Globale Gesellschaft Soziale Medien Bundestagswahl Demo Feminismus Protest AfD Demokratie Montagslächeln Rechtsextremismus

Eine Frage der Repräsentation

Christina Haswood ist eine der jüngsten Abgeordneten im Repräsentantenhaus von Kansas – und Native American. Ein Gespräch über Repräsentation, TikTok, Trump und darüber, warum Mentor*innen für Menschen aus Minderheiten wichtig sind.

Native Americans nehmen an der dritten, jährlichen "National Indigenous Peoples of the Americas" Parade in New York teil. Sie protestieren dabei unter anderem gegen Gewalt und gegen die Verschleppung von Frauen und Mädchen
Native Americans nehmen im Oktober 2024 an der dritten, jährlichen "National Indigenous Peoples of the Americas" Parade in New York teil. Sie protestieren dabei unter anderem gegen Gewalt und gegen die Verschleppung von Frauen und Mädchen. Foto: IMAGO / Xinhua
Christina Haswood, demokratische Abgeordnete für das Repräsentantenhaus des Bundesstaates Kansas.
Foto: privat

Christina Haswood, 30, ist Diné (Navajo) und demokratische Abgeordnete für das Repräsentantenhaus des Bundesstaates Kansas. Bevor sie im Alter von 26 Jahren als eines der jüngsten Mitglieder in das Repräsentantenhaus von Kansas gewählt wurde, schloss sie ihr Studium an der University of Kansas mit einem Master in Public Health (Gesundheitswesen) ab.

Sie haben keine typische Politiker*innen-Biografie. Mit nur 26 Jahren wurden sie als junge Navajo-Frau Mitglied des Repräsentantenhauses von Kansas. Was hat sie motiviert, in die Politik zu gehen?

Christina Haswood: Als ich diese Entscheidung traf, habe ich gerade meinen Master in Public Health gemacht. Ich wollte wissen, wie man Probleme löst, statt sie nur zu erforschen und begann mich für die Politik in Kansas zu interessieren.

Ich fand einige Politiker, die mir gefielen, darunter eine indianische Abgeordnete, Representative Ponka-We Victors-Cozad. Sie hatte die Community der Native Americans zu einer Pressekonferenz eingeladen. Also bin ich hingegangen und war beeindruckt, wie souverän sie, eine Native American, diese Pressekonferenz leitete.

Das hat mich sehr motiviert. Also sagte ich ihr, dass ich sie gerne als Freiwillige unterstützen würde. Etwa fünf Monate später fragte sie mich, ob ich selbst kandidieren würde. 

Ungefähr zu dieser Zeit fing die COVID19-Pandemie an. Was ich von den Debatten im Parlament hörte, frustrierte mich. Meine Community konnte es sich nicht leisten, darüber zu streiten, ob wir eine Maske tragen wollen. Meine Leute starben, uns fehlten wichtige Ressourcen. Und im Parlament von Kansas gab es niemanden, der einen Master in Public Health hatte. Deshalb wollte ich kandidieren: um mein Wissen einzubringen und die Native American Community zu vertreten.

Es gibt auch nicht viele junge Leute in der Regierung. Viele in Kansas fragen sich, warum ihre Kinder und Enkelkinder wegziehen und nicht in ländlichen Gemeinden leben wollen. Auch das war ein Thema, bei dem ich meine Erfahrungen einbringen konnte.

Sie haben die Schwierigkeiten für Native American Communities während der Pandemie erwähnt. Mit welchen politischen Problemen sind die Communities besonders konfrontiert?

Christina Haswood: Aus der Arbeit mit den Tribal Communities hier kann ich sagen, dass es den Stammesregierungen an Geld und Mitarbeitern fehlt. Das führt dazu, dass sie staatliche Förderung für bestimmte Programme nicht in Anspruch nehmen können.  

Und dann ist da noch die Frage der Repräsentation. Von den vier Stämmen in Kansas hatte nur eine einen Lobbyisten am Parlament, und das noch nicht einmal in Vollzeit. Denn das ist teuer. So entgeht Native American Communities die Chance, Politik zu beeinflussen.

