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Organspenden: Die Widerspruchsregelung kann Leben retten
Täglich sterben in Deutschland drei Menschen, weil kein passendes Spenderorgan verfügbar ist. Die Widerspruchsregelung könnte das ändern. Doch der Gesetzentwurf braucht Unterstützung im Bundestag. Erfahre, wie Du helfen kannst, das Leben Tausender Menschen zu retten.
In Deutschland warten etwa 8.500 Menschen auf ein Spenderorgan – viele vergeblich, denn zu wenige Menschen sind für eine Organspende registriert. Die Widerspruchsregelung könnte das ändern. Mit ihr gilt jede Person als potenzielle*r Spender*in, sofern sie nicht widerspricht. Diese Regelung hat sich in vielen europäischen Ländern bewährt und wird Leben retten. Ein Versuch, sie in Deutschland einzuführen, scheiterte zuletzt 2020 – die Mehrheit der Abgeordneten stimmte gegen diesen Vorschlag.
Nun wurde wieder ein Gesetzentwurf dazu vorgelegt. Acht Bundesländer – unter anderem Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland – setzen sich für einen erneuten Anlauf zur Einführung einer Widerspruchsregelung bei der Organspende ein.
Was ist die Widerspruchsregelung?
Auf Bundesebene versuchen 230 Abgeordnete, das Gesetz noch vor der Bundestagswahl im Februar im Parlament zu verabschieden. Doch dafür braucht es noch mehr Unterstützung. Mit einer Petition auf WeAct, der Petitionsplattform von Campact, versucht Nora Dehina, Nierenspezialistin und Oberärztin am Uniklinikum Düsseldorf, unentschlossene Abgeordnete von der Widerspruchsregelung zu überzeugen. Über 50.000 Menschen unterstützen ihre Petition bereits.
Petition: Widerspruchsregelung für Organspenden!
Über 50.000 Menschen haben die Petition von Nora Dehina, Oberärztin am Uniklinikum Düsseldorf, an die Abgeordneten der demokratischen Parteien im Bundestag unterzeichnet. Schließe Dich jetzt an:
Ich bin Ärztin am Uniklinikum in Düsseldorf. Die aktuelle Situation in Deutschland ist besorgniserregend. Jeden Tag sterben drei Menschen, weil sie nicht rechtzeitig ein passendes Spenderorgan erhalten. Trotz der Tatsache, dass über 84 % der Deutschen einer Organspende positiv gegenüberstehen, haben nur etwa 40 % einen Organspendeausweis. Die Diskrepanz zwischen Zustimmung zur Organspende und tatsächlicher Registrierung als Spender*in zeigt, dass das bisherige System nicht funktioniert.
Nora Dehina, Nierenspezialistin und Oberärztin am Uniklinikum Düsseldorf
In welchen Ländern gibt es bereits eine Widerspruchsregelung?
In den meisten Ländern Westeuropas gilt die Widerspruchsregelung. Zum Beispiel in Österreich, Frankreich, Italien, Spanien, Portugal, Belgien, den Niederlanden und in Großbritannien.
In Spanien gibt es rund 47 Spenden pro eine Million Einwohner. In Deutschland sind es nur rund zehn Organspenden pro eine Million Einwohner. Jedoch ist diese Differenz nicht allein auf die Widerspruchsregelung zurückzuführen: In Spanien sind Krankenhäuser zum einen deutlich besser auf Organspenden abgestimmt und Organe dürfen schon nach dem Herz-Kreislauf-Tod entnommen werden. In Deutschland muss der Hirntod feststehen.
Wie ist die Organspende in Deutschland bisher geregelt?
In Deutschland gilt seit 1997 die sogenannte Zustimmungslösung bzw. „Entscheidungslösung“. Organe dürfen hierzulande nur dann entnommen werden, wenn die Person hirntod ist, der Organspende zu Lebzeiten gezielt zugestimmt hat oder wenn Angehörige bzw. Bevollmächtigende der Spende zustimmen.
Wer der Organspende zustimmen mag, braucht einen Organspendeausweis – oftmals liegen sie in Arztpraxen aus oder mensch kann den Ausweis im Internet anfordern. Mittlerweile können Interessierte auch mit einem Eintrag in einem Online-Register ihre Zustimmung erklären.
Was spricht noch für die Widerspruchsregelung?
Die meisten Deutschen sind für die Organspende: 84 Prozent von ihnen sind laut einer Umfrage positiv dazu eingestellt. Doch weniger als die Hälfte davon, nur 36 Prozent, hat einen Organspendeausweis.
Ganz abgesehen davon, dass eine Widerspruchsregelung Leben retten kann, hat sie noch andere Vorteile. So entlastet sie beispielsweise die Angehörigen, die derzeit oftmals nach dem Tod eines geliebten Menschen vor der Entscheidung stehen, ob die Organe gespendet werden dürfen oder nicht. Mit der Widerspruchsregelung wäre die Entscheidung bereits zu Lebzeiten geregelt.
Die Widerspruchsregelung könnte außerdem Kosten im Gesundheitswesen senken. Denn Organtransplantationen sind häufig kosteneffizienter als die langfristige Behandlung von Patient*innen, die auf ein Organ warten. Mehr Spenderorgane bedeuten weniger Wartezeiten und somit geringere Kosten.
Was spricht gegen eine Widerspruchsregelung?
Alle Menschen haben das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper. Die Widerspruchsregelung kann einen Eingriff in die Freiheit des Einzelnen bedeuten. Kritiker sprechen daher häufig vom „Zwang zur Organspende“.
Klar ist, eine solche Entscheidung sollte immer freiwillig und bewusst getroffen werden. Deswegen bleibt den Menschen bei der Widerspruchsregelung auch das Recht zu widersprechen. Kritikern der Widerspruchsregelung reicht das jedoch nicht. „Bei den meisten E-Mails, bei jeder Werbung wird man um Einwilligung gebeten. Ausgerechnet beim eigenen Körper muss man aktiv widersprechen? Das kann nicht sein“, argumentiert beispielsweise Kerstin Münstermann in der Rheinischen Post.
Fest steht: Natürlich reicht eine Widerspruchsregelung allein nicht aus. Ganz gleich, ob Widerspruchsregelung oder Zustimmungslösung, wenn es um Organspenden geht, braucht es mehr Beratung, mehr Krankenhäuser und Ärzt*innen, die die Transplantationen durchführen und mehr Aufklärung. Denn nur wer aufgeklärt ist, kann für sich eine passende Entscheidung treffen.