Verkehr
Falschparker: Endlich mehr Rechte für Fußgänger
Sicher durch den Verkehr zu kommen ist für Fußgänger*innen nicht einfach – manche wissen sich nur noch auf gerichtlichem Weg zu helfen. Die Ampel will jetzt handeln.
Wie schlecht es um die Rechte von Fußgänger*innen in Deutschland bestellt ist, zeigte jüngst ein Gerichtsurteil. Anfang Juni hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass Anwohner von Behörden verlangen können, gegen das Gehwegparken – das sogenannte „aufgesetzte Parken“ mit zwei Räder auf dem Bordstein – vorzugehen. Ein effektiver Schritt gegen weniger Falschparker in Städten.
Stadt tut nichts – Anwohner*innen müssen klagen
Das muss man sich mal vorstellen: Da müssen erst Leute klagen, damit Autos nicht auf den Gehwegen vor ihrem Haus parken, obwohl die Straßenverkehrsordnung (§ 12, Absatz 4 und 4a) da total klar ist: Parken auf dem Gehweg ist nur dort gestattet, wo ein entsprechendes Schild (Verkehrszeichen Nr. 315) dies ausdrücklich erlaubt. Immerhin haben die Anwohner*innen Recht bekommen – allerdings nur bedingt.
Gehwege sollten eigentlich 2,50 Meter breit sein
Das Urteil sagt nämlich, dass die Einschränkung durch die parkenden Autos „erheblich“ sein muss. Für das Oberverwaltungsgericht Bremen war das in einer vorherigen Instanz der Fall, wenn deutlich weniger als 1,50 Meter übrig bleiben. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen empfiehlt übrigens eine Breite von 2,50 Metern für Fußwege.
Eine verbindliche Regel zu den Maßen von Gehwegen gibt es aber nicht. Es bleibt also ein Ermessensspielraum – im Zweifel für die Autofahrer*innen. Denn weil diese Art des Falschparkens so weit verbreitet ist, haben Städte und Kommunen gar nicht die Kapazitäten, alle Fälle von Falschparkern zu verfolgen. Zumal das Parkplatzproblem dann noch größer werden würde. Unsere Städte stehen einfach voll mit Autos, die kaum genutzt werden.
Das Urteil gegen Falschparker zeigt Wirkung
In Bremen, wo die Kläger*innen wohnen, zeigt das Urteil gegen Falschparker erfreulicherweise schon Wirkung. Mobilitätssenatorin Özlem Ünsal prüft, ob sich in Stadtteilen mit viel Parksuchverkehr Quartiersgaragen einrichten lassen. Auch soll geprüft werden, ob halb öffentliche Parkplätze, etwa von Supermärkten, genutzt werden können. Grundsätzlich wäre es aber natürlich besser – und vor allem sicherer – einfach weniger Autos in der Stadt zu haben.
Die Zahl der getöteten Fußgänger*innen ist 2023 im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 18,8 Prozent auf insgesamt 437 angestiegen. Mehr als die Hälfte davon waren älter als 65 Jahre. Kirstin Zeidler, Leiterin der Unfallforschung der Versicherer, fordert daher von den Städten, mehr Sicherheit durch Ampeln, Überwege und Mittelinseln sowie bessere Sichtverhältnisse zu schaffen. Diese Forderungen finden sich erfreulicherweise in der „Nationalen Fußverkehrsstrategie“ des Bundesverkehrsministeriums wieder. Aktuell ist der Entwurf in der Ressortabstimmung: Fachverbände und andere Ministerien können Anmerkungen machen, bevor sich das Kabinett mit der Strategie befasst.
Mit dem Programm soll der Anteil des Fußverkehrs bis 2023 gesteigert werden. Das soll einen Beitrag zur Stärkung des ÖPNV leisten, da diese Fahrten oft mit einem Fußweg beginnen und enden würden. Außerdem sollen Umwelt- und Klimaschutz davon profitieren. Das soll vor allem mit breiteren und freien Gehwegen erreicht werden. Klingt alles super, aber an der entscheidenden Stelle duckt sich die Regierung weg: Bei der Finanzierung.
Wer soll das bezahlen?
Der Bund will zwar mit Förderprogrammen unterstützen, aber sieht vor allem Länder und Kommunen in der Pflicht. Es darf also bezweifelt werden, dass in den nächsten Jahren überall neue und breite Fußwege mit schönen Querungshilfen aus dem Boden schießen. Unsere Nachbarn in Europa machen das anders.
In Österreich hat die dortige Regierung zuletzt Fußverkehrsprojekte mit 40 Millionen Euro im Jahr finanziert. In Deutschland entfielen auf den gleichen Bereich 2 Millionen Euro. Das ist erschreckend, wenn man bedenkt, wie viele Milliarden im Verkehrsbereich in die Dienstwagenprivileg oder in den Steuerrabatt für Diesel-Kraftstoff fließen. Überraschend ist das bei einem FDP-geführten Verkehrsministerium, das sich mehr mit Flugtaxis und E-Fuels befasst, allerdings nicht.
Es geht uns alle an
Die finale Strategie soll Ende des Jahres fertig werden. Ob sie dann eine vernünftige Finanzierung enthält, ist angesichts der rigiden Sparpolitk des Finanzministeriums unwahrscheinlich. Das ist bitter, denn der Fußverkehr ist nicht nur in hohem Maße flexibel, kostengünstig, klima- und gesundheitsfördernd, sondern wir sind nahezu alle Teil davon. Egal ob wir lieber Rad fahren oder Bahn oder Bus oder Auto, selten kommen wir dabei ohne Gehwege aus. Also lasst sie uns doch so breit und übersichtlich machen, damit wir sicher gehen können.