AfD Demokratie Wahlen
Nicht in die antidemokratische Normal-Falle tappen!
Die AfD ist in Sachsen und Thüringen auf Erfolgskurs. Jetzt heißt für alle demokratischen Bürger:innen, nicht nur dort, sondern in ganz Deutschland: Nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern aktiv daran arbeiten, dass blaue Mehrheiten und Gesinnungen nicht zur neuen Normalität werden.
Es hat begonnen: Während ich diese Zeilen schreibe, wählen die Menschen in Sachsen und Thüringen ihre neuen Landesregierungen. Die ersten Hochrechnungen zeigen die AfD in Thüringen bei über 30 Prozent – sie hat damit wahrscheinlich eine Sperrminorität erreicht und wird zumindest diesem Bundesland in den nächsten Jahren ihren Stempel aufdrücken. Am 22. September ist Brandenburg an der Reihe. Viele von uns – mich eingeschlossen – empfinden bei diesen Wahlen vor allem eins: Angst. Vielleicht sogar Panik. Reagiert Dein Körper auch so? Sehr gut! Das ist ein Zeichen dafür, dass dein demokratisches Immunsystem aktiv ist.
Egal, wie stark die Populisten am Ende wirklich abschneiden – spätestens am Tag der Deutschen Einheit befinden wir uns in einem anderen Deutschland. Einem Deutschland, das spiegelt, was sich schon seit Jahren abzeichnet: Ein Drittel der Menschen in vielen Teilen dieses Landes hält es für normal, die Demokratie an sich infrage zu stellen. Wenn dieser populistische Siegeszug nicht gestoppt wird, wird auch die Bundestagswahl im nächsten Jahr diesen Trend bestätigen.
Parlamente mit AfD sind schon Normalität
Und jetzt das Perfide, das uns heute noch unvorstellbar erscheinen mag: Wenn wir nicht aufpassen, dann erkennen wir den Status quo der Mehrheitsverhältnisse in den deutschen Parlamenten mit der Zeit immer mehr als Normalität an.
Heute liest du noch jeden Artikel über das starke Abschneiden der rechtsextremen Partei. An den kommenden Wochenenden wird es Gesprächsthema in deinem Freundeskreis. Du bist betroffen, machst dir Sorgen und beschließt vielleicht sogar, aktiv zu werden – sei es durch die Unterstützung einer NGO oder die Teilnahme an einer Demonstration. Alles richtige Schritte! Aber was passiert danach?
Es beginnt schleichend: Wenn du nicht wachsam bleibst, gewöhnst du dich allmählich an den fortschreitenden Demokratieabbau. Es wird noch normaler, als es ohnehin schon ist, dass Höcke & Co. im TV ihre kruden Vorstellungen für ihr AfD-Deutschland verbreiten und unser Land nun auch durch ihr starkes Abschneiden bei den Wahlen Stück für Stück mitgestalten. Du glaubst, du bist anders und gewöhnst dich nicht daran? Weil diesmal der Schock tiefer sitzt? Weil es diesmal noch augenscheinlicher ist als bei den letzten Wahlen? Denk daran: Schon jetzt können sich viele kaum noch daran erinnern, wie Politik ohne AfD aussah. Bald könnte es soweit sein, dass niemand mehr weiß, wie es ohne BSW in den Landtagen von Sachsen, Thüringen oder Brandenburg war. Die Wirkungsmacht von (neuer) Normalität ist riesig!
Gewohnheit ist der größte Feind
Die größte Stärke von uns Menschen, sich mit der Zeit an fast alles anzupassen, wird in diesem Fall zur größten Gefahr für unsere Demokratie. Wenn nichts Außergewöhnliches passiert, lassen wir die schrittweise Erosion der Demokratie geschehen, ohne es wirklich zu merken. Aber warum? Weil wir nach dem ersten Aufbäumen einfach weitermachen müssen – unseren Alltag bewältigen, Einkaufen gehen, die Spülmaschine ausräumen, Mietverträge unterschreiben, Kinder bekommen. Die direkten Auswirkungen der Wahlergebnisse bleiben für viele von uns vorerst unsichtbar, sie werden im Alltag nicht spürbar sein. Nach einem Jahr kann man dann leichtgläubig feststellen, dass es Deutschland noch gibt und deswegen doch alles nicht so schlimm sein kann. Doch genau da hast du dich vielleicht schon an das neue Normal gewöhnt.
Es könnte noch schlimmer werden: Die Angst, die viele von uns jetzt spüren, könnte sich mit der Zeit aus dem Vordergrund unseres Bewusstseins zu einem unterschwelligen Gefühl transformieren, das unser Leben mitbestimmt. Dieses Gefühl, dieser Zeitgeist, könnte Dein Vertrauen in Deine Mitmenschen untergraben und das allgemeine Bedürfnis nach Sicherheit verstärken, da Du die Welt viel bedrohlicher wahrnimmst und Dich unsicher fühlst, selbst wenn Du es objektiv gar nicht bist. Aus diesem Geist heraus würden dann Überzeugungen erwachsen, die uns sagen wollen: Jetzt lieber keine Demokratie-Experimente. Momentan lieber auf Nummer sicher gehen. Lieber zum Altbewährten greifen. Lieber nichts verrücken, lieber keinen Ausbau der Demokratie. Und auch wenn das intuitiv total logisch ist – wäre das die falsche Abzweigung.
Demokratisches Immunsystem stärken
Hier müssen wir bewusst anders abbiegen. Genau jetzt müssen wir unsere Einstellung zur eigenen und gesellschaftlichen Selbstwirksamkeit hinterfragen, um uns nicht an eine Höcke-Normalität zu gewöhnen und in die antidemokratische Normalisierungsfalle zu tappen.
Auch wenn wir alle menschlichen Gewöhnungs- und Anpassungseffekten unterliegen, besitzen wir ein intaktes demokratisches Immunsystem, auf das wir erst einmal vertrauen können. Die Angst, die Enttäuschung, dieses mulmige Gefühl in der Magengegend – das alles kann nämlich auch in demokratische Energie umgewandelt werden.
Richtig genutzt, ist es das Potenzial, das wir jetzt brauchen, um unsere Demokratie nachhaltig lebendig und uns wach zu halten für den allmählichen Demokratieabbau, der in den nächsten Jahren von den Rechtsextremen auf uns zurollen wird.
Ein Anfang, die Angst in demokratische Power zu transformieren, ist der Austausch, das Gespräch. Mit allen, die du finden kannst: Nachbarn, Familie, Freunde. Redet darüber, wie es euch mit diesen Wahlergebnissen geht. Fang doch mal mit einem Deiner Lieblingsmenschen an. Beobachte Dich selbst dabei – wie Du zuhörst, wie Du sprichst. Bleib bei Deinen Gefühlen und sprich über sie. Was entsteht da bei Dir? Du wirst erstaunt sein: Da formiert sich eine demokratische Kraft, eine Richtung. Eine demokratische Lebendigkeit, die (aus)gelebt werden will. Mehr Demokratie e.V. bietet an diesem Mittwoch um 19 Uhr das Format „Sprechen & Zuhören“ an. Wir zeigen dir Schritt für Schritt, wie das gehen kann.
Aktive:r Bürger:in sein
Schritt zwei wird nicht einfacher: Entdecke den Bürger oder die Bürgerin in Dir. Deutschland braucht keine Millionen von Fußball-Bundestrainer:innen, sondern Millionen von Bürger:innen, die sich einmischen. Die Fragen stellen, aktiv werden und sich zusammenschließen. Und zwar genau dort, wo wir uns tagtäglich befinden. Vor unseren Haustüren. In der Kita, in den Schulen, am Arbeitsplatz. In unserem ganz normalen Alltag eben! Wenn wir unsere Demokratie durch diese schwierige Zeit bringen wollen, dann sollten wir sie tiefer in unser Leben integrieren und dort so oft es nur geht anwenden. Lasst uns unseren Zeitgeist in diese Richtung verändern. Dann hat der Höcke-Clan nur wenig Chancen. Denn ihr wisst ja: Nichts ist so wirkungsmächtig wie die Normalität!
Ein Blick zu europäischen Nachbarn gibt Hoffnung: Polen hat es geschafft, die Macht der PiS-Partei zu brechen und den autokratischen Irrweg wieder zu verlassen. Lasst uns erst gar nicht darauf abbiegen!