Fast 4,3 Millionen der US-amerikanischen Bevölkerung sind Native Americans oder Alaska Natives. Sie sind sowohl Bürger*innen der Vereinigten Staaten als auch ihres eigenen Stammes. 574 Stämme sind von der US-Regierung anerkannt – sie haben das Recht, eigene Regierungen zu bilden, mit der die US-Regierung Regierungsbeziehungen pflegt. Die in diesem Artikel verwendeten Bezeichnungen orientieren sich an denen, die die Native American Association of Germany verwendet.

Das gilt auch auf Bundesebene. Ich finde nicht, dass unsere republikanischen Abgeordneten in Washington die Native Americans repräsentieren. Sie geben sich keine große Mühe, enge Beziehungen zu unseren Communities aufzubauen.

Zu anderen wichtigen Problemen, unter denen unsere Communities leiden, gehört auch, dass Native Americans in unverhältnismäßig hohem Maße von Gewalt, Mord und Menschenhandel betroffen sind. Wir sprechen von einer Epidemie der vermissten und ermordeten indigenen Menschen.

Weitere wichtige Themen sind Klima, Energie und Umweltschutz. Mir macht Sorgen, dass die kommende Regierung weder der Umweltschutzbehörde noch dem Innenministerium wohlgesonnen ist. Die jetzige Regierung hat so viel in Naturschutz, erneuerbare Energien, sauberes Wasser und gesunde Böden investiert. Das ist nun in Gefahr. 

Wenn Sie auf Ihre Zeit als Abgeordnete zurückblicken, was sehen Sie als Ihre größten Erfolge an?

Christina Haswood: Ich habe die Epidemie der vermissten und ermordeten indigenen Menschen erwähnt. Meine Mentorin Ponka-We Victors-Cozad hatte an einem Gesetzentwurf gearbeitet, der Weiterbildung der staatlichen Strafverfolgungsbehörden zu diesem Thema empfiehlt. Mit ihrer Hilfe konnte ich das Gesetz durch das Repräsentantenhaus und den Senat auf den Schreibtisch des Gouverneurs bringen. 

Darauf war ich wirklich stolz. Es ist in der Politik gar nicht so leicht, einen Mentor zu finden. Und alles war neu für mich: Wie schafft man es, dass ein Gesetz verabschiedet wird? Wie gibt man sich als junge Frau, als Person of Colour, wenn es nur zwei Native Americans im ganzen Gebäude gibt? Wie präsentiert man eine Aussage vor einem Ausschuss? Ponka-We haben mir all das beigebracht. Und dann habe ich es meiner Community beigebracht.

Ich habe auch an anderen Gesetzesentwürfen mitgearbeitet, wie dem Indian Child Welfare Act. Ich war sehr stolz darauf, dass ich eine Anhörung dafür bekommen habe, denn schon das ist wirklich schwer. 

Zu Ihren Erfolgen gehört auch Ihre erste Wahlkampagne auf TikTok, deren Erfolg auch in der New York Times erwähnt wurde. Wie ist diese Kampagne entstanden?

Christina Haswood: Zunächst möchte ich sagen, dass meine Kampagne wirklich privilegiert war. Ich komme aus Lawrence, Kansas, und besonders in dem Bezirk, in dem ich kandidierte, gibt es viel mehr Demokraten als Republikaner. Es gab keinen republikanischen Herausforderer in meinem Rennen. Und weil meine Kampagne während der Pandemie stattfand, haben wir alles online gemacht. 

Für die Kampagne habe ich etwa 25.000 Dollar gesammelt. Der Durchschnitt liegt bei 40-50.000 Dollar. Wir haben also versucht, kreative Lösungen zu finden – und Tik Tok ist kostenlos. Zuerst habe ich in Videos erklärt, wie man sich zur Wahl anmeldet und über Politik gesprochen. Dann bekam ich eine Direktnachricht: „Ich finde es toll, was du auf TikTok versuchst. Ich bin ein High-School-Senior und würde gerne helfen.“ Er hieß Connor und wohnte nicht in Lawrence, also haben wir remote zusammengearbeitet. 

Er schickte mir Tik Tok-Ideen – was gerade angesagt war, Taylor Swift-Songs und so. Und wie das bei TikTok so ist, sieht man einen Trend und kopiert ihn entweder oder gibt ihm einen eigenen Dreh. Ich filmte also die Videos und schickte sie an Connor und legte die Musik darunter. 

Zu der Zeit war es für Politiker nicht üblich, TikTok zu verwenden. Mein berühmtestes TikTok war meine Vereidigung 2021. Das Video ging viral und hatte über eine Million Aufrufe.

Dieses Jahr haben Sie für den Senat in Kansas kandidiert, eine demokratische Kollegin herausgefordert und verloren; ihre Amtszeit im Repräsentantenhaus endet zum Ende des Jahres. Was war die Herausforderung in diesem Wahlkampf?

Christina Haswood: Eine der größten Herausforderungen war, dass die Amtsinhaberin seit über 20 Jahren in dieser Position war. Jeder kennt sie. 

Außerdem hatte ich weniger Geld für meine Kampagne als sie. Unser Geld hat nicht gereicht, um so viele Flugblätter zu drucken und Anzeigen zu schalten, wie wir gebraucht hätten. Ich habe dieselben Leute 10 bis 20 Mal angerufen und um Spenden gebeten.

Viele, die mich in der Vergangenheit unterstützt haben, wollten entweder nichts mit diesem Wahlkampf zu tun haben oder sie unterstützen grundsätzlich denjenigen, der das Amt inne hat. Ich glaube, es ist das alte Problem, dass ein junger Mensch zur Wahl antritt und nicht über das nötige Kapital verfügt. Ich würde aber gerne eines Tages wieder für ein Amt kandidieren.

Wie blicken Sie auf die zweite Trump-Präsidentschaft und wo sehen Sie jetzt noch Raum für politische Veränderung?

Christina Haswood: Es ist erschreckend zu sehen, in welche Richtung die Mehrheit dieses Land bewegen will. All das Engagement, der Kampf für Bürgerrechte und Gleichheit, die ich als Person of Color als große Fortschritte betrachte, wird von einigen Leuten nicht so wahrgenommen. Das macht mich sehr traurig. Viele werden versuchen, durchzuhalten und ihre Organisationen auf das vorzubereiten, was kommt. 

Es ist furchtbar, was die Trump-Administration über die Massenabschiebungen sagt, die sie plant. Ich fühle mich privilegiert, dass ich mich auf politische Fragen konzentrieren kann, während andere sich fragen müssen: Kann ich in diesem Land bleiben? Wird meine Familie auseinandergerissen? 

Es stimmt, dass wir eine Trump-Administration überlebt haben, aber gleichzeitig wissen wir nicht, wozu sie dieses Mal fähig sind. Ich glaube, dass unsere Communities sich vorbereiten und wir uns gegenseitig unterstützen sollten. 

TEILEN

Autor*innen

Katharina Draheim ist Redakteurin bei Campact. Nach ihrem Studium in Berlin und New Orleans war sie lange für die Atlantik-Brücke tätig. Das Land auf der anderen Seite des Ozeans beschäftigt sie noch immer: Im Blog schreibt sie über die USA. Alle Beiträge

Auch interessant

Globale Gesellschaft, Soziale Medien Bye Bye TikTok? Digitalisierung, Soziale Medien Von „Free Speech“ zur Hetze: Wie Meta demokratische Werte untergräbt Europa, Montagslächeln, Wahlen Montagslächeln: Regierungsbildung Österreich Soziales, Wahlen Das sind die 5 schlimmsten Bürgergeld-Mythen Demokratie, Finanzen, Lobbyismus, Wahlen Geld macht Macht – im Wahlkampf sprudeln die Parteispenden Feminismus, Soziale Medien Es ist Sexarbeit Globale Gesellschaft, Rechtsextremismus JD Vance, Austrofaschismus und der antifeministische Hildebrand-Kreis Ampel, CDU, Wahlen Diese 4 fast fertigen Beschlüsse könnten jetzt noch an der Union scheitern Bundestagswahl, Montagslächeln, Wahlen Montagslächeln: Raues Klima Demokratie, Globale Gesellschaft Trump will halten, was er verspricht