakrise findest Du hier.

Ich denke, da gibt es zwei Wege, zwischen denen wir wählen können. Entweder werden wir in Zukunft digitale Geräte nutzen, die in Inhalt und Form auf die Klimarealität reagieren, wie es der Permacomputing-Ansatz vorschlägt. Oder wir erschaffen weiterhin kurzlebige, energie- und ressourcenintensive Geräte, die uns hochauflösend von der Klimarealität ablenken, wie die für 2024 angekündigte Abtaucherbrille Vision Pro. Vermutlich wird es leider auf einen Greenwashing-Kompromiss hinauslaufen, indem belanglose Ablenkungs- und Unterhaltungselektronik, so klimaschädlich sie auch in der Herstellung sein mag, als nachhaltig bezeichnet wird, weil sie das Streamen von Serien mit grünem Strom erlaubt und die Akkus austauschbar sind. Dabei wäre eine erwachsene Technikgestaltung der planetaren Situation angemessen.

Reflektiertes Design: Permacomputing

Wer sich anschaut, wie viel Energie und wie viele endliche Ressourcen bei der Herstellung unserer Smartphones, Kameras und Laptops verbraucht werden, kann durchaus, wie ein User auf Mastodon, zu der schlichten Feststellung gelangen: „Die Herstellung von Hardware ist ein inhärent destruktiver Prozess“. Die Herstellung eines IPad Pro 11″ verbraucht etwa 82 Prozent der CO2-Emissionen der gesamten Lebensdauer des Geräts, bei einem Google Pixel 7 sind es 79,2 Prozent. Insgesamt verursacht die Produktion unserer Konsumgeräte etwa 40 Prozent der Treibhausgase in der Digitalisierung und macht damit, mit großem Abstand, den größten Anteil aus.

Es ist gut und schön, die Geräte mit grünem Strom zu betreiben und auf Energiesparsamkeit zu achten, aber: Das größte Problem heißt Produktion. Etwas kompensieren lässt sich der Produktionsaufwand durch die Verlängerung der Nutzungsdauer unserer Geräte. Dafür braucht es frugal Computing, also genügsame Hard- und Software, die auch nach zehn Jahren noch ihre Aufgabe erfüllt. Der Permacomputing-Ansatz bietet Design-Prinzipien, die diese Form der Genügsamkeit und Nutzenorientierung als positive Computerkultur verstehen:

Das ökologische Konzept der Permakultur lässt sich auch auf Digitalisierung anwenden. Über Permacomputing hat Friedemann Ebelt auch in diesem Beitrag geschrieben:

„Permacomputing will eine Gegenstimme zu digitalen Praktiken sein, die Maximierung, Hyperkonsum und Verschwendung fördern. Es will Praktiken als angewandte Kritik an der zeitgenössischen Computertechnologie fördern, die eine maximalistische Ästhetik privilegiert, bei der mehr Pixel, mehr Bildrate, mehr Berechnungen und mehr Leistung gleichbedeutend sind mit mehr Potenzial um jeden Preis und ohne jegliche Konsequenzen.“ (Mehr dazu in diesem Aufsatz)

Fehlinnovation: Apple Vision Pro

Aus der Anerkennung der Klimarealität im Design von Digitalisierung ergibt sich unendlich großes Potenzial für nützliche technische Innovation. Zum Beispiel könnten sich Hersteller und Entwickler:innen fragen, wie Echtzeit-Umweltdaten genutzt werden könnten, um unseren Alltag klimagerechter zu gestalten.

Apple scheint das zu anspruchsvoll zu sein – hier heißt Innovation: mehr Zucker in die Cola – mehr PS in den Verbrennungsmotor. Mit ihrer neuen Abtaucherbrille Vision Pro soll ein Gerät produziert werden, dass der alten Digitalisierung lediglich ein neues Look and Feel verpasst. Die User sitzen im Flieger oder im klimatisierten Appartement und konsumieren ihre ablenkenden Apps und Streams, die sie nun noch bewegungsärmer bedienen können. Die Brille soll uns in eine immersive Realität beamen, in der es keine Klimakrise (und auch keine andere) gibt. Die Brille ist digitaler Glitzer, aber keine technische Innovation im Sinne einer intelligenten Weiterentwicklung von Technologie, die hilft, Probleme zu lösen und ein besseres Leben zu ermöglichen. Apple bewirbt das Gerät als „The most ambitious product Apple has ever created“, aber den Anspruch auf Nachhaltigkeitsaspekte einzugehen, hat der Hersteller nicht. Mit 4k auf der Nase verschließt Apple die Augen vor der Klimarealität. Apple CEO Tim Cook sagt über seine Kreationen: „We do the right thing, even when it’s not easy.“ Ich frage mich: Was ist an diesem Produkt richtig? Die Abtaucherbrille ist einfach nur der Elektroschrott von morgen, der Boden, Meere und Atmosphäre vermüllt.

Ob es jemand merkt?

Aktuell testen Influencer die Abtaucherbrille für Zwecke der Eigen- und der Produktwerbung, indem sie umständlich erzählen, ob sie die vielen Pixel und die Tonqualität und die Gestensteuerung gut oder schlecht finden. Ich bin gespannt, ob irgendwann auch wer merkt, dass dieses Produkt innovationslos ist und die klimaschädliche Fehlentwicklung der Digitalisierung blind fortsetzt. Was muss passieren, damit das Müllfluencing in der Klimarealität ankommt? 

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Autor*innen

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Er hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und interessiert sich für alles, was zwischen Politik, Technik, und Gesellschaft passiert. Sein vorläufiges Fazit: Wir müssen uns besser digitalisieren! Alle Beiträge

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