AfD Bundestagswahl
Gegen den Gewöhnungseffekt
Seit gestern ist die AfD die zweitstärkste Kraft im Bundestag. 2029 könnte sie es in die Regierung schaffen. Campact-Vorstand Dr. Felix Kolb zeigt auf, wie das noch zu verhindern ist.

Die beiden Parteivorsitzenden der AfD, Tino Chrupalla und Alice Weidel, bei der Bundespressekonferenz in Berlin. Foto: IMAGO / Bernd Elmenthaler
Es schmerzt, das einzugestehen: Mit diesem Wahltag ist die AfD der Macht so nah wie nie. Im Blitzlichtgewitter verkündete Parteichefin Alice Weidel gestern: „Das ist für uns ein historischer Erfolg“. Ihr nächstes Ziel steht längst fest. Weidel will die Rechtsextremen bis zur Regierung führen. Dann könnten sie mit eigenen Ministerien, Milliardenbudget und Zugriff auf Behörden alles angreifen, was ihrer Ideologie im Weg steht: Freie Presse. Unabhängige Justiz. Politische Gegner*innen.[1]
Die Strategie ist klar. Systematisch nutzen die Rechtsextremen Krisen, um Verunsicherung zu schüren und die Gesellschaft weiter zu spalten. Dafür hat die AfD mächtige Verbündete. Aus Russland gesteuerte Fake-Profile kreieren Reichweite im Netz, undurchsichtige Spenden von Milliardären geben finanzielle Schlagkraft. Dazu wirbt Elon Musk – Trump-Vertrauter und reichster Mann der Welt – offensiv für die AfD. All das hilft, die rechtsextremen Positionen normal, wählbar und legitim aussehen zu lassen.
Dass die Normalisierung der AfD funktioniert, zeigt sich schon jetzt. Erstmalig konnte sie im Bundestag eine Mehrheit beschaffen. Und in der Union drängen einige Stimmen schon auf eine CDU-AfD-Koalition. Setzen sie sich durch, dürfte eine AfD-Regierung nach der nächsten Bundestagswahl 2029 kaum noch zu verhindern sein. Ein echter Albtraum.
Trotz allem: Unser Einsatz wirkt
So beklemmend die Lage auch ist, eine Sache macht mir Hoffnung: Eine große Mehrheit in Deutschland ist gegen die AfD – und bereit, sich gegen sie zu wehren. Das zeigen Umfragen ebenso wie die über 1,5 Millionen Menschen auf Anti-Rechts-Demos in den letzten Wochen. Selbst der AfD-Vordenker und Höcke-Vertraute Götz Kubitschek[1] sagt: „Die Gegner der AfD sind in der Lage, Massen zu mobilisieren.“
Dass der Rechtsextremist dieses Eingeständnis macht, zeigt: Die Arbeit von Campact wirkt. Wie niemand sonst stehen wir der AfD im Weg. Campact hat die Proteste der letzten Wochen maßgeblich mitorganisiert und finanziert. Das starke Ergebnis der AfD fordert aber jetzt erst recht von uns, dass wir permanent dranbleiben: Jede Zusammenarbeit mit der AfD kostet die Parteien Ansehen, Rückhalt und Wählerstimmen, dafür müssen wir sorgen.
Entscheidend ist: Campact muss jederzeit fit sein, eine große Protestwelle zu starten. Denn in den kommenden vier Jahren gilt es, die schleichende Normalisierung des Rechtsextremismus aufzuhalten. Immer wieder wird es darum gehen, progressive, sozial gerechte und menschenfreundliche Politik auf der Straße einzufordern – gegen die Interessen mächtiger Gegner. Die bisherigen Proteste haben viel Geld gekostet und ein größeres Loch in unser Budget gerissen.
Nach der Wahl ist vor den Wahlen
2026 wählen Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern ihre Landtage. In beiden Ländern kann die AfD auf den ersten Platz hoffen und wird alles für eine Regierungsbeteiligung tun. Schon jetzt braucht es teilweise krude Koalitionen – etwa aus CDU, SPD und BSW – damit die AfD nicht mitregiert. Schafft sie es nächstes Jahr in einem Bundesland in die Regierung, könnte das die Vorlage für eine AfD-Koalition im Bund werden.
Dafür braucht die AfD die Union. Diese Bundestagswahl haben die Konservativen noch klar gewonnen. Doch CDU und CSU könnten in den kommenden Jahren an Zustimmung verlieren. Der Druck der Regierungsverantwortung in Krisenzeiten zwingt oft zu schwierigen Kompromissen. Dass die Union im Umfragetief einknickt und sich der AfD öffnet, ist eine reale Gefahr. Schon kleine Verluste haben vor wenigen Wochen Parteichef Friedrich Merz zu seiner gemeinsamen Abstimmung mit der AfD verleitet.
Heute feiert die AfD ihre rund 20 Prozent. Jedes Rekordergebnis bedeutet für sie: weitere Millionen aus der Parteienfinanzierung, mehr Redezeit im Parlament, mehr Abgeordnete, die den faktenbasierten Diskurs untergraben. Wir sind uns sicher – wollen wir die AfD aufhalten, müssen wir jetzt handeln. Trump, Orban, Meloni – weltweit gibt es immer mehr extrem rechte Regierungschefs. Die Idee einer AfD-Regierung ist nicht länger abwegig. Deswegen wollen wir in den kommenden Jahren alles gegen einen Gewöhnungseffekt tun: Die AfD darf niemals an die Macht.
Campacts Plan: Mit einem neu gegründeten Thinktank analysieren wir, was am wirksamsten ist. Bei den Landtagswahlen wollen wir diese Gegenstrategien einsetzen und weiterhin Großdemos möglich machen. Das ist aufwendig. Nur mit finanzieller Sicherheit können wir direkt loslegen und planen. Zusammen treten wir der AfD entschlossen entgegen – bitte unterstütze diese Arbeit und fördere Campact mit einem regelmäßigen Beitrag.
Fußnoten
[1] „Hinter den Linien. Tagebuch – Montag, 10. Februar“, Götz Kubitschek auf sezession.de, 10. Februar 2025