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Daten müssen Taten folgen

Das neue Klimadaten-Portal klimadashboard.de zeigt aktuelle Klimadaten, Prognosen und Studien zu genau den Fragen, auf die wir Antworten brauchen, wenn die Klimawende gelingen soll. Friedemann Ebelt hat dem engagierten Team einige Fragen zu seiner Arbeit gestellt.

Eine Hand berührt das Wort Climate Change auf einem Screen
Die Klimakrise visualisieren: Genau das macht das Team vom Klimadashboard. Foto: IMAGO / Pond5 Images

Seit Anfang September macht die Seite klimadashboard.de Daten zur Klimakrise in Deutschland greifbar. Hier wird mit Live-Daten getrackt, wie es wirklich mit Windenergie und Photovoltaik vorangeht. Andere Charts zeigen, dass unser CO₂-Budget für die Einhaltung des Pariser 1,5-Grad-Limits bei gleichbleibenden Emissionen bereits Anfang 2025 aufgebraucht sein wird. Aktuelle Klima- und Gesellschaftsdaten machen den abstrakten Klimawandel greifbar: Wie viele Hitzetage hat die Wetterstation des Deutschen Wetterdienstes in meiner Nähe aktuell erfasst und wie viele gab es davon in der Vergangenheit?

Mit Daten die Klimakrise sehen und verstehen

Für Österreich gibt es so ein Klimadashboard seit Anfang 2022, zu der Zeit das einzige seiner Art. Die Dashboards werden betrieben von Klimadashboard, einem Verein zur „Förderung datenbasierter Berichterstattung und Bewusstseinsbildung zur Klimakrise“ (auf Mastodon). Dessen ehrenamtlich arbeitendes Team sucht aktuell Unterstützung, um die laufenden Kosten für Server und Cloud-Infrastruktur tragen zu können und um neue Projekte langfristig zu entwickeln. Wer mitarbeiten möchte: Es werden Menschen gesucht für die Kommunikation, Data Science und für die Frontend-Entwicklung.

Fragen an Klimadashboard.de: Datenlage, Digitalisierung und sozialer Wandel

Das Team von Klimadashboard war so frei und freundlich und hat einige Fragen zu seiner Arbeit beantwortet. Lies hier das gesamte Interview:


Friedemann Ebelt: Was ist Eure Einschätzung zur Klima-Datenlage? Sind die Daten, die Euch zur Verfügung stehen, ausreichend detailliert und präzise?

Klimadashboard.de: Unser Dashboard baut auf den Daten wissenschaftlicher Institutionen auf, darunter das Umweltbundesamt, der Sachverständigenrat für Umweltfragen und der Deutsche Wetterdienst. Wir sehen bei Klimadaten eine große Bereitschaft zu offener Lizenzierung, was gut ist: Die Klimakrise ist zu dringlich, um von Daten-Paywalls behindert zu werden. Deswegen gibt es im Gegensatz zu anderen Seiten bei uns auch keine Paywalls und fast alle Datensätze zum direkten Download. Damit machen wir unsere Arbeitsweise transparent und erleichtern die Arbeit von Medienschaffenden und anderen, die mit Klimadaten arbeiten möchten.

Seht ihr Datenlücken, also Bereiche, in denen ihr Euch mehr Daten wünscht?

Daten und Fakten zur Klimakrise in Deutschland
Seit 1750 wurden in Deutschland mehr als 117 Milliarden Tonnen Treibhausgase ausgestoßen. Grafik: Klimadashboard.de

Wichtig wäre, Reportings zu Emissionen schneller und häufiger zu erstellen – aktuell wissen wir erst mit vielen Monaten Abstand, ob wir in einem Jahr auf Kurs zur Klimaneutralität waren oder nicht. Im politischen Betrieb sind engmaschige Einordnungen jedoch unerlässlich, um schnell Kurskorrekturen vornehmen zu können.

Euer Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie Digitalisierung bei der Klimawende helfen kann, durch Daten, Aufklärung und Wissensvermittlung. Gleichzeitig treibt der Ressourcen- und Energieverbrauch der Digitalisierung (Geräte, Nutzung, Werbung und Konsum etc.) den Klimawandel an. Wie geht ihr als digitales Projekt damit um?

Unsere Server laufen zu 100 % mit erneuerbaren Energien in der Europäischen Union, wir halten die notwendige Rechenleistung für das Klimadashboard möglichst minimal. Wir glauben, dass digitale Tools ein Level an Aktualität und Regionalität bieten können, das in anderen Medien so nur schwer möglich wäre. Trotzdem ist klar, dass neben einer Umstellung unseres Energiesystems auf erneuerbare Energien auch massive Einsparungen und Effizienzsteigerungen notwendig sind, um unsere Klimaziele rechtzeitig zu erreichen. Hier sind auch Websitebetreiber in der Pflicht. Den Fußabdruck digitaler Produkte möglichst minimal zu halten ist nicht nur fürs Klima, sondern auch für Menschen mit langsamer Internetverbindung oder teuren Verträgen von Vorteil.

Wenn ich Eure Arbeit richtig verstehe, wollt ihr mit Wissensvermittlung von Daten und Fakten zur Klimakrise zu klimagerechten politischen und gesellschaftlichen Entscheidungen beitragen. Wo seht ihr die Stärken und Schwächen dieses Ansatzes?

Das Klimadashboard haben wir gestartet, um Klimawissenschaft für alle zugänglich zu machen. Unterschiedliche Menschen meinen oft unterschiedliche Dinge, wenn sie „Klimakrise“ oder „Klimaschutz“ sagen. Ein gemeinsamer Wissens- und Bewusstseinsrahmen macht Diskurse faktenbasierter und konstruktiver. Außerdem möchten wir zukünftig den Fokus gerne noch verstärkter auf die Visualisierung von Handlungsoptionen und deren Wirksamkeit in der Klimakrise legen, um neben Daten und Fakten auch Umsetzungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Zudem bieten interaktive Elemente wie das Klimaquiz und Workshops und Ausstellungen Möglichkeiten für Austausch und Diskussion.

Gleichzeitig machen wir uns nichts vor: Datenvisualisierungen allein werden das Klima nicht retten. Auf Wissen und Bewusstsein folgen aber oft jene Emotionen, die uns zum Handeln bringen. Und genau das braucht es jetzt mehr denn je: Daten müssen Taten folgen.

Ihr kommuniziert auf den Kurznachrichtendiensten X (ehemals Twitter) und seit November 2022 auf Mastodon und auch auf Instagram – welche Erfahrungen habt ihr hier, aber auch auf anderen Kanälen gemacht? Wie sehen Reaktionen auf Eure Posts aus? Sind Desinformation, Hass oder Störungen ein Thema?

Als ehrenamtliches Team suchen wir sehr genau aus, welche Kanäle wir bespielen. Wir verwenden X und Mastodon, aber auch LinkedIn, um in wissenschaftliche und politische Kreise zu kommunizieren, die oft nah an Daten und Entscheidungen sind. Auf Instagram kommunizieren wir niederschwelliger und erreichen somit auch ganz andere, teils jüngere, Zielgruppen. Wir sind immer sehr dankbar für konstruktives Feedback und können über diese Kanäle sehr direktes User-Feedback für unsere Arbeit bekommen. Desinformation begegnen wir, soweit es unsere Ressourcen zulassen, Hate Speech erreicht uns selten und wenn doch, wird sie gemeldet und ausgeblendet.

Was macht ihr anders als andere Projekte?

Wir unterscheiden uns von bestehenden Angeboten durch die Verknüpfung vieler Datensätze – von natur- bis sozialwissenschaftlich – auf einer zentralen Website, durch ein hohes Level an Aktualität und Regionalität sowie zugängliche Sprache und interaktive Elemente, die vielfältige Zielgruppen ansprechen – nicht nur ein Fachpublikum.

Seht ihr Verbesserungspotenziale bezüglich der Arbeit der Zivilgesellschaft zu Klimathemen? Was braucht ihr als Verein aktuell konkret?

Wie kaum zuvor sehen wir in der Klimawende eine Vielfältigkeit zivilgesellschaftlichen Engagements, von jung bis alt, wissenschaftlich bis emotional, politiknah bis systemkritisch. In dieser Vielfältigkeit liegt auch die Herausforderung, sinnvolle Allianzen zu bilden, um in Summe stärker zu sein als jede Initiative einzeln. Wir müssen außerdem sinnvolle Balancen aus Breite und Tiefe finden – monothematische Initiativen sind in ihrem Fokus genauso wertvoll wie Engagement, das die vielen Krisen unserer Zeit gemeinsam zu versuchen löst.

Wir werden in unserer Arbeit von wissenschaftlichen Institutionen und Expert*innen aus verschiedenen Fachfeldern unterstützt, die durch Datenbereitstellung, Begleitung und Beratung einen großen Beitrag zur Entstehung des Klimadashboards leisten. Wir arbeiten stetig an der Entwicklung unserer Organisation und werden damit, wie auch mit der Entwicklung unserer Websites, wohl nie ganz fertig sein. Aktuell liegt eine große Herausforderung in der Finanzierung. Wir möchten in den kommenden Monaten gerne von reinem Ehrenamt übergehen in eine Arbeitsweise, die die stetige Entwicklung neuer Projekte sichert und finanziert. Denn unsere Roadmap ist noch lang.

Gibt es anstehende Termine, bei denen Euch Menschen kennenlernen können?

Am 22. September sind wir als Klima-Fact-Checker beim SUSTAIN! – Green Culture Summit mit an Bord, welcher im Rahmen des Reeperbahn Festivals stattfinden wird. In der darauffolgenden Woche werden wir außerdem auf dem ExtremWetterKongress sein. Darüber hinaus freuen wir uns immer über Einladungen zu Veranstaltungen, Anfragen zur Mitarbeit und Hinweise zu neuen Datensätzen an team@klimadashboard.org.

Vielen Dank für das Interview!



Die Welt ehrenamtlich retten?

Das Klimadashboard hat mir bewusst gemacht: Deutschland ist historisch gesehen der fünftgrößte Treibhausgasemittent weltweit. Die Quelle dazu ist ein wissenschaftlicher Datensatz, der ohne Visualisierung vermutlich niemals den Weg auf meinen Bildschirm gefunden hätte. Während ich mir die historischen Emissionen des sogenannten Wirtschaftswunders angesehen habe (und immer, wenn ich beispielsweise an die aktuelle Verkehrspolitik denke) fällt mir ein Zitat von Eckart von Hirschhausen ein: „Es ist nicht einfach, die Welt ehrenamtlich zu retten, wenn andere sie hauptberuflich zerstören.“ Darum bin ich sehr für die hauptberufliche Rettung der Welt – mit Klimadaten und allem was dazu gehört!

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Autor*innen

Friedemann Ebelt engagiert sich für digitale Grundrechte. Im Campact-Blog schreibt er darüber, wie Digitalisierung fair, frei und nachhaltig gelingen kann. Er hat Ethnologie und Kommunikationswissenschaften studiert und interessiert sich für alles, was zwischen Politik, Technik, und Gesellschaft passiert. Sein vorläufiges Fazit: Wir müssen uns besser digitalisieren! Alle Beiträge

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