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Wie wir unsere Parlamente gegen Antidemokraten wappnen können 

Wenn Demokratiestopper in unseren Landtagen sitzen, muss sich die Demokratie anpassen. Sie muss um die Antidemokraten herum arbeiten, damit autoritäre Parteien sie nicht erpressen können! Drei Dinge, die jetzt zu tun sind.

Politiker der Parteien Die Linke, SPD, BSW bei einer Abstimmung der am Samstag fortgesetzten konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag.
Politiker*innen der Parteien Die Linke, SPD, BSW bei einer Abstimmung der am Samstag fortgesetzten konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag, Foto: IMAGO / foto2press

Auch damals begann es in Thüringen. 1929 kam es hier erstmals in Deutschland zu einer Beteiligung der NSDAP an einer Landesregierung. Das macht die Gegenwart noch düsterer, als sie nach der konstituierenden Sitzung im Thüringer Landtag letzte Woche ohnehin schon ist.

Geschichte wiederholt sich selten eins zu eins. Deswegen ist Vorsicht geboten: Was 1929 die NSDAP von der Macht abgehalten hätte, könnte heute die AfD stärken. Es ist also tricky, die richtigen Schlüsse zu ziehen und nicht einfach das zu tun, was damals richtig gewesen wäre. Die Aufgabe bleibt jedoch die gleiche: einer rechtsradikalen, antidemokratischen Partei möglichst wenig Einfluss auf unser demokratisches Gemeinwesen zu geben. 

Drei Dinge sind aus meiner Perspektive jetzt zu tun. Ich fange mit dem Offensichtlichen an.

1. Es braucht bessere Regeln in unseren Landesparlamenten und auch im Bundestag.

Demokratische Gewohnheits- und Gepflogenheitsrechte sollten der Vergangenheit angehören. Was es jetzt braucht – wenn eine rechtsextreme Partei in dieser Stärke in deutschen Parlamenten einzieht – sind klare, eindeutig auslegbare Regeln. Wie sich ein Parlament konstituiert, welche Hausordnung gilt, muss klar geregelt sein – sonst nutzen Rechtsextreme jede Lücke aus, um parlamentarische Prozesse lächerlich zu machen und auszuhöhlen. Schönwetter-Demokratie war gestern, ab sofort müssen die Landesparlamente und ihre Regelungen wasserdicht, besser „sturmfest“, gemacht werden.

Rechtliche Schlupflöcher für rechtsextreme Spitzfindigkeiten müssen identifiziert und geschlossen werden. Man hätte vor den Wahlen im Osten mehr machen können und müssen. Das „Thüringen-Projekt“ hat darauf hingewiesen. Das Forschungsprojekt untersuchte, wie autoritär-populistische Parteien auf Landesebene – speziell in Thüringen – demokratische Institutionen unterwandern könnten. Es gab wichtige juristische Handlungs- und Verhaltensratschläge für die demokratischen Parteien und andere politische Akteure. Das Projekt erforschte die potenziellen rechtlichen und politischen Spielräume, die eine solche Partei nutzen könnte, um Macht zu erlangen und demokratische Prinzipien wie Rechtsstaatlichkeit und freie Meinungsäußerung zu schwächen, ohne offene Verfassungsverstöße zu begehen.

Diese Arbeit wird in nächster Zeit immer wichtiger! Der große Zuspruch der AfD beschränkt sich nicht nur auf den Osten. Alle Länderparlamente und auch Bundestag und Bundesrat müssen nach etwaigen juristischen Ungenauigkeiten, die die Rechtsextremen für sich nutzen können, gescannt werden. Das ist die Hausaufgabe, die die Demokratie jetzt machen muss. Der Verfassungsblog fängt genau jetzt mit seinem neuen Projekt „Bundesrepublik“ damit an: Was passiert eigentlich mit Deutschland, wenn die AfD nicht nur in Thüringen, sondern auch auf Bundesebene stärkste Kraft würde? Von heute aus gesehen unvorstellbar, aber hier gilt allemal: Better safe than sorry.

2. Es ist wichtig, dass es in Deutschland auch in Zukunft eine zuverlässige Regierungsbildung gibt. 

„Stabile Mehrheiten“ hatten die Mütter und Väter des Wahlrechts im Sinn, als sie die Fünfprozenthürde in Deutschland einführten. Das war im Nachkriegsdeutschland die logische und richtige Entscheidung und gehört zu den viel zitierten Lehren aus der Weimarer Republik. Zu viele Parteien im Parlament erschweren die Regierungsbildung und das Regieren. In der Weimarer Republik, die gar keine Hürde vorsah, waren zeitweise bis zu 17 Parteien im Parlament vertreten. Wie wir wissen, ging das nicht gut.

Was für die junge Republik in den 50er Jahren richtig war, muss im Jahr 2024 nicht unbedingt noch immer die Demokratie schützen. Für eine funktionierende Demokratie braucht es in Zukunft nicht nur stabile Mehrheiten, sondern vor allem stabile demokratische Mehrheiten. Um Klartext zu reden: Wenn wir die Wahrscheinlichkeiten verringern wollen, dass die AfD sich wie die NSDAP 1929 an einer Regierung beteiligt oder eine Sperrminorität erreicht, wäre es gut, mehr demokratische Parteien im Parlament zu haben. Sicher keine 17 Stück, und sicher kommen wir auch nicht ganz ohne Hürde aus, aber es würde schon viel bringen, wenn wir die Fünfprozenthürde auf drei Prozent senken würden. Taktisches Wählen würden wir damit auch gleich eindämmen, aber dazu gleich mehr. Deswegen: Hürde runter – von fünf auf drei.

3. Taktisches Wählen kann keine dauerhafte Antwort auf ein aus der Zeit gefallenes Wahlrecht sein.

Weil das Wahlrecht so ist, wie es ist, gab es in letzter Zeit vermehrt Aufrufe, taktisch zu wählen. Erstmal kann ich das total verstehen: Die Absicht ist gut. Man will die Blockademacht der AfD verhindern. Man wählt also nicht die Partei, die den eigenen politischen Präferenzen und Werten entspricht, sondern „taktisch“ eine Partei, die bessere Chancen hat, das Schlimmste zu verhindern. Hier ein Beispiel: Die AfD sollte nicht die stärkste Kraft in Brandenburg werden, deswegen riefen vorwiegend die SPD und auch ein paar andere Akteure dazu auf, die größte demokratische Partei – die SPD – bei den Landtagswahlen zu wählen. Und, wie wir wissen, hat das geklappt. Die SPD wurde knapp vor der AfD die stärkste Kraft in Brandenburg. SPD-Landeschef Woidke reibt sich die Hände: Taktik aufgegangen. Ja, Glückwunsch, Menschen haben aus Angst vor der AfD die SPD gewählt. Das ist ganz klar „der Zweck heiligt die Mittel“-Politik.

Aber nachhaltig ist das nicht wirklich, oder? Ihr merkt schon, da läuft grundsätzlich etwas an der Logik von Wahlen vorbei, wenn man sich „gezwungen fühlt“, nicht die Partei zu wählen, die man eigentlich wählen würde, sondern eben – in diesem Fall – die SPD. Als ich letztens schrieb, Politiker:innen sollten ihre und die Emotionen der Menschen besser nutzen, habe ich das ganz sicher nicht so gemeint. Vielleicht könnte man auch sagen: Diesmal ging es eben um das Ganze. Also um Brandenburg und auch ein Stück weit um ganz Deutschland. Was wäre das für ein Signal gewesen, wenn nach Thüringen auch in Brandenburg die AfD die stärkste Fraktion im Landtag gestellt hätte. Klar, auch ich kann die Argumentation nachvollziehen. Aber was man dafür oft unwissend geopfert hat, ist eigentlich viel krasser.

Schaut man sich die Brandenburgwahl konkret an, sieht man, dass genau wegen dieser SPD-Fixierung die Grünen aus dem Landtag gefallen sind. An der Fünfprozenthürde kleben geblieben, weil viele ihrer Wähler:innen nun aus Angst die SPD gewählt haben. Vielleicht wäre das auch noch zu verkraften gewesen, wenn sich das nicht auf die komplette Sitzverteilung im brandenburgischen Landtag ausgewirkt hätte. Konkret heißt das nämlich auch: mehr Sitze für die AfD, die dadurch – mit exakt den erforderlichen 30 Sitzen – nun die wichtige Blockademacht der Sperrminorität innehat. Also etwas Gutes im Sinn gehabt – zweifelsohne – aber eben politisch die Macht der rechtsextremen AfD in Brandenburg vergrößert. Taktisches Wählen kann keine dauerhafte Antwort auf ein aus der Zeit gefallenes Wahlrecht sein. Bitte wählt, was ihr wollt. Also, was ihr wirklich wollt. Alles andere ist oft ein Spiel mit dem Feuer.

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Autor*innen

Anselm Renn ist Kommunikations- und Politikwissenschaftler. Er ist Bundesvorstand von Mehr Demokratie e.V. und setzt sich seit Jahren als Pressesprecher und Campaigner für stärkeren Bürger:inneneinfluss in der Politik auf allen Ebenen ein. Im Campact-Blog schreibt er zu den Themen Direkte Demokratie und Volksentscheide. Alle Beiträge

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