Globale Gesellschaft Wahlen
Wer die Wahl hat
Wahlrecht für alle – das war ein langer Kampf in den USA. Auch heute wählen Menschen aus Minderheiten noch immer seltener als Weiße. Doch viele Organisationen und engagierte Personen wollen das ändern.
Am 5. November wählen die USA. Doch wer wählt eigentlich genau? Bei der letzten Präsidentschaftswahl 2020 stimmten 66 Prozent der Amerikaner*innen ab. Davon waren rund 71 Prozent Weiße und nur rund 59 Prozent Amerikaner*innen anderer Hautfarbe. Auch Menschen mit weniger Einkommen und geringerer Bildung wählen deutlich seltener. Vor dem Gang ins Wahllokal müssen US-Bürger*innen sich außerdem zur Wahl registrieren, weil es im Land kein zentrales Melderegister gibt. Zur Präsidentschaftswahl 2020 war ein Fünftel der Wahlberechtigten nicht registriert. LatinX und Asian Americans sind zwei der am schnellsten wachsenden Bevölkerungsgruppen – und registrieren sich zugleich seltener als andere Gruppen. Die Wahlen der ältesten modernen Demokratie der Welt spiegeln die Vielfalt der USA also nur bedingt wider. Unterrepräsentation ist weiterhin ein Problem.
Einschränkung des Wahlrechts
Dabei hat sich in den letzten 60 Jahren für Wähler*innen aus Minderheiten in den USA viel getan – weil vehement dafür gekämpft wurde. Noch ein Jahrhundert nach dem Ende der Sklaverei zahlten Menschen mit dem Leben für ihren Einsatz für die Demokratie und das Wahlrecht. Schwarze Amerikaner*innen sollten in großen Teilen des Landes mit aller Macht von den Wahlurnen ferngehalten werden. Die Geschichte von James Chaney, Michael Schwerner und Andrew Goodman ist nur ein Beispiel für das Ausmaß der Gewalt: Im Sommer 1964 waren die drei jungen Bürgerrechtsaktivisten unterwegs, um schwarze Wähler*innen zu registrieren, als sie von Rassisten des Ku-Klux-Klans entführt und ermordet wurden; der lokale Sheriff war einer der Täter. (Der Film „Mississippi Burning“ erzählt von diesem Fall, auch wenn er die Ereignisse stark verändert darstellt.)
Heute ist die Einschränkung des Wahlrechts subtiler, aber auch jetzt wird potenziellen Wähler*innen der Weg an die Urne erschwert. Beispielsweise durch neue, bürokratische Auflagen wie die Anforderung, bei der Registrierung Dokumente vorzulegen, über die viele Bürger*innen nicht verfügen, oder die „Bereinigung“ von Wählerregistern, die auf fehlerhaften Daten basieren. Und dann gibt es da noch das sogenannte „Gerrymandering“, der strategische Zuschnitt von Wahlkreisen, der den Sieg einer Partei garantieren soll und das oft zum Nachteil von Minderheiten ausfällt.
Ein fairer Kampf?
„Die meisten von uns verstehen unter Wählerunterdrückung die Bilder aus den 1960er Jahren mit Schlagstöcken, Wasserschläuchen und bellenden Hunden. Doch im 21. Jahrhundert sieht die Unterdrückung von Wählern wie Verwaltungsfehler aus. […] Sie ist aber genauso vorsätzlich und genauso heimtückisch.“ So beschreibt die Politikerin Stacey Abrams aus Georgia die Herausforderung, die es zu überwinden gilt.
Die Demokratin, die 2018 von ihrer Partei als erste schwarze Frau zur Wahl für das Amt einer Gouverneurin aufgestellt wurde, verlor mit geringem Abstand gegen ihren republikanischen Gegner. Ein unfairer Kampf, sagte die Kandidatin, und viele Bürgerrechtsgruppen stimmten ihr zu. Sie bemängelten unter anderem die systematische Unterdrückung vor allem schwarzer Stimmen. Abrams gründete „Fair Fight“ und steckte ihre Energie in die Registrierung von Wähler*innen; 800.000 Menschen konnte ihre Organisation gewinnen.
Auch die Zahl der Amerikaner*innen asiatischer Abstammung, die an den Wahlen teilnimmt, hat in den letzten vier Jahren zugenommen. Das liegt zum einen an den rassistischen Angriffen auf Asian Americans und der zugespitzten politischen Lage, die Menschen dazu bringen, sich einzumischen. Es ist aber auch das Verdienst von Organisationen wie Asian Americans Advancing Justice. Sie haben es sich zum Ziel gesetzt, die Rechte von Amerikaner*innen asiatischer Abstammung voranzubringen, auch ihr Wahlrecht. Die Organisation klärt auf und bietet Informationsmaterial in mehreren asiatischen Sprachen an, da ein Drittel der Bevölkerungsgruppe nur eingeschränkt auf Englisch kommunizieren kann.
Taylor Swift und AOC
Die Schauspielerin Rosario Dawson und die Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez (AOC) sind nur zwei von vielen prominenten Unterstützer*innen der Kampagnen von Voto Latino. Die Organisation will dafür sorgen, dass die stetig wachsende Gruppe der Latinos und Latinas politisch repräsentiert ist und nimmt vor allem junge Wähler*innen in den Blick. Seit der Gründung hat Voto Latino dafür gesorgt, dass sich über eine Million Wähler*innen registrieren. Dafür setzt die Organisation auf digitale Kampagnen auf Englisch und Spanisch, Präsenz in den Medien und freie Fahrten zum Wahllokal. Außerdem klagt Voto Latino gegen Gesetze, die sie als Einschränkung des Wahlrechts ansieht.
Dass prominente Menschen zum Wählen bewegen können, weiß auch Ex-Präsident Donald Trump. Nachdem die Sängerin Taylor Swift sich hinter Kamala Harris gestellt hatte, wütete der republikanische Präsidentschaftskandidat auf der Plattform Truth Social „I HATE TAYLOR SWIFT!“. Swift hatte ihre 283 Millionen Instagram-Follower aufgerufen, zur Wahl zu gehen – und sich vorher dafür zu registrieren. Die Website vote.gov hatte nach dem Post der Musikerin innerhalb nur eines Tages über zehnmal so viele Besucher*innen wie in der gesamten Woche davor.
Noch immer gibt es Ungleichheit, die Amerikaner*innen von den Wahlurnen fern hält. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Organisationen und engagierten Personen, die es sich zum Ziel gemacht haben, etwas dagegen zu unternehmen